Multiple Sklerose
Erhöht Salz das MS-Risiko?
Eine salzreiche Ernährung lässt bekanntlich Bluthochdruck und dessen Folgeerkrankungen entstehen. Jetzt mehren sich Hinweise, dass mit dem Kochsalzkonsum auch das Risiko für Multiple Sklerose steigen könnte.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Dass Autoimmunerkrankungen in den Industrienationen stark zugenommen haben, wird auch auf die veränderten Ernährungsgewohnheiten zurückgeführt.
"In Regionen mit McDonalds gibt es deutlich mehr Autoimmunerkrankungen", berichtete Professor Ralf Linker bei der Neurowoche 2014 in München. Unter Verdacht steht insbesondere der hohe Kochsalzgehalt von Fast Food.
Eine mögliche Verbindung von salzreicher Ernährung speziell zur Multipler Sklerose (MS) haben Linker und seine Kollegen von der Universität Erlangen auch in einem Tiermodell für MS demonstrieren können.
Die Mäuse entwickeln nach Injektion des Myelin-Oligodendrozyten- Glykoproteins eine experimentelle autoimmune Enzephalitis (EAE). Diese Erkrankung verläuft wesentlich schwerer, wenn die Tiere vorher Futter mit vier Prozent und Trinkwasser mit ein Prozent NaCl erhalten - ein Kochsalzgehalt, der Linker zufolge mit einer japanischen Ernährung durchaus erreicht wird.
Werden die Tiere erst nach Krankheitsausbruch bei einer Hochsalz-Diät gehalten, sind die Auswirkungen auf den Schweregrad der EAE allerdings deutlich schwächer.
Entzündliche Prozesse werden wohl verstärkt
Durch das Kochsalz werden offenbar entzündliche Prozesse verstärkt. So lässt sich unter anderem in Milz und Rückenmark der Hochsalz-Mäuse eine vermehrte Produktion von Interleukin (IL)-17 nachweisen.
In-vitro-Versuchen zufolge beeinflusst Kochsalz die Differenzierung von naiven CD-4-positiven T-Zellen: Bei hohen Konzentrationen entwickeln sich mehr pathogene IL-17-produzierende TH17-Zellen.
Von IL-17 nimmt man an, dass es in der Initialphase von vielen Autoimmunerkrankungen "eine herausragende Rolle" spielt, so Linker.
Die Kochsalz-induzierte Differenzierung zu TH17-Zellen wird nach Erkenntnissen der Erlanger Mediziner über eine Signalkaskade vermittelt, an der p38/MAP-Kinase (MAPK) und die Serum-Glukokortikoid-regulierte Kinase 1 (SGK1) beteiligt sind.
Werden die Produktion oder die Funktion der Kinasen blockiert, macht dies den Effekt von hohen Salzkonzentrationen auf die TH17-Entwicklung zunichte.
In vivo könnte die Kochsalz-gesteuerte Entwicklung von T-Zellen in der Haut stattfinden, so die Vermutung von Linker. Die Haut sei nicht nur wichtig für die Salzhomöostase, sie reagiere auf erhöhte NaCl-Konzentrationen auch mit immunologischen Veränderungen.
Höhere TH17-Spiegel bei Fast-Food-Liebhabern
Die beobachteten kochsalzabhängigen Effekte könnten auch beim Menschen eine Rolle spielen. So haben gesunde Menschen, die viel Fast Food zu sich nehmen, höhere TH17-Spiegel im Blut als Menschen, die sich von Fast Food fernhalten.
Und bei MS-Patienten ist ein hoher Salzkonsum (über 5 g/d) mit einem schlimmeren Krankheitsbild mit mehr Schüben und mehr Läsionen assoziiert als ein niedriger Salzkonsum (unter 2 g/d).
Soll man also MS-Patienten zu einer salzarmen Diät raten? Laut Linker ist eine solche Empfehlung aus neurologischer Perspektive noch nicht gerechtfertigt.
Da aber zur Vermeidung kardiovaskulärer Erkrankungen ohnehin eine Salzrestriktion empfohlen wird, dürften auch MS-Patienten einen gesundheitlichen Nutzen haben, wenn sie etwa auf die Fertigpizza verzichten.
Zumal Fertigpizzen nicht nur reichlich Kochsalz, sondern auch viele gesättigte Fettsäuren enthalten. Letztere scheinen laut Linker bei EAE-Mäusen ähnliche Effekte zu haben wie eine hohe Kochsalzzufuhr.