Barmer-Studie

Arthrose-Patienten nutzen Physiotherapie zu selten

Nur jeder zweite Arthrose-Patient in Deutschland nimmt physiotherapeutische Leistungen in Anspruch, legen Daten von Barmer-Versicherten nahe. Gerade bei Patienten mit hoher Krankheitslast besteht in dieser Hinsicht noch erheblicher Nachholbedarf.

Von Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Arthrose im Kniegelenk: Bewegungsübungen können bei Patienten mit einer Knie- oder Hüftarthrose nicht nur Schmerzen reduzieren, sondern auch dazu beitragen, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten.

Arthrose im Kniegelenk: Bewegungsübungen können bei Patienten mit einer Knie- oder Hüftarthrose nicht nur Schmerzen reduzieren, sondern auch dazu beitragen, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten.

© psdesign1 / stock.adobe.com

Oldenburg. Dass Bewegungsübungen bei Patienten mit einer Knie- oder Hüftarthrose nicht nur Schmerzen reduzieren, sondern auch dazu beitragen, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten, ist mittlerweile durch hochrangige Studien belegt. In internationalen Leitlinien wird die Physiotherapie (PT), neben Gewichtsreduktion und analgetischen beziehungsweise antientzündlichen Medikamenten, als Kernelement der konservativen Arthrose-Therapie angesehen.

Allerdings lässt die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Leistungen in Deutschland noch deutlich Luft nach oben, wie eine aktuelle Auswertung von Versicherungsdaten der Barmer nahelegt (Arthritis Care Res 2020; online 1. Juli).

Nach den Ergebnissen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Studie hatte im Auswertungsjahr 2016 nur jeder zweite von insgesamt 3564 Arthrose-Patienten zumindest einmal die Möglichkeit einer vom Arzt verschriebenen PT genutzt. Insgesamt waren 98 Prozent der Patienten in diesem Jahr mindestens einmal beim Allgemeinarzt gewesen.

Frauen nutzten Physiotherapie häufiger

Den Barmer-Daten zufolge hatte jeder Patient im entsprechenden Jahr im Schnitt rund vier PT-Rezepte eingelöst, die mittlere Zahl der Behandlungen lag bei knapp 25. Die Rezepte waren in den meisten Fällen (45 Prozent) vom Orthopäden ausgestellt worden, ein knappes Drittel stammte vom Allgemeinarzt, drei Prozent vom Rheumatologen. Die restlichen Verschreibungen entfielen auf andere Fachdisziplinen.

Frauen nutzten die Möglichkeit der PT deutlich häufiger als Männer (54 versus 43 Prozent). Das Team um Hannes Jacobs von der Abteilung Versorgungsforschung der Universität Oldenburg vermutet, dass das am Zeitaufwand liegt, den die Sitzungen erfordern.

Männer würden häufig Maßnahmen bevorzugen, die eine schnellere Schmerzlinderung versprechen; sie hätten möglicherweise auch aus beruflichen Gründen mehr Probleme, den Termin beim Physiotherapeuten zeitlich unterzubringen.

Unterschiede zwischen Ost und West

Überraschenderweise schienen weder das Alter der Patienten noch Begleiterkrankungen oder der BMI für die Inanspruchnahme der PT eine nennenswerte Rolle zu spielen.

Dagegen war das Haushaltseinkommen durchaus relevant (bei weniger als 1500 Euro monatlich sank die Teilnahme signifikant) und auch der Wohnort: In den östlichen Bundesländern erhielten 59 Prozent und in den südlichen Ländern 52 Prozent der Arthrose-Patienten eine Physiotherapie, aber nur 48 Prozent der im Norden und 42 Prozent der im Westen ansässigen Patienten.

Im Osten Deutschlands ging der Trend außerdem deutlich mehr zur manuellen oder Thermotherapie; klassische Bewegungsübungen wurden hier deutlich seltener verschrieben als in anderen Bundesländern. Signifikant mit einer Inanspruchnahme assoziiert waren außerdem folgende Faktoren:

  • ein höherer Krankheitsstatus (gemessen als Punktwert im WOMAC-Score; dieser misst auf einer Skala von 0 bis 100 Schmerzen, Gelenksteife und Funktion, wobei höhere Werte schlechteren Ergebnissen entsprechen) und
  • eine höhere Krankheitsaktivität (definiert über die Zahl und Lokalisation der chronisch schmerzhaften Gelenke).

