Krebs

Chemo bei Schwangeren sofort starten!

Wird bei einer Schwangeren eine Krebsdiagnose gestellt, sollte nicht gezögert werden, mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung zu starten. Eine aktuelle Studie stützt diese Empfehlung.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Schwangere unter einer Krebsbehandlung müssen nicht mit einer Schädigung des Kindes rechnen.

Schwangere unter einer Krebsbehandlung müssen nicht mit einer Schädigung des Kindes rechnen.

© Friday / fotolia.com

WIEN. Die Angst, den Fetus mit einer notwendigen Krebsbehandlung, sei es Chemotherapie oder Bestrahlung, zu schädigen, sei nicht berechtigt, sagte Professor Frédéric Amant aus Amsterdam beim europäischen Krebskongress (ECC) in Wien.

Amant ist Leiter einer Studie, die 129 Kinder aus Belgien, den Niederlanden, Italien und Tschechien von Müttern mit Krebserkrankungen während der Schwangerschaft verglichen hat mit ebenso vielen Kindern von Müttern ohne Krebs.

Am häufigsten hatten Mammakarzinome oder hämatoonkologische Erkrankungen vorgelegen. Die Kinder waren intrauterin einer Chemo- oder Strahlentherapie ausgesetzt gewesen, wenige auch beidem. Jeweils etwa zehn Prozent der Frauen waren lediglich operiert oder gar nicht behandelt worden.

Kinder nicht beeinträchtigt

"Verglichen mit der Kontrollgruppe fanden wir keine signifikanten Unterschiede in der geistigen Entwicklung der Kinder", erklärte Amant in Wien. Auch die Zahl der während der Schwangerschaft erhaltenen Chemotherapiezyklen hatte kein Einfluss.

Eventuelle Entwicklungsverzögerungen waren mit einem Score (Bayley Scales of Infant Development) erfasst worden. In beiden Gruppen erreichten die Kinder einen medianen Score von 101. Unabhängig von den stattgehabten Therapien (Chemotherapie, Radiatio, Operation) gab es keine maßgeblichen Unterschiede zwischen den Kindern.

Bei 47 Dreijährigen war die Herzfunktion genauer geprüft worden, davon waren 29 intrauterin einer Chemotherapie ausgesetzt gewesen - auch bei diesen Kindern waren keine Unterschiede oder Abnormitäten festzustellen.

Was in der Studie jedoch auffiel, war eine deutlich gehäufte Frühgeburtlichkeit: 61 Prozent der Kinder krebskranker Mütter waren vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren worden.

Das kommt in der Normalbevölkerung nur bei acht Prozent vor. Und Frühgeburtlichkeit kann Entwicklungsstörungen zur Folge haben.

Meist Geburtseinleitung nötig

"In den meisten Fällen war die Geburt vorzeitig eingeleitet worden, um danach die Krebstherapie fortsetzen zu können", so Amant, nur in einigen Fällen hatte die Geburt spontan eingesetzt. Es sei nicht auszuschließen, dass die Krebstherapie dabei eine Rolle gespielt haben könnte.

Amant schränkte allerdings die Bedeutung der Studie in gewisser Hinsicht wieder ein: Nicht beurteilt werden konnten spezifische Risiken einzelner Substanzen oder bestimmter Therapieschemata auf exponierte Kinder. Die Studienteilnehmer sollen bis zu ihrem 18. Lebensjahr weiter beobachtet werden.

Dennoch seien die Ergebnisse der bereits seit einigen Jahren laufenden Studie "beruhigend für schwangere Frauen, die eine Krebsdiagnose bekommen", kommentierte der wissenschaftliche Kovorsitzende des ECC 2015, Professor Peter Naredi aus Göteborg, Schweden, die Studienergebnisse.

Die wichtigste Botschaft sei, dass Ärzte die Krebsttherapie sofort starten. Und: Die Schwangerschaft sollte so nah wie möglich an den errechneten Termin erhalten werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 30.09.201511:25 Uhr

"Publish or perish"? - "Veröffentliche oder verrecke"?

Das kann man nur noch mit allgemeinem Veröffentlichungswahn erklären! Bei allem Respekt vor der wissenschaftlichen Leistung von Professor Frédéric Amant und seiner Arbeitsgruppe aus Amsterdam. Aber was er auf dem europäischen Krebskongress (ECC) in Wien vorgetragen und veröffentlicht hat, wurde von den Medien postwendend ebenso gierig-sensationslüstern wie irreführend-falsch aufgenommen und rezipiert:

"Eine neue Studie zeigt, dass die Angst vor einer Schädigung des Fetus durch eine Krebsbehandlung nicht berechtigt ist. Frauen, die während ihrer Schwangerschaft eine Krebsdiagnose erhalten, können ihre Therapie sofort beginnen und brauchen nicht aus Angst vor Folgen für ihr Kind die Schwangerschaft abzubrechen. Das ist das Fazit einer Studie, die der belgische Experte Frederic Amant jetzt beim Europäischen Krebskongress vorgestellt hat", posaunt z. B. am 28.09.2015 | 14:20 | DiePresse.com als Eilmeldung für die in Wien erscheinende "DIE PRESSE" in alle Welt hinaus.
Und verweist auf eine gar nicht zutreffende Veröffentlichung im "New England Journal of Medicine" (NEJM): http://diepresse.com/home/leben/gesundheit/4830991/Krebs-in-der-Schwangerschaft

Von Schwangerschaftsabbruch war aber bei F. Amant et. al überhaupt nicht die Rede. Sondern eher davon, dass seine Studie erhebliche und relevante Erkenntnis- und Interpretationslücken aufweist. Wurden lediglich "Entwicklungsverzögerungen" mit einem Score (Bayley Scales of Infant Development) erfasst? Und auf "Unterschiede in der geistigen Entwicklung der Kinder" gescreent?

Aus der Tatsache, dass bei 47 Dreijährigen dezidiert die Herzfunktion genauer geprüft wurde, wovon 29 intrauterin einer Chemotherapie ausgesetzt waren, schließe ich auf eine viel zu kurze, 3-jährige Nachbeobachtungszeit. Wissenschafts- und erkenntnistheoretisch suspekt sind auch die Studieneinschränkungen: "Nicht beurteilt werden konnten spezifische Risiken einzelner Substanzen oder bestimmter Therapieschemata auf exponierte Kinder. Die Studienteilnehmer sollen bis zu ihrem 18. Lebensjahr weiter beobachtet werden."

Das wäre in der Tat ein wagemutiges Vorpreschen von F. Amant et al.: Bevor langfristige Dauerschäden, Spätkomplikationen wie z. B Sekundär-Leukämien, Tumorinduktionen, Nieren- und Leberschäden zumindest bis zum 18. Lebensjahr bei Kindern von Müttern mit Krebserkrankungen während ihrer Schwangerschaft empirisch detektiert und mit der Vergleichsgruppe abgeglichen werden, sollte man sich mit Schnellschuss-Interpretationen doch eher etwas zurückhalten.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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