Gerinnungshemmung aufheben
Auf der Suche nach der "Allzweckwaffe" der Antidote
Antidote können die gerinnungshemmende Wirkung von Antikoagulanzien in kürzester Zeit aufheben - sie sind quasi ihr Gegenpol. Mehrere neue Wirkstoffe sind derzeit in der Testphase.
Veröffentlicht:Mehrere Wirkstoffe werden derzeit als potenzielle Antidote gegen direkte orale Antikoagulanzien (DOAC) klinisch entwickelt. Darunter ist auch das Molekül PER977, für das jetzt erste positive Ergebnisse einer placebokontrollierten Studie zur Aufhebung der gerinnungshemmenden Wirkung von Edoxaban vorliegen (N Engl J Med 2014, online 5. November).
PER977 hat möglicherweise das Zeug, einmal als "Allzweckwaffe" unter den Antidoten dienen zu können. Denn der synthetische niedermolekulare Wirkstoff bindet direkt sowohl an unfraktioniertes Heparin und niedermolekulare Heparine als auch an direkte Faktor-Xa- und Faktor-IIa-Hemmer und hebt so deren gerinnungshemmende Wirkung rasch auf. Das ist zumindest in In-vitro- und präklinischen In-vivo-Studien gezeigt worden.
Studie: PER977 als Antidot für Edoxaban
Gegen Vitamin-K-Antagonisten ist das Breitband-Antidot allerdings wirkungslos. Entwickelt wird PER977 vom US-Startup-Unternehmen Perosphere.
In einer jetzt auf den Korrespondenzseiten des "New England Journal of Medicine" veröffentlichten placebokontrollierten Studie ist PER977 als Antidot gegen den Faktor-Xa-Hemmer Edoxaban getestet worden. Dazu ist Perosphere eine Kooperation mit dem Hersteller Daichii Sankyo eingegangen. Edoxaban ist bislang nur in Japan (Handelsnamen: Lixiana®) zugelassen.
An der Doppelblind-Studie haben 80 gesunde Probanden teilgenommen. Ihnen war nach initialer Gabe von Edoxaban (60 mg) drei Stunden später auch PER977 oder Placebo als intravenöser Bolus verabreicht worden. Die gerinnungshemmende Wirkung von Edoxaban wie auch die Gegenwirkung von PER977 wurde primär anhand von Veränderungen der Vollblut-Gerinnungszeit kontrolliert.
Effekt hält bei Probanden 24 Stunden an
Die Gerinnungszeit erhöhte sich nach Gabe von Edoxaban zunächst im Mittel um 37 Prozent gegenüber dem Ausgangswert.
Bei denjenigen Probanden, die dann PER977 (100 bis 300 mg) erhielten, erreichte die Gerinnungszeit schon innerhalb von rund zehn Minuten annähernd wieder das Ausgangsniveau. Der Effekt hielt rund 24 Stunden an. Bei Patienten mit Placebo-Behandlung dauerte der Abfall auf die Ausgangswerte dagegen 12 bis 15 Stunden.
Außer PER977 befinden sich noch weitere Antidot-Kandidaten in der Forschungspipeline, die allerdings im Vergleich ein spezifischeres Profil aufweisen. So hat Boehringer Ingelheim ein humanisiertes Antikörperfragment (Fab, Fragment antigen binding) namens Idarucizumab als künftiges Antidot gegen den direkten Thrombinhemmer Dabigatran in der klinischen Entwicklung.
Das Unternehmen informierte vor Kurzem über den Start einer globalen Phase-III-Studie (RE-VERSE AD), deren Daten die Grundlage für die Zulassung von Idarucizumab schaffen sollen. An der Studie sollen sich weltweit Notaufnahmen in 35 Ländern beteiligen.
Erfolge mit Idarucizumab und Andexanet alfa
Eine bereits abgeschlossene Phase-I-Studie bei 145 gesunden Probanden hat nach Firmenangaben bereits gezeigt, dass Idarucizumab die durch Dabigatran induzierte Gerinnungshemmung "sofort, vollständig und anhaltend aufheben kann".
Auch die Entwicklung des rekombinanten Proteins Andexanet alfa als Antidot schreitet voran. Andexanet alfa ähnelt dem körpereigenen Faktor-Xa und ist aufgrund einer Strukturveränderung in der Lage, spezifisch die gerinnungshemmende Wirkung von Faktor-Xa-Hemmern zu antagonisieren.
In mehreren placebokontrollierten Teilstudien des ANNEXA-Studienprogramms soll Andexanet alfa als potenzielles Antidot gegen Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden.
Als erste dieser Phase-III-Studien ist die ANNEXA-A-Studie erfolgreich abgeschlossen worden, ließ das US-amerikanische Unternehmen Portola Pharmaceuticals jüngst die Öffentlichkeit wissen. Die gerinnungshemmende Aktivität des Faktor-Xa-Hemmers Apixaban sei durch Andexanet alfa "sofort und signifikant" aufgehoben worden.
Die detaillierten Ergebnisse dieser Studie sollen am 17. November 2014 beim Kongress der American Heart Association (AHA) in Chicago vorgestellt werden.