Cannabis-Agentur

Cannabis auf Rezept – Ärzte begrüßen Auftakt

In Deutschland wird Cannabis als Medizin nach einem neuen Gesetz künftig unter staatlicher Aufsicht vertrieben. Dazu steht eine Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor dem Start.

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Über 1000 Patienten verschrieben Ärzte bisher medizinisches Cannabis per Sondergenehmigung.

Über 1000 Patienten verschrieben Ärzte bisher medizinisches Cannabis per Sondergenehmigung.

© megaflopp / Fotolia.com

BERLIN. Deutschlands Ärzte begrüßen die Freigabe von staatlich kontrolliertem Cannabis auf Rezept. "Ich rechne mit einer gewissen Ausweitung der entsprechenden Therapien, doch in welchem Ausmaß ist offen", sagte der Chef der Sucht-Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer, Josef Mischo, im Vorfeld der Eröffnung der staatlichen Cannabisagentur in Berlin. "Wir begrüßen als Ärzteschaft, wenn nun die therapeutischen Möglichkeiten erweitert werden" ergänzte er. Es sei gut, dass der Gesetzgeber es weitgehend dem Arzt überlasse, zu entscheiden, ob Cannabis eingesetzt werde.

Cannabis kann etwa helfen bei Multipler Sklerose, gegen chronische Schmerzen und bei Appetitlosigkeit wegen AIDS, Krebs oder Alzheimer. Das Gesetz erwähnt Schwerkranke, nennt aber keine genauen Krankheitsbilder. Denn genaue Daten zur Evidenz stehen noch aus. "Ich erwarte, dass wir deutlich bessere Daten darüber bekommen, wofür Cannabis tatsächlich sinnvoll ist und für welche Krankheiten dies weniger der Fall ist."

Mehr als 1000 Patienten haben bislang eine Sondergenehmigung für Cannabis vom Bundesinstitut BfArM. Diese wird dann überflüssig. Die Zahlen der damit behandelten Patienten dürften steigen, meint Mischo. "Gerade bei chronischen Schmerzen kann ich mir schon vorstellen, dass viele Ärzte nun einmal testen, ob es den Patienten mit Cannabis besser geht." Bis der kontrollierte staatliche Vertrieb aufgebaut sei, dürfte es zwei bis drei Jahre dauern.

170 Kilogramm Cannabis importiert

Im vergangenen Jahr hat Deutschland insgesamt 170 Kilogramm Cannabis zu medizinischen Zwecken importiert. Das geht aus einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des drogenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Frank Tempel, hervor. Damit hat sich die Menge gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt: 2015 wurden 92,8 Kilogramm importiert, im Jahr zuvor 48,5 Kilogramm.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes "Cannabis als Medizin" wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) neue Aufgaben erhalten:

– Die neue Cannabisagentur wird den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland staatlich kontrollieren.

– Die Bundesopiumstelle wird zudem eine Begleiterhebung durchführen, um weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin zu gewinnen. (dpa/mmr)

Kommentare
Robert Künzel 06.03.201712:37 Uhr

Kollege Schätzler, Ihrem Beitrag kann man nur beipflichten....

....und zudem ist ja immer noch völlig ungeklärt, welche Konsequenzen sich für Führerscheininhaber ergeben. Diese Frage wurde mir in der letzten Woche gefühlt 1000x gestellt, ich kann leider nur mit den Schultern zucken.
Ohhhh... Zucken in den Schultern ??? Ob da nicht auch diese neue bahnbrechende Kräutertherapie helfen könnte ?
Mehr ist dazu wohl nicht mehr zu sagen, ich glaube kaum, daß dieser ruhmreiche Schachzug zufällig ins Wahljahr fällt.
Hilfreich wäre sicher, wenn sich ein paar kundige Medizinrechtler einmal mit klarem Kopf ! zusammensetzen würden und einen Behandlungsvertrag für Cannabispatienten entwerfen, der alle unklaren Punkte zur Sprache bringt und regelt: Sicherungsaufklärung betr. Fahrtauglichkeit, Regreßabwehr, Haftung bei Nebenwirkungen/Flashbacks .......
Ebenfalls oft gefragt wurde, ab ein Vaporisator ein verordnungsfähiges Hilfsmittel sei. Auch hier konnte ich nur mit den Schultern zucken ;-)

MfG, R.K.

Thomas Georg Schätzler 04.03.201717:44 Uhr

"Am Morgen ein Joint, und der Tag ist dein Freund"?

Wenn schon der Chef der "Sucht-Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer", der Facharzt für Chirurgie Dr. med. Josef Mischo, sagt: „Ich erwarte, dass wir deutlich bessere Daten darüber bekommen, wofür Cannabis tatsächlich sinnvoll ist und für welche Krankheiten dies weniger der Fall ist.“
http://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/mischo-begruesst-cannabis-auf-rezept/

Dann ist das eigentlich eine Bankrotterklärung für jegliche Art von Evidenz-basierter Medizin (EbM) und ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die mit hoher Professionalität und Engagement tagtäglich ihre Patientinnen und Patienten versorgen.

Wir vertragsärztlichen Haus- und Familien- bzw. Fachärzte sind zu Leitlinien-gerechter, rationaler und Indkations-gebundener Diagnostik bzw. Therapie nach dem Wirtschaftlichkeits-Gebot (Paragraph 12 Sozialgesetzbuch V) verpflichtet. Wir laufen Gefahr, bei Wunsch-, Verdachts- und Fehlverordnungen in eine Regress-Forderung hineinzulaufen, die unsere Praxis-Existenz gefährden kann!

Und was machen die Politik, die Öffentlichkeit, die Medien, die Krankenkassen-Bürokratie und unsere eigenen ärztlichen Spitzenfunktionäre?
Bevor überhaupt ansatzweise eine empirisch-experimentelle, wissenschaftliche Erforschung und Evaluation der Therapie und Palliation mit Cannabis-Präparaten etabliert wurde, gibt man zu völlig obskuren Bedingungen eine völlig undurchsichtige Cannabis Therapie frei, weil man die eigene, grandios gescheiterte Drogenpolitik und den irregeleitete Umgang mit Abhängigkeitskranheiten damit nur allzu leicht kaschieren kann.

Ob Cannabis tatsächlich alternativlos bei Multipler Sklerose, chronischen Schmerzen, Appetitlosigkeit wegen AIDS, Krebs oder Alzheimer helfen kann, ist bisher ohne jede Evidenz durch randomisierte, kontrollierte Doppelblind-Studie im RCT-Design geblieben. Das Gesetz erwähnt Schwerkranke, nennt aber keine genauen Krankheitsbilder. Daten zur Evidenz, wie sie zu Aspirin bis Zyprexa gefordert und erbracht werden, fehlen gänzlich.

Was die neue Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für Rechte und Pflichten bekommen soll, um den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland staatlich zu kontrollieren, bleibt vollkommen schleierhaft. Auch was die Bundesopiumstelle in ihrer Begleiterhebung an weiteren Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin gewinnen, verliert sich in einem blumigen Blütennebel:

Vornehmste Aufgabe wird es doch nicht etwa sein, in der täglichen Morgenbesprechung einen tiefen Zug aus einer frisch gefertigten "Tüte" zu nehmen, um einen haptischen, olfaktorischen bzw. pharmakotherapeutischen Eindruck zu bekommen und um zu einer subjektiven Einschätzung der Wirksamkeit aktueller Cannabis-Einlieferungen zu gelangen?

Wie bereits gesagt: "Am Morgen ein Joint, und der Tag ist dein Freund"?

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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