Alzheimer-Forscher nehmen sich Mitochondrien vor
Bisherige Versuche, wirksame Strategien gegen Alzheimer zu entwickeln, waren wenig erfolgreich. Im Fokus stand dabei das Beta-Amyloid. Ein neues Ziel ist es nun, die Neurogenese im Hippocampus zu fördern.
Veröffentlicht:FRANKFURT AM MAIN. Lange Zeit richteten sich die therapeutischen Bemühungen bei der Alzheimer-Demenz (DAT) auf die Ablagerungen von Beta-Amyloid und neurofibrillären Bündeln im Hirn.
Studien der letzten Jahre, die sich auf diese histopathologischen Korrelate konzentrierten, haben jedoch enttäuscht: Weder durch Hemmung der Gamma- und Beta-Sekretase, noch durch die Immunisierung gegen das A-Beta-Protein ließ sich das Krankheitsgeschehen entscheidend beeinflussen.
Auch die Hemmung der Protein-Aggregation und der Versuch, durch Aktivierung des Enzyms Alpha-Sekretase eine protektive Alternative zur Bildung der fatalen Ablagerungen im Gehirn zu eröffnen, blieb bislang erfolglos.
Bisher wenig beachtet: die Energieversorgung
Neue Ansatzpunkte bei dieser zunehmend gesundheitspolitisch bedeutsamen Erkrankung wurden jetzt in einem von der Hirnliga e.V. - der Vereinigung der Deutschen Alzheimer-Forscher - und der Frankfurter Goethe-Universität organisierten Symposium diskutiert, an dem 26 hochkarätige Forscher aus acht Ländern teilgenommen hatten.
Es sei an der Zeit, bei der Suche nach Strategien, "die Beta-Amyloid-Schiene außen vorzulassen", betonte der Frankfurter Pharmakologe und Mitorganisator Professor Walter E. Müller.
Ein früher kaum beachteter Aspekt sei zum Beispiel die mit zunehmendem Alter und verstärkt bei Alzheimer beeinträchtigte Energieversorgung der Hirnzellen. "Mitochondrien gelten heute als zentraler Punkt in der Pathophysiologie der Erkrankung", so Müller bei einer Pressekonferenz in Frankfurt.
Zugleich sei Alter nach wie vor der wichtigste Risikofaktor der Alzheimer-Demenz. Aus Zell- und Tierexperimenten gebe es nun Hinweise, dass die Funktion der mitochondrialen Atmungskette sowohl durch normale Alterungsprozesse, in besonderem Maße aber auch durch krankheitsspezifische Proteine wie das tau-Protein und das Beta-Amyloid an mehreren Stellen gestört werde.
Mit Ginkgo lässt sich Neurogenese im Hippocampus fördern
Folge der beeinträchtigten Funktion der Zellkraftwerke können dann Störungen bei der Bildung von Synapsen und Neuriten sein. Diese Veränderungen gehen der Bildung neuritischer Plaques und der klinischen Manifestation der Erkrankung um zehn bis 30 Jahre voraus, so Müller.
Dies erkläre möglicherweise auch, warum bisherigen Ansätzen so wenig Erfolg beschieden gewesen sei.
Während die meisten Mitochondrien-bezogenen Ansätze noch in der Anfangsphase stecken, geben Befunde zu einem seit langem verwendeten Ginkgo-Extrakt (Egb 761) etwas konkretere Hoffnung: Damit lassen sich nach tierexperimentellen Befunden von Professor Yuan Luo aus Baltimore in Maryland sowohl die Mitochondrien-initiierte Apoptose und die Oligomerisierung von Beta-Amyloid hemmen als auch die Neurogenese im Hippocampus fördern.
Störungen des Lipidstoffwechsels im Hirn kommen unter die Lupe
Ebenfalls vielversprechende Angriffspunkte bieten Störungen des Lipidstoffwechsels im Hirn, wie Privatdozent Gunter P. Eckert aus Frankfurt am Main berichtete.
Besonders zwei Vorstufen der Cholesterin-Biosynthese, nämlich Farnesylpyrophosphat (FPP) und Geranylgeranylpyrophosphat (GGPP) sind nach seinen Befunden im Gehirn von DAT-Patienten angereichert.
Diese kurzkettigen Isoprenoide dienen normalerweise als Ankermoleküle für membranständige Proteine (rho-GTPasen), die an neuronalem Wachstum und Differenzierung beteiligt sind.
Sowohl die Spiegel dieser GTPasen als auch der Enzyme, die FPP und GGPP hieran anheften, sind - zumindest in alternden Hirnen von Versuchstieren - signifikant reduziert.
Einnahme von Statinen als therapeutischer Ansatz?
Dieses gestörte Gleichgewicht könnte, so der Pharmakologe, den Verlust synaptischer Verbindungen und damit der neuronalen Plastizität erklären.
Ein therapeutischer Ansatz könnte in der Einnahme von Statinen bestehen, welche die Cholesterinsynthese bereits vor den Zwischenschritten über FPP und GGPP hemmen, ein anderer eventuell in neurotrophen Faktoren wie BDNF (brain derived nerve growth factor).
Auch bestimmte pflanzliche Flavonoide beeinflussen den Lipidstoffwechsel positiv. Allerdings "kommen unsere therapeutischen Ansätze bislang alle viel zu spät", und auch eine präventive Anwendung auf breiter Front könne aus pharmakologischer Sicht derzeit nicht empfohlen werden, bremste Eckert überzogene Erwartungen.
Kognitives Training hilft
Hoffnungsvoller stimmen da schon Befunde von Professor Harald-Jürgen Hampel und seinen Kollegen aus Frankfurt: Kognitives Training stabilisiert sowohl bei manifester DAT als auch bei minimaler kognitiver Beeinträchtigung (MCI) die kognitive Funktion der Patienten, wie ein kontrollierter Vergleich über sechs Monate ergeben hat.
Möglicherweise wirkt dieses Konzept sogar synergistisch mit pharmakotherapeutischen Strategien. Ähnliche Befunde liegen für aerobe körperliche Aktivität vor. Im Tierexperiment sind dadurch sogar positive Einflüsse auf Neuroplastizität, Neurogenese und die Amyloidmenge nachweisbar.