Hauptstadtkongress 2021
Präventionsindex macht Erfolge messbar
Um zu klären, wie gut Deutschland bei der Gesundheitsprävention ist, haben Gesundheitsökonomen der Uni Bielefeld einen Index entwickelt. Auf dem Hauptstadtkongress stellten sie erste Ergebnisse vor.
Veröffentlicht:Berlin. Wo steht Deutschland mit der Prävention? Auskunft darüber gibt der von den Gesundheitsökonomen Professor Wolfgang Greiner und Dr. Julian Witte von der Universität Bielefeld entwickelte Präventionsindex.
Dieser Index ist ein konkretes Projekt der Initiative „Gesundheitsvorsorge der Zukunft“, die im Sommer 2019 gemeinsam von Springer Medizin und Pfizer initiiert wurde. Nach mehrmonatigen Vorbereitungen und interdisziplinären Expertenpanels sind am Dienstag erste Ergebnisse beim Hauptstadtkongress in Berlin präsentiert worden.
Nach den verfügbaren ausgewerteten Daten erreicht Deutschland mit etablierten Präventionsinstrumenten einen durchschnittlichen Zielerreichungsgrad von 65 Prozent.
Der Blick in einzelne Krankheits- und Präventionsbereiche
Dies lässt sich nach Krankheiten und anderen Präventionsbereichen differenzieren:
- bei muskuloskelettalen Erkrankungen beträgt die Zielerreichung 54 Prozent,
- bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen 68 Prozent,
- bei vermeidbaren Krebserkrankungen 67 Prozent und
- bei der Influenzaimpfung für die vulnerable Gruppe der über 60-Jährigen mit einer Impfquote von 39 Prozent nur 52 Prozent des angestrebten Ziels.
Gute Werte erreicht Deutschland mit nur 15 Prozent der über 75-Jährigen, deren Blutdruck höher als 140/90 ist. Der Zielwert von 25 Prozent wird übertroffen. Nahe am Zielwert von 100 Prozent liegt der Anteil der in der Schwangerschaft nicht rauchenden Mütter mit 89 Prozent. Schwächen in der Präventionskonzeption zeigen sich bei der Inanspruchnahme der präventiven Koloskopie (Status quo: 59 Prozent), für die kein Zielwert vorgegeben ist.
Ebenso fehlen Vorgaben für die angestrebte Senkung der Diabetes-Inzidenz. Als vorbildlich bezeichnete Greiner die Prävention in der Jugendzahnmedizin mit sehr exakten Erhebungen, konkreten Zielsetzungen und definierten Interventionen; das ermögliche eine gute Prüfung erreichter Ziele.
Nach den Plänen von Pfizer und der Gesundheitsökonomen soll der Präventionsindex kontinuierlich weiterentwickelt und aktualisiert werden. Schrittweise sollen dabei Bereiche außerhalb des SGB V-Rechtskreises einbezogen werden, sodass im Lauf der Zeit transparent wird, inwieweit Deutschland auf einem guten Weg ist, eine Health in all Policy mit einer Stärkung der öffentlichen Gesundheit insbesondere auch in vulnerablen Gruppen zu realisieren.
Politiker: Wertvolle Information
Nach Auffassung der Gesundheitspolitikerin von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, liefert der Index wertvolle Informationen. Wünschenswert sei eine Fortentwicklung, die auch Auskunft gibt über Maßnahmen und Effektivität von Verhältnisprävention sowie den Einfluss anderer Politikfelder – etwa Ernährung, Verkehr, Städtebau.
Erstrebenswert aus Sicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Alexander Krauß sei es, das – noch zu geringe – Engagement der Krankenkassen in den Index einzubeziehen und Prävention stärker im Risikostrukturausgleich (RSA) zu berücksichtigen. Als einmalige Chance für einen breiten Public-Health-Ansatz hält er das Vier-Milliarden-Programm für den Öffentlichen Gesundheitsdienst.
Als „ein total spannendes Projekt“ bewertet Thomas Isenberg, der für die SPD dem Berliner Abgeordnetenhaus angehört, den Präventionsindex. Für wünschenswert hält er es, den Index um zielgruppenspezifische Informationen anzureichern. Er fordert einen starken institutionellen Rahmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Förderung einer Public-Health-Politik.