Erfolg im Tiermodell
Eine mRNA-Vakzine gegen Multiple Sklerose?
Münster. Könnte das Prinzip der Impfung mit mRNA, auf dem ja neue Vakzinen gegen COVID-19 beruhen, in Zukunft auch für eine Therapie gegen Multiple Sklerose genutzt werden? Forschern ist es gelungen, die Entstehung von experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis bei Mäusen – ein Modell, welches Aspekte der MS nachstellt – mit Hilfe eines mRNA-Impfstoffs zu unterdrücken (Science 2021; online 8. Januar). Bei bereits erkrankten Tieren konnte der Krankheitsverlauf mit der mRNA-Vakzine abgemildert oder rückgängig gemacht werden.
Die Ergebnisse von Christina Krienke und Kollegen unter Studienleitung von Professor Ugur Sahin, dem Mitbegründer von BioNTech, weckten Hoffnungen bei MS-Betroffenen, teilt das Kompetenznetz Multiple Sklerose mit. Auch „Der Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 9. Januar unter dem Titel „Der Zauberkasten“ über die BioNTech-Forschungen. Die Resonanz in den Medien sei hoch, es werde teilweise von der Möglichkeit gesprochen, hier eine Impfung gegen Multiple Sklerose generieren zu können, so das Kompetenznetz in seiner Mitteilung.
Zielantigene bei der MS nicht bekannt
„Die Studie ist höchstwertig und wissenschaftlich von größter Bedeutung und dokumentiert erneut auch das Potential der mRNA Vakzinierungsstrategie insgesamt“, so das Kompetenznetz. Allerdings: was in Mäusen mit experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis als Impfstrategie funktioniere, sei als Strategie für eine Autoimmunerkrankung beim Menschen nicht so einfach zu übersetzen.
Hauptproblem beim Menschen – im Gegensatz zum Tiermodell – sei, dass die Zielantigene bei der MS nicht bekannt sind. Ganz im Gegenteil: In den 90er Jahren hätten Antigen-spezifische Therapieansätze bei der Übertragung aus Laborbedingungen auf den Menschen sogar teilweise unerwartet zu einer Verstärkung der Entzündung im Gehirn geführt, indem Immunantworten gegen das ZNS sogar befördert und nicht unterdrückt wurden.
„Autoimmunkrankheit ist hier nicht gleichzusetzen mit Infektion“
Die MS gilt heute als komplexe Störung immunregulatorischer Netzwerke. Nach der Gabe einer Selektion von Antigenen zur Therapie einer Autoimmunerkrankung könne es sogar zu einer fehlgesteuerten Aktivierung von Abwehrzellen kommen, erinnert das Kompetenznetz in seiner Mitteilung. Denn im Verlauf der Erkrankung gebe es offensichtlich sehr viele Antigene sowie HLA Moleküle, welche den T-Zellen helfen, anhand der zellulären Oberflächenstruktur kranke von gesunden Zellen zu unterscheiden, und diese seien individuell unterschiedlich. Weiterhin beruhe das Phänomen der Verstärkung der Entzündung wohl auf speziellen Bindungsstärken der gegen den eigenen Körper gerichteten Immunabwehr. Somit sei es nicht verwunderlich, dass bislang kein Antigen-spezifischer Therapieansatz in der Multiplen Sklerose (und auch nicht bei anderen Autoimmunerkrankungen) erfolgreich war,
„Eine Autoimmunkrankheit wie die Multiple Sklerose ist im Kontext der entwickelten Impfung damit nicht gleichzusetzen mit einer Infektion, die ja eine sehr gerichtete Antwort auf sehr definierte (Virus)Antigene darstellt“, betont das Kompetenznetz in seiner Mitteilung. Die Strategie, eine „Impfung gegen MS“ zu entwickeln sei zwar charmant und wissenschaftlich ein hochwertvolles Ziel. Es fehle aber beim Menschen nicht die richtige Labortechnik, sondern die Biologie der Entzündungsprozesse bei der MS sei ganz anders zu bewerten als bei einer Infektion. (eb/mal)