MRT-Scans analysiert
Bluthochdruck schädigt schon Gehirne junger Menschen
Hypertonie-bedingte Hirnveränderungen treten schon früh auf: So fanden Forscher aus Leipzig bei jungen Menschen mit erhöhtem Blutdruck ein reduziertes Volumen von Hippocampus, Amygdala sowie frontalen und parietalen Strukturen.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
Frage: Gehen erhöhte Blutdruckwerte schon in jungen Jahren mit Hirnveränderungen einher?
Antwort: Forscher fanden bereits bei geringfügig erhöhten Blutdruckwerten ein reduziertes Volumen von Hippocampus, Amygdala sowie frontalen und parietalen Strukturen.
Bedeutung: Möglicherweise schaden hochnormale Blutdruckwerte dem Gehirn bereits im Alter unter 40 Jahren.
LEIPZIG. Menschen mit Hypertonie im mittleren Lebensalter entwickeln einige Dekaden später gehäuft Schlaganfälle und Demenz. Ursächlich sehen Forscher eine sukzessive Schädigung des Gehirns, die sich in Volumenverlusten der grauen Substanz und mikrostrukturellen Veränderungen der weißen Substanz bemerkbar macht.
Besonders stark schrumpfen dabei Regionen im medialen Temporal- und Frontallappen. Auch der fürs Gedächtnis wichtige Hippocampus ist betroffen, erläutern Forscher um Dr. Lina Schaare vom Max-Planck-Institut in Leipzig und sprechen in solchen Fällen von einer subklinischen zerebrovaskulären Erkrankung.
Diese entwickelt sich ihren Untersuchungen zufolge jedoch nicht erst im mittleren Lebensalter bei Hypertonikern, sondern schon bei jungen Menschen mit mäßig erhöhtem Blutdruck: Hier sahen sie in ähnlichen Hirnarealen einen Verlust grauer Substanz wie bei älteren Hypertonikern (Neurology 2019; online 23. Januar).
MRT-Scans des Gehirns analysiert
Die Forscher analysierten MRT-Scans des Gehirns von 423 Personen ohne zuvor bekannte Hypertonie. Alle hatten an vier unterschiedlichen Querschnittsuntersuchungen in Leipzig teilgenommen, dabei waren hochauflösende MRT-Aufnahmen gemacht worden, zudem lag mindestens eine Blutdruckmessung vor.
In den Studien ging es etwa um die Auswirkungen von Stress auf das Gehirn oder um Körper-Geist-Wechselwirkungen. Die Forscher um Schaare berücksichtigten nur Teilnehmer im Alter von 19 bis 40 Jahren, die noch keine Antihypertensiva bekommen hatten.
Die Druckmessung erfolgte meist mehrfach zu einem oder mehreren Zeitpunkten, daraus ermittelten die Forscher für jeden Teilnehmer Durchschnittswerte. Diese gliederten sie in vier Kategorien: unter 120/80 mmHg, über 140/90 mmHg, sowie zwei Kategorien dazwischen.
Sämtliche MRT-Scans wurden mit demselben 3-Tesla-Gerät aufgenommen. 58 Prozent der Teilnehmer waren Männer, das Alter lag im Schnitt bei 28 Jahren, 41 Prozent hatten Blutdruckwerte unter 120/80, 11 Prozent der Teilnehmer über 140/90, die übrigen 48 Prozent lagen dazwischen.
Verringerte graue Substanz bei höherem Blutdruck
Verglichen die Wissenschaftler um Schaare Teilnehmer mit Blutdruckwerten unter 120/80 mmHg und solche darüber, fanden sie bei höherem Druck Cluster mit verringerter grauer Substanz, und zwar umso mehr, je höher der Blutdruck lag.
Höhere systolische Werte gingen dabei etwa mit geringeren Volumina im rechten Cingulum, Gyrus frontalis inferior, Gyrus temporalis superior, Cuneus, sensomotorischen Kortex sowie im rechten Thalamus einher.
Ein erhöhter diastolischer Druck war mit weniger Volumen in der vorderen Insel, mehreren frontalen Regionen, Cingulum, Gyrus temporalis superior sowie der unteren Parietalregionen assoziiert. Letztlich waren also vor allem parietale, frontale sowie einige subkortikale Regionen betroffen.
Volumenminderungen
Besonders genau schauten sich die Forscher auch Hippocampus und Amygdala an. Bei allen Blutdruckkategorien über 120/80 mmHg fanden sie Volumenminderungen in unterschiedlichen Hippocampusarealen; Hypertoniker (über 140/90 mmHg) hatten zudem eine verkleinerte Amygdala.
Für bemerkenswert halten Schaare und Mitarbeiter, dass es sich um mehr oder weniger die gleichen Areale handelt, die auch bei älteren Hypertonikern Volumenänderungen aufweisen, und dass der Hippocampus recht konsistent schon bei leicht erhöhten Blutdruckwerten über 120/80 regionale Volumendefizite offenbart.
Möglicherweise reagieren solche Strukturen besonders empfindlich auf Ischämien und Hypoperfusionen, wie sie durch einen erhöhten Blutdruck induziert werden können.
Da es sich lediglich um Querschnittsdaten handelt, lässt sich eine Kausalität jedoch nicht klar ableiten, allerdings passen die Resultate zu denen aus prospektiven Studien bei älteren Hypertonikern. Danach könnte es sich hier um die ersten Anzeichen einer subklinischen zerebrovaskulären Erkrankung handeln.
Ob die Hirnveränderungen bei hochnormalen Blutdruckwerten tatsächlich mit einer erhöhten Rate für Schlaganfall oder neurodegenerative Prozesse Dekaden später einhergehen, müssten jedoch erst noch prospektive Studien zeigen.