Bei Diabetes

Ein Glas Wein darf‘s sein

Sowohl Rot- als auch Weißwein kann einen positiven Effekt bei Diabetikern haben, zeigt eine aktuelle Studie. Aber natürlich nur, wenn er in Maßen (nicht in Massen) genossen wird.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Ein kleines Glas Wein pro Tag kann bei Diabetikern die Werte verbessern - der Effekt ist aber gering.

Ein kleines Glas Wein pro Tag kann bei Diabetikern die Werte verbessern - der Effekt ist aber gering.

© Junial Enterprises / fotolia.com

BEER SHEVA. Epidemiologische Studien zu den kardiometabolischen Vor- und Nachteilen von Alkohol gibt es wohl tausende.

Aber da Alkohol Teil des Lebensstils ist, lässt sich nie mit Sicherheit sagen, ob die Effekte, die dem Alkohol zugeschrieben werden, tatsächlich existieren oder schlicht auf anderen, damit verbundenen Lebensstilfaktoren beruhen.

So ist es vielleicht nicht der Rotwein, der Herz und Gefäße schützt, sondern der insgesamt gesündere Lebensstil der rotweintrinkenden Klientel.

Um zu wissen, ob Rotwein in moderaten Mengen also schadet oder nützt, müssten randomisiert-kontrollierte Langzeitstudien her. So etwas ist natürlich nicht gerade einfach.

Israelische Wissenschaftler um Dr. Yftach Gepner von der Universität in Beer Sheva haben es dennoch mit einer bemerkenswerten Untersuchung versucht (Ann Intern Med 2015, online 13. Oktober).

Täglich ein Glas Wein spendiert

Sie spendierten bisherigen Diabetikern, die bis dato kein oder kaum Alkohol getrunken hatten, über zwei Jahre hinweg zu jedem Abendessen entweder ein Glas Rotwein, Weißwein oder Wasser.

Für die Studie CASCADE* konnten die Forscher 224 Interessenten mit Typ-2-Diabetes gewinnen. Ihnen wurde zunächst nicht mitgeteilt, dass es um die Effekte des Alkohols ging - man wollte nicht, dass sich Diabetiker aufgrund der kostenlosen Drinks bewarben.

Um teilnehmen zu können, mussten die Bewerber zwischen 40 und 75 Jahre alt sein, sie durften bisher nicht mehr als einen alkoholischen Drink pro Woche konsumiert haben und es durfte weder bei ihnen noch in ihrer Familie ein Suchtproblem geben oder in der Vergangenheit gegeben haben. Zudem sollte der Diabetes einigermaßen gut eingestellt sein.

Die Patienten wurden nun nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen eingeteilt: 73 bekamen Rot- und 68 Weißwein von den Golanhöhen, die übrigen 83 mussten sich mit Wasser zufriedengeben.

Der Rotwein hatte laut chemischer Analyse etwa siebenmal mehr antioxidative Phenole und bis zu 13-mal mehr Resveratrol als der Weißwein.

Leere Flaschen zur Kontrolle eingesammelt

Die Teilnehmer wurden nun gebeten, jeden Abend zum Essen 150 ml Wein in einem mitgelieferten Standardglas zu trinken. Das entsprach knapp 17 g Alkohol in der Rotwein- und knapp 16 g in der Weißweingruppe.

Die Forscher sammelten regelmäßig die leeren Flaschen ein, um zu kontrollieren, ob der gelieferte Wein auch tatsächlich getrunken und nicht etwa verschenkt oder verkauft wurde. Zusätzlich sollten die Teilnehmer angeben, wie strikt sie sich an die Vorgaben hielten.

Als ergänzende Maßnahme bekamen alle Diabetiker aktuelle Richtlinien und Empfehlungen zur mediterranen Diät. Diese wurde ihnen zudem in mehreren Sitzungen mit Ernährungsberatern nahegebracht.

