Jugendämter warnen
Deutlich mehr sexuelle Gewalt gegen Kinder
Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch: So viele Kinder und Jugendliche wie noch nie sind im Elternhaus körperlich und seelisch in Gefahr, berichten die Jugendämter. Besonders die sexuelle Gewalt nahm deutlich zu.
Veröffentlicht:WIESBADEN. Die Jugendämter in Deutschland melden einen traurigen Rekord: Sie haben 2018 bei rund 50.400 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt – das waren zehn Prozent mehr Fälle als im Vorjahr.
Dies ist nicht nur der höchste Anstieg, sondern auch der höchste Stand an Kindeswohlgefährdungen seit Einführung der Statistik im Jahr 2012, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag in Wiesbaden berichtete.
„Rein demografisch lässt sich der Anstieg der Kindeswohlgefährdungen nicht erklären“, erklärte die Behörde. Zwar stieg die Zahl der Minderjährigen ebenfalls an, aber nur um 0,5 Prozent. „Damit wurde 2018 auch bereinigt um demografische Veränderungen der höchste Stand in der Zeitreihe erreicht.“
24.900 Fälle als akut eingestuft
Die Jugendämter stuften 2018 rund 24.900 Fälle als „akut“ ein – 15 Prozent mehr als 2017. In weiteren rund 25.500 Fällen konnte eine Gefährdung nicht sicher ausgeschlossen werden. Auch diese „latenten“ Fälle haben zugenommen – um 6 Prozent.
60 Prozent der Kindeswohlgefährdungen sind laut Destatis auf Vernachlässigung zurückzuführen. Bei 31 Prozent gab es Anzeichen für psychische Misshandlungen: Demütigungen, Einschüchterung, Isolierung, emotionale Kälte. In 26 Prozent der Fälle gab es Hinweise auf körperliche Misshandlung, bei 5 Prozent Hinweise auf sexuelle Gewalt.
„Auch wenn Kindeswohlgefährdungen durch sexuelle Gewalt relativ selten festgestellt wurden, war die Entwicklung hier auffällig“, betonten die Destatis-Mitarbeiter. Die Zahl der gemeldeten Fälle stieg binnen Jahresfrist um 20 Prozent auf knapp 2500.
Unsere nachfolgende Tabelle zeigt, wie stark sich die Zahl der akuten Kindeswohlgefährdungen 2018 im Vergleich zu 2017 in den einzelnen Bundesländern verändert hat.
7800 Kinder in Obhut genommen
Wie das Statistische Bundesamt ausführt, wurden 2018 insgesamt 7800 Kinder zu ihrem Schutz vorläufig vom Jugendamt in Obhut genommen. Das waren 15 Prozent aller Gefährdungsfälle.
Bei 53.000 Kindern und Jugendlichen stellte das Jugendamt fest, dass zwar keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die Familien aber dennoch Hilfe und Unterstützung brauchen – etwa Erziehungsberatung. In rund 53.900 Fällen hat sich der ursprüngliche Verdacht nicht bestätigt. (dpa/ths)