Herzschwäche plus Vorhofflimmern
Betablocker ohne Nutzen
Die Behandlung mit Betablockern senkt bei Patienten mit Herzinsuffizienz nachweislich die Sterberate. Kommt zur Herzschwäche noch Vorhofflimmern hinzu, geht dieser prognostische Nutzen aber offenbar verloren, wie jetzt überraschende Ergebnisse einer Metaanalyse zeigen.
Veröffentlicht:Es mutet ein wenig paradox an: Einerseits werden Betablocker in allen Leitlinien kardiologischer Fachgesellschaften sowohl bei Herzinsuffizienz (zur Prognoseverbesserung) als auch bei Vorhofflimmern (zur Frequenzregulierung) vorrangig empfohlen.
Anderseits verringern Betablocker ausgerechnet bei Patienten, bei denen - was häufig der Fall ist - Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern zusammenkommen, offenbar nicht das Sterberisiko.
Zu dieser Erkenntnis gelangte eine internationale Forschergruppe um Dr. Dipak Kotecha von der Universität Birmingham auf der Grundlage einer Metaanalyse von Daten aus zehn placebokontrollierten Betablocker-Studien, an denen insgesamt 18.254 Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz beteiligt waren.
Qualitativ hochwertige Metaanalyse
Die Autoren hatten dabei jeweils Zugang zu den individuellen Patientendaten, was der Metaanalyse besondere Qualität verleiht. Kotecha hat die simultan im Fachblatt "The Lancet" publizierten Ergebnisse jüngst beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Barcelona vorgestellt.
Von den weit mehr als 18.000 Studienteilnehmern befanden sich 13.946 (76 Prozent) im Sinusrhythmus, während 3066 (17 Prozent) zusätzlich Vorhofflimmern hatten.
Nach einer Beobachtungszeit von im Mittel 1,5 Jahren betrug die Sterberate in der Patientengruppe ohne Vorhofflimmern 16 Prozent, bei den Patienten mit Vorhofflimmern war sie nicht überraschend mit 21 Prozent deutlich höher.
In der Gruppe ohne Vorhofflimmern entsprach die Wirkung der Betablocker ganz den Erwartungen: Die Gesamtmortalität wurde bei diesen Patienten signifikant um 27 Prozent im Vergleich zu Placebo reduziert.
Eine Überraschung ist dagegen das Ergebnis der Analyse in der Gruppe mit Vorhofflimmern: Bei diesen Patienten hatte die Behandlung mit Betablockern nicht den geringsten Einfluss auf die Gesamtmortalität. Dieser Mangel an prognostischem Nutzen war durchgängig in allen etwa nach Alter, Geschlecht, Auswurffraktion, Herzfrequenz oder NYHA-Klasse aufgeschlüsselten Subgruppen zu beobachten.
Das gleiche Muster zeigte sich bei der Analyse der kardiovaskulären Todesfälle und kardiovaskulär bzw. durch Herzinsuffizienz bedingten Klinikeinweisungen: Signifikante Reduktion auch dieser Ereignisse, wenn kein Vorhofflimmern bestand, dagegen keine Reduktion bei Patienten mit Vorhofflimmern.
Im Hinblick auf Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern ergeben sich nach Ansicht der Autoren aus diesen Ergebnissen zwei von den Leitlinien partiell abweichende Schlussfolgerungen:
- Betablocker sollten bei diesen Patienten nicht mehr als bevorzugte Option zur Frequenzkontrolle gegenüber anderen frequenzregulierenden Therapien genutzt werden.
- Betablocker sollten bei diesen Patienten nicht länger als Standardtherapie zur Verbesserung der Prognose betrachtet werden.
Hinsichtlich der Frequenzkontrolle ist allerdings zu fragen: Was sind die Alternativen, wenn Betablocker nicht mehr die bevorzugte Option sein sollen?
Vor allem die Digitalis-Therapie rückt dann natürlich ins Blickfeld. Allerdings mehren sich in jüngster Zeit Hinweise aus retrospektiven Studien, dass diese Therapie mit einer Zunahme der Mortalität assoziiert ist. Experten raten inzwischen zur Zurückhaltung.
Kein prognostischer Nutzen, aber auch kein Risiko
Auch die Nicht-Dihydropyridine Verapamil und Diltiazem, die eine Herzinsuffizienz verschlechtern können, scheinen nicht die beste Wahl zu sein, um die erhöhte Herzfrequenz zu drosseln.
Am Ende wird man also doch wohl wieder häufig bei Betablockern als frequenzregulierender Therapie der Wahl landen. Zwar verbessert diese Therapie bei einer Koexistenz von Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern nicht die Prognose der Patienten, wie die Metaanalyse gezeigt hat. Ihre Ergebnisse belegen aber auch, dass Betablocker bei dieser klinischen Konstellation zumindest mit keiner Risikozunahme einhergehen.