Behandlungsfehler

Beim angeborenen Herzfehler immer zum Spezialisten!

Selbst bei einfachen Herzfehlern sollten Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) den Spezialisten ansteuern. Nicht-spezialisierte Ärzte machen viele Behandlungsfehler, so eine Studie - mit lebensbedrohlichen Folgen.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Nicht einmal die Hälfte der EMAH-Patienten wurde laut Studie von einem Spezialisten betreut.

Nicht einmal die Hälfte der EMAH-Patienten wurde laut Studie von einem Spezialisten betreut.

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MÜNCHEN. Viele Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH-Patienten) werden noch immer nicht von spezialisierten Ärzten betreut, und das obwohl die Leitlinien mittlerweile eine solche Betreuung selbst bei weniger komplexen Fällen empfehlen.

Eine Studie aus Australien macht nun deutlich, dass diese Empfehlung tatsächlich ihre Berechtigung hat. Dr. Rachel Cordina und Kollegen haben die Krankengeschichten von 309 EMAH-Patienten über einen Zeitraum von drei Jahren verfolgt.

Zu wenige EMAH-Patienten werden von Spezialisten betreut

Fast die Hälfte (43%) der Patienten wurden von einem allgemeintätigen Kardiologen betreut. Nur 37% ließen sich von einem Kardiologen behandeln, der auf angeborene Herzfehler spezialisiert war, also entweder noch von ihrem Kinderkardiologen oder einen auf EMAH-Patienten spezialisierten Kardiologen. Die restlichen 20% Patienten wurden von anderen Ärzten behandelt, knapp die Hälfte von ihnen gingen im Verlauf zu gar keiner kardiologischen Nachsorge mehr.

Behandlungsfehler waren generell häufig. Doch passierten sie den nicht mit EMAH-Patienten vertrauten Kardiologen deutlich häufiger als den Spezialisten. So trafen die allgemeintätigen Kardiologen in 37% der Fälle eine Entscheidung, die nicht der aktuellen Leitlinienempfehlung entsprach; bei den Spezialisten traf das nur in 10% der Fälle zu.

Die häufigsten Fehler

Einer der häufigsten Fehler war, dass die Ärzte das Ausmaß einer Pulmonalinsuffizienz unterschätzten und deshalb der Austausch der Pulmonalklappe zu spät erfolgte. Eine pulmonale Regurgitation ist eine typische Spätkomplikation bei Patienten, die im Neugeborenenalter eine Korrektur der Fallot'sche Tetralogie oder anderer Rechtsherzobstruktionen erhalten haben.

Weitere typische Fehler waren das Unterschätzen einer Volumenbelastung im Falle eines noch vorhandenen Rechts-Links-Shunts, das Nichterkennen eines Aortenaneurysmas oder die ausbleibende Bluthochdruck-Therapie bei EMAH-Patienten mit chirurgisch korrigierter Aortenisthmusstenose oder unterbrochenem Aortenbogen. In zwei Fällen wurde bei Patienten mit Ventrikelseptumdefekt – dem häufigsten isolierten kongenitalen Herzfehler – das Ausmaß der schweren Aorteninsuffizienz unterschätzt und entsprechend falsch behandelt.

Lebensbedrohliche Konsequenzen

In nicht wenigen Fällen hatten solche Fehlentscheidungen lebensbedrohliche Konsequenzen. Bei etwa jedem vierten Patienten (26%), der von einem allgemeintätigen Kardiologen betreut wurde, kam es deshalb zu schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Komplikationen. Ein zu spät eingeleiteter Pulmonalklappenersatz im Falle einer Pulmonalinsuffizienz kann beispielsweise eine schwerwiegende Dilatation des rechten Ventrikels zur Folge haben, was ein kardiales Remodeling und ventrikuläre Arrhythmien auslösen und zum Tode führen kann.

Bei den allgemeintätigen Kardiologen wurde von zwei Fällen berichtet, in denen ein Behandlungsfehler zum Tode oder nahezu zum Tode führte oder eine dauerhafte Behinderung zur Folge hatte.

Die Fehler der Spezialisten führten dagegen nur selten zu größeren Komplikationen (4%), keiner endete tödlich, und das obwohl die von ihnen behandelten Patienten in der Regel komplexere Herzfehler aufwiesen als die, die von allgemeintätigen Kardiologen behandelt worden sind (33% vs. 19% mit hochkomplexen Herzfehlern).

Auch in Deutschland zu wenige Spezialisten

"Die mangelhafte Betreuung von EMAH-Patienten setzt tatsächlich die guten Ergebnisse aufs Spiel, die man mittlerweile in der pädiatrischen Versorgung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern erreicht", kommentierte Prof. Helmut Baumgartner die aktuellen Ergebnisse. In einem Editorial macht er deutlich, dass es auch in Deutschland noch zu wenig spezialisierte EMAH-Zentren gibt. Im Dezember 2016 seien 16 überregionale EMAH-Zentren und etwa 300 EMAH-Spezialisten gelistet gewesen. Laut dem Herzbericht von 2017 leben hierzulande etwa 180.000 EMAH-Patienten.

"Experten schätzen, dass mehr als zwei Drittel der EMAH-Patienten in Deutschland keine spezialisierte Versorgung erhalten", berichtet Baumgartner, der an der Universität Münster ein EMAH-Zentrum leitet.

Die Ergebnisse einer vorläufigen Umfrage zeigten, dass 41% der EMAH-Patienten und 38% der Hausärzte hierzulande gar nicht von der Existenz solcher spezialisierten Zentren wüssten. Nur 18% der Ärzte in der Primärversorgung beziehen einen EMAH-Spezialisten in ihre Therapieentscheidungen mit ein.

Nachsorgekontrolle selbst bei einfachen Herzfehlern

Wie sich in der aktuellen Analyse herausgestellt hat, haben selbst Patienten mit einfachen Herzfehlern eine deutlich schlechtere Prognose, wenn sie im Erwachsenenalter nicht von einem Spezialisten gesehen wurden. "Dieser Befund stützt die aktuelle Leitlinienempfehlung, nach der idealerweise alle EMAH-Patienten unabhängig von der Komplexität ihrer Erkrankung zumindest einmal in einem spezialisierten Zentrum vorstellig werden sollten", resümiert Baumgartner. Die Spezialisten sollten dann über die angemessene Frequenz und die Art und Weise der Nachsorgeuntersuchungen entscheiden.

Schwieriger Übergang in die EMAH-Versorgung

Im Übrigen erlebte von den EMAH-Patienten, die im Verlauf keinen kardiologische Nachsorgetermin mehr wahrnahmen, jeder zehnte eine lebensbedrohliche Komplikation.

Für die Studienautoren zeigt dies, dass der Übergang von Patienten mit angeborenen Herzfehlern in die Erwachsenenversorgung in vielen Fällen noch immer nicht optimal vonstatten geht. Laut Baumgartner werden selbst Kinder, die in Zentren für angeborene Herzfehler betreut werden, in bis zu 50% der Fälle nicht in ein EMAH-Zentrum überwiesen, wenn sie das Erwachsenenalter erreichen.

Das liege zum einen an den teilweise nicht optimal geregelten Übergangsprogrammen, zum anderen aber auch an den Patienten selbst, die als junge Erwachsene ihre Krankengeschichte hinter sich lassen wollen und deshalb notwendige Nachsorgeuntersuchungen versäumten.

Mehr Infos zu Kardiologie auf: www.springermedizin.de

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