Bei Brustkrebs kommt die Therapie nach Maß
Bessere Karten bei Brustkrebs: Nur noch eine von zehn Frauen, die an einem Spitzenzentrum für die Behandlung von Brustkrebs in Deutschland therapiert wird, stirbt innerhalb von fünf Jahren an ihrem Mammakarzinom.
Von Ingeborg Bördlein
Die günstige Entwicklung bei der Prognose von Brustkrebs-Patientinnen, die aus den aktuellen EUROCARE-Daten und Daten aus deutschen Spitzenzentren hervorgeht, beruht zur Hälfte auf der verbesserten Früherkennung, zur Hälfte auf der leitliniengerechten, vor allem medikamentösen Therapie.
Das sagt Professor Andreas Schneeweiss, Leiter der Sektion Gynäkologische Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg.
Therapieentscheidung je nach molekularem Subtyp
Für die Therapieentscheidung wird das tumorbiologisch vielgestaltige Mammakarzinom heute in fünf molekulare Subtypen eingeteilt. Diese eigentlich auf der retrospektiven Analyse von Gensignaturen fußende Klassifizierung kann auch annähernd mit den klassischen immunhistologischen Faktoren erreicht werden.
Die größte Gruppe bilden die Luminal A- und Luminal B/Her2-negativen Subtypen. Sie sind Hormonrezeptor-positiv. Die schwierige Entscheidung, ob diese eine Chemotherapie erfordern oder allein mit einer endokrinen Therapie behandelt werden können, wird heute anhand der Proliferation der Tumorzellen durch die Bestimmung von Ki 67 getroffen.
Bei niedriger Proliferation wird ein Luminal A-Subtyp angenommen und außer bei massivem Lymphknotenbefall eine ausschließlich endokrine Therapie empfohlen, bei hoher Proliferation (Luminal B/Her2-negativ) zusätzlich eine Chemotherapie.
Gentests versprechen exaktere Voraussagen
Allerdings gibt es noch keine standardisierte Bestimmung des Ki 67, und laut Schneeweiss sind die Cut-off-Werte im Bereich zwischen 10 und 30 Prozent auch noch zu ungenau. Die Gentests Oncotype-DX oder Mammaprint versprechen exaktere Voraussagen über den individuellen Krankheitsverlauf und das Therapieansprechen.
Doch müssen noch die Ergebnisse prospektiver Studien abgewartet werden, ehe sie in Deutschland flächendeckend angewandt werden können.
Ist eine antihormonelle Therapie angezeigt, gehören Schneeweiss zufolge die Aromatase-Inhibitoren (AI) bei postmenopausalen Frauen heute ganz klar zum therapeutischen Arsenal. "Wir favorisieren aufgrund der Ergebnisse der TEAM-Studie die Sequenz mit zwei Jahren Tamoxifen gefolgt von drei Jahren AI."
Rückfallrate in den ersten beiden Jahren am höchsten
Subgruppenanalysen der BIG-I-98-Studie legen allerdings nahe, bei Frauen mit hohem Rückfallrisiko, zum Beispiel nodalpositiven Patientinnen, gleich mit einem AI einzusteigen, da die Rezidivrate in den ersten beiden Jahren am höchsten ist.
Bei prämenopausalen Frauen ist Tamoxifen (TAM) über fünf Jahre weiterhin die Basis. Ob dazu ein GNRH-Analogon gegeben werden sollte, müssen Studien erst zeigen. Das Procedere im Heidelberger NCT: Alle prämenopausalen Frauen unter 40 bekommen zusätzlich zu TAM ein GNRH-Analogon, um die Eierstockfunktion sicher auszuschalten.
Eine verlängerte endokrine Therapie mit einem AI über weitere fünf Jahre wird postmenopausalen Frauen mit einem hohen Restrisiko angeboten, die initial prämenopausal waren und nur fünf Jahre TAM erhalten haben.
Bei Chemotherapie wird das TC-Schema favorisiert
Ist eine Chemotherapie indiziert, beinhaltet diese immer ein Anthrazyklin, wenn keine Kontraindikationen vorliegen. Ist dies der Fall, wird das TC-Schema (Docetaxel und Cyclophosphamid) favorisiert. Ein Taxan gehört bei nodalpositiven Patientinnen zur Standardtherapie sowie bei nodalnegativen Patientinnen mit hohem Risiko (ab T2, bei G3 oder ER-negativ).
Her2-positive Patientinnen - ob mit oder ohne positive Hormonrezeptoren - erhalten darüber hinaus für ein Jahr Trastuzumab begleitend zur Chemotherapie nach Abschluss der Anthrazyklinphase. Die kombinierte Gabe hat sich in einer US-amerikanischen Studie als wirksamer erwiesen. Bei kardialen Risikofaktoren kann nach der neuen Datenlage das Anthrazyklin durch Carboplatin ersetzt werden.
Überlebensgewinn von 30 Prozent
Seit es den Antikörper gibt, haben Her2-positive Frauen - das ist immerhin jede fünfte bis sechste Brustkrebspatientin - einen Überlebensgewinn von 30 Prozent. Schneeweiss zufolge ist das ein Riesenfortschritt.
Ob man auf die Chemo bei Her2-positiven Frauen durch die Kombination mehrerer zielgerichteter Therapeutika einmal wird verzichten können, wird derzeit untersucht. So wurden in Studien mit der dualen Her2-Blockade mit Trastuzumab plus Lapatinib oder Trastuzumab plus Pertuzumab in der neoadjuvanten Therapie beeindruckende Remissionsraten erzielt. Für den breiten Einsatz ist es aber noch zu früh.
Jede fünfte bis sechste Patientin ist Her2-positiv
Die Entwicklung hin zur neoadjuvanten Therapie hat Schneeweiss zufolge vor allem für Frauen mit größeren (größer T2) und / oder aggressiven Tumoren ausschließlich Vorteile. Fast jede fünfte Frau, bei der eine Mastektomie indiziert wäre, kann durch die präoperative Chemotherapie brusterhaltend operiert werden.
Außerdem biete sie die große Chance einer "in vivo Chemosensitivitätstestung": "Wir wissen schnell, ob und wie der Tumor auf die Therapie anspricht, und wenn er nicht oder schlecht anspricht, können wir die Wirkung neuer Therapeutika schneller überprüfen", sagt Schneeweiss. Kandidatinnen dafür sind vor allem Frauen mit aggressiveren Tumoren.
Mit neoadjuvanter Therapie Fünf-Jahres-Überleben von etwa 90 Prozent
Dazu zählen vor allem die triple negativen Tumoren, die weder Hormonrezeptoren haben, noch Her2 überexprimieren, außerdem Her2-positive und Hormonrezeptor-negative, also Her2-positive non-luminale Tumoren.
Wenn diese Frauen unter der neoadjuvanten Therapie eine komplette pathologische Remission ohne Tumorrest in der Brust und Achselhöhle erreichen, haben sie trotz aggressiver Tumorbiologie nach neueren Daten ein hervorragendes krankheitsfreies Fünf-Jahres-Überleben von fast 90 Prozent.