Von der Gruppe mit den höchsten Punktwerten im WOMAC-Score und von den Patienten mit mehr als vier chronisch schmerzhaften Gelenken hatten jeweils deutlich über 60 Prozent im Auswertungsjahr mindestens ein PT-Rezept eingelöst.

Nachholbedarf bei schwer Betroffenen

Umgekehrt heißt das laut Jacobs und Kollegen aber auch, dass etwa ein Drittel der am schwersten Betroffenen, also Patienten mit erheblicher funktioneller Beeinträchtigung und/oder starken Schmerzen, innerhalb eines Jahres nicht ein einziges Mal beim Physiotherapeuten gewesen war.

Damit sei nicht nur die Chance auf Schmerzlinderung gesunken, sondern auch die Aussicht auf eine bessere Beweglichkeit und damit eine bessere Lebensqualität.

Es wäre daher wünschenswert, so die Autoren, „dass die PT, die in den aktuellen Leitlinien mit als erste Wahl im Rahmen des konservativen Arthrosemanagements gilt, in Zukunft besser genutzt wird“.

Dazu sollten vor allem Männer, Patienten mit niedrigem Einkommen und solche mit hoher Krankheitslast und funktionellen Einschränkungen ermutigt werden.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Häufig ein Zufallsbefund

So lässt sich eine CPPD-Arthritis erkennen

Das könnte Sie auch interessieren
Muskeltonus wieder ins Gleichgewicht bringen

© mantinov / stock.adobe.com

Muskulär bedingte Schmerzen

Muskeltonus wieder ins Gleichgewicht bringen

Kooperation | In Kooperation mit: Trommsdorff GmbH & Co. KG
Den Schmerz an der Wurzel packen

© [M] pololia / stock.adobe.com | Mara Zemgaliete / stock.adobe.com

Muskelverspannung

Den Schmerz an der Wurzel packen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Trommsdorff GmbH & Co. KG
Einsatz von Pridinol bei muskulär bedingtem Rückenschmerz

Experten-Workshop

Einsatz von Pridinol bei muskulär bedingtem Rückenschmerz

Kooperation | In Kooperation mit: Trommsdorff GmbH & Co. KG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Patienten mit DMD profitierten von einer über 24-wöchigen Vamorolon-Therapie im Vergleich zu einer Therapie mit Prednison in Bezug auf das Längenwachstum

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [14]

Duchenne-Muskeldystrophie (DMD)

Erstes dissoziatives Kortikosteroid zugelassen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Santhera (Germany) GmbH, München
Abb. 1: Anteil der PMR-Patientinnen und -Patienten mit anhaltender Remission (primärer Endpunkt)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Erstes steroidsparendes Biologikum bei Polymyalgia rheumatica

Sarilumab schließt eine therapeutische Lücke

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Abb. 1: Veränderung der Krankheitsaktivität, gemessen mittels Simple Disease Activity Index (SDAI) zwischen Baseline und Woche 16

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Ernährung bei rheumatoider Arthritis

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke soll Nährstofflücken schließen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dr. Schär Deutschland GmbH, Ebsdorfergrund
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Wechselspiel zwischen Hirn und Pankreas

Demenz & Diabetes: Welche Vorteile das CGM bietet

Leckere und gesunde Ernährung

Remission bei Morbus Crohn: Das glückt auch mit einer rein oralen Diät

Lesetipps
Dreidimensionale medizinische Illustration von Nierenkrebs, die das Vorhandensein eines Tumors in der Niere zeigt.

© Crystal light / stock.adobe.com

Hinweis aus Registerstudie

Welchen Einfluss NSAR auf das Nierenkrebs-Risiko haben

Eine Frau greift sich mit beiden Händen um den Nacken.

© fizkes / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Leitlinien-Update

Polymyalgia rheumatica: Aktualisierte Empfehlungen sind online

Eine Ärztin tastet den Hals einer Frau zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen und Hypothyreose ab.

© Peakstock / stock.adobe.com

US-Review

Wie mit latenter Hypothyreose bei älteren Patienten umgehen?