Die Adhärenz erwies sich als recht gut: Im Schnitt gaben die Wassertrinker an, dass sie an 87 Prozent der Tage das Getränk in der vorgeschriebenen Weise konsumierten, bei den Weintrinkern waren es jeweils 84 Prozent.

Alkoholwirkung genetisch beeinflusst

Zwei Jahre nach Studienbeginn stellten die Forscher um Gepner nun in der Tat eine Reihe signifikanter Unterschiede in den einzelnen Gruppen fest.

So erhöhten die Wassertrinker ihren HDL-Wert um 1,7 mg/dl, die Rotweintrinker jedoch um 3,7 mg/dl. Die Differenz von 2 mg/dl war statistisch signifikant (p < 0,001).

Dagegen blieb der Wert in der Weißweingruppe über die Studienzeit hinweg konstant. Auch ihren Apolipoprotein-A1-Spiegel verbesserten die Rotweintrinker etwas stärker als die Wasserkonsumenten, wohingegen der Wert in der Weißweingruppe wiederum konstant blieb.

Die Weißweintrinker konnten jedoch als einzige ihren Nüchternglukosewert senken (minus 7,1 mg/dl). In der Rotweingruppe nahm der Wert hingegen um 4 mg/dl zu, in der Wassergruppe stieg er sogar um 10,3 mg/dl.

Die Triglyzeridwerte stiegen in der Wassergruppe etwas an und blieben in den beiden Weingruppen weitgehend konstant, die Unterschiede von jeweils 8 mg/dl (Weißwein) und 12 mg/dl (Rotwein) waren ebenfalls signifikant.

Keine Unterschiede bei Blutdruck, Leberwerten und Gewicht

Bei einer Reihe weiterer Faktoren wie Blutdruck, Leberwerte, Gewicht oder Bauchumfang gab es keine statistisch belastbaren Unterschiede zwischen den drei Gruppen.

Dies war auch nicht bei der Lebensqualität der Fall; Weintrinker berichteten aber über einen besseren Schlaf.

Die Wissenschaftler um Gepner untersuchten auch genetische Einflüsse. So waren rund 36% homozygot für eine Alkoholdehydrogenase-Variante, die Alkohol nur langsam abbaut.

Nur diese Patienten zeigten letztlich in den Weingruppen eine signifikant verbesserte glykämische Kontrolle, wohingegen die 21 Prozent mit besonders schnellem Alkoholabbau eine signifikante Blutdrucksenkung aufwiesen (minus 11 mmHg systolisch, minus 8 mmHg diastolisch).

Die Auswirkungen von Alkohol auf das Lipidprofil schienen die Genvarianten hingegen nicht zu beeinflussen.

Aus den Ergebnissen ziehen die Forscher drei wesentliche Schlussfolgerungen.

Erstens: Es hat offenbar keine negativen Auswirkungen, wenn Diabetiker mit einem moderaten Alkoholkonsum beginnen.

Zweitens: Rotwein scheint einen besseren Effekt auf das Lipidprofil zu haben als Weißwein - offenbar sind dafür noch andere Faktoren als der Alkohol relevant. Drittens: Es liegt auch an den Genen, wer wie stark profitiert.

Keine Ermutigung, mit dem Trinken anzufangen!

Die Studie sollte für Alkoholabstinenzler allerdings keine Ermutigung sein, mit dem Trinken anzufangen, schreiben Gepner und Mitarbeiter. Schließlich müsste der eher moderate Nutzen gegen die Risiken des Alkoholkonsums abgewogen werden.

Zudem macht eine Studie noch keine Empfehlung. Aber immerhin gebührt den israelischen Forschern die Ehre, erstmals den Alkoholkonsum in einer größeren randomisiert-kontrollierten Studie bei Diabetikern geprüft zu haben.

Unser Kenntnisstand zum Nutzen und Schaden von Alkohol wäre sicher weitaus größer, wenn mehr Geld in solche Studien statt in unzählige und oft halbseidene epidemiologische Betrachtungen gesteckt werden würde.

*CASCADE: Cardiovascular Diabetes & Ethanol Trial

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