Forschung
Bitterrezeptoren mischen sich in die Verdauung ein
Wie gut ist der Verdauungskaffee? Forscher wissen nun: Bitterrezeptoren in Mund und Magen wirken regulierend auf die koffeinbedingte Magensäureausschüttung. Forscher können sich den Einsatz von Kaffee zur Regulierung der Magensäure vorstellen.
Veröffentlicht:POTSDAM. Der anregend wirkende Bitterstoff Koffein kann die Freisetzung von Salzsäure im Magen sowohl stimulieren als auch verzögern, je nachdem, ob er Bitterrezeptoren im Magen oder im Mund aktiviert (Proc Natl Acad Sci USA. Online 10. Juli 2017).
Dies ist das Ergebnis einer europäischen Kooperationsstudie, an der auch Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) beteiligt waren.
"Wie unsere Ergebnisse zeigen, spielen Bitterrezeptoren generell eine Rolle bei der Regulation der Magensäureausschüttung. Es wäre daher denkbar, dass sich Bitterstoffe oder Bitterblocker künftig als Therapeutika einsetzen ließen, um eine Übersäuerung des Magens zu behandeln", wird Studienleiterin Veronika Somoza von der Universität Wien in einer Mitteilung des DIfE zitiert.
Das Team um Somoza vom Institut für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie der Fakultät für Chemie an der Universität Wien, zu dem neben DIfE-Forschern auch Jakob Ley von der Symrise AG in Holzminden und Wissenschaftler des Blizard Instituts London gehören, publizierte seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America.
Auch Hopfen geeignet
Neuere Studien weisen darauf hin, dass neben Koffein auch andere Bitterstoffe, zum Beispiel aus Hopfen, die Säureproduktion im Magen ankurbeln. Über welche Mechanismen dies geschieht, ist allerdings noch nicht hinreichend erforscht.
Zudem ist bekannt, dass der Mensch Bitterstoffe über rund 25 verschiedene Bitterrezeptor-Typen wahrnimmt, die sich im Mund und Rachenraum auf den Spitzen der Geschmacksrezeptorzellen befinden und vor dem Verschlucken giftiger Substanzen warnen sollen. Fünf von ihnen reagieren unter anderem auf Koffein.
Seit Kurzem häufen sich die Studien, die zeigen, dass sich Geschmacksrezeptoren für Bitteres auch an anderen Orten des Verdauungssystems finden, so zum Beispiel im Magen. Welche Funktion die Rezeptoren dort erfüllen, ist weitgehend unbekannt und noch ebenfalls wenig erforscht.
Die bestehenden Fakten lassen annehmen, dass Koffein die Magensäureausschüttung über Bitterrezeptoren im Mund und Magen beeinflusst. Daher gingen die Forscher in der aktuellen Studie der Frage nach, ob tatsächlich ein solcher Zusammenhang besteht.
Verstärkte Ausschüttung von Magensäure nach Koffeineinnahme
Die Wissenschaftler führten an gesunden weiblichen und männlichen Studienteilnehmern pH-Wert Messungen im Magen durch. Zudem verwendeten sie menschliche Gewebeproben des Magens sowie ein etabliertes zelluläres Modellsystem (HGT-1-Zellen) zur Untersuchung der Magensäurefreisetzung, um den Zusammenhang auch auf zellulärer und molekularer Ebene überprüfen zu können.
Nahmen die Studienteilnehmer 150 mg Koffein verkapselt in Form einer Pille ein, die sich erst im Magen auflöste, führte dies nach etwa 30 Minuten zu einer verstärkten Ausschüttung von Magensäure.
Erhielten die Teilnehmer dagegen eine entsprechende Koffeinlösung, die neben den Rezeptoren im Magen auch die Bitterrezeptoren in der Mundhöhle stimulierte, verzögerte sich die Magensäureausschüttung.
Dabei korrelierte die empfundene Bitterkeit des Koffeins mit der Menge der ausgeschütteten Magensäure. Zudem wiesen die Forscher in menschlichen Gewebeproben des Magens und auch in den HGT-1-Zellen Bitterrezeptoren nach, die auf Koffein reagieren.
Am Modellsystem der HGT-1-Zellen zeigten sie zudem, dass der Bitterrezeptor TAS2R43 zumindest einer der Rezeptoren ist, über den Koffein die Magensäureausschüttung reguliert. Ein Ausschalten des TAS2R43-Rezeptors auf Genebene bestätigte dieses Ergebnis zusätzlich.
Bitterblocker hemmen Säurenildung
Ebenso verminderte sich der stimulierende Effekt des Koffeins durch Zugabe von Homoeriodictyol, einem Bitterblocker, der auch TAS2R43 hemmt. Auch Tests, bei denen die Teilnehmer den Bitterblocker gemeinsam mit Koffein einnahmen, führten zur Reduktion der Koffeineffekte.
"Obwohl in vielen Kulturen nach dem Essen ein Gläschen Magenbitter oder ein Kaffee üblich ist, um Verdauungsproblemen zu begegnen, wissen wir heute noch erstaunlich wenig über das molekulare Zusammenspiel von Bitterstoffen und dem Verdauungssystem", sagt Somoza. "Diese Zusammenhänge aufzuklären, könnte künftig dazu beitragen, neue Therapeutika gegen die Refluxkrankheit oder Magengeschwüre zu entwickeln", so Somoza.
"Jedenfalls sind unsere Ergebnisse vielversprechend und belegen, dass Bitterrezeptoren über ihre Funktion als Geschmackssensoren hinaus an der Regulation von Verdauungsprozessen beteiligt sind", ergänzt Koautor Wolfgang Meyerhof vom DIfE.
"Die Erforschung der Bitterrezeptoren, die von uns auch schon im Darm, in Herzmuskel- und Schilddrüsenzellen nachgewiesen wurden, zeigt nicht nur in diesem Zusammenhang ganz neue Perspektiven und Ansatzpunkte auf, denen wir auch in Zukunft mit unseren Kooperationspartnern nachgehen wollen", so DIfE-Geschmacksforscher Maik Behrens abschließend. (eb)