Epilepsie
Es kann jeden treffen
Es kann jeden treffen - darauf verweist der Leitspruch des diesjährigen "Tages der Epilepsie" am 5. Oktober. Ohne angemessene Anfallskontrolle besteht ein hohes Risiko für plötzlichen Tod. Neue Optionen sind besonders technische Verfahren.
Veröffentlicht:Epilepsie erhält immer noch wenig öffentliche Aufmerksamkeit, obwohl die Krankheit weit verbreitet ist. Laut Angaben der Deutschen Epilepsievereinigung sind Epilepsien die dritthäufigste Erkrankung des zentralen Nervensystems hinter Migräne und Schlaganfall - das allein schon macht die Dimension klar.
Eine halbe Million Menschen in Deutschland werden wegen einer Epilepsie haus- oder fachärztlich behandelt. Jährlich sind hierzulande knapp 40.000 Neuerkrankungen zu verzeichnen.
Und fünf Prozent aller Menschen machen einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall durch, ohne dass sich solche Gelegenheitskrämpfe aber gleich zum Krampfleiden auswachsen müssten.
"Epilepsie kann jeden treffen, in jedem Alter", ist das Motto des diesjährigen Epilepsie-Tages. Plötzliche Todesfälle sind die am meisten gefürchtete Komplikation, von der Patienten mit Epilepsie betroffen werden können.
Der Fachbegriff dafür ist SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy). Das Risiko von Epilepsie-Patienten für ein solches fatales Ereignis ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung um den Faktor 24 erhöht, wie aus den Daten des Bonner Epileptologen Privatdozent Rainer Surges hervorgeht.
"SUDEP ist nicht selten", sagt Surges. Er trifft 1,5 Patienten pro 1000 Personenjahre; ist die Epilepsie schwer behandelbar, steigt das Risiko auf 6-9/1000 Personenjahre. In der Allgemeinpopulation hingegen beläuft sich die Gefahr, plötzlich und unerwartet zu sterben, auf 0,06/1000 Personenjahre.
In Deutschland wird die Zahl der SUDEP-Fälle auf etwa 800 pro Jahr geschätzt. Genauer lässt sich das nicht sagen, weil das Statistische Bundesamt SUDEP nicht als eigene Kategorie in der Todesursachen-Statistik führt: Im ICD-10 taucht SUDEP nicht auf.
Vor allem junge Menschen betroffen
Dabei ist das Problem durchaus eines, das Gesellschaft und Politik beschäftigen sollte. Nimmt man nämlich die verlorenen Lebensjahre als Vergleichspunkt, rangiert SUDEP hinter den Schlaganfällen auf Platz zwei aller neurologischen Krankheiten.
Denn SUDEP schlägt in jungen Jahren zu: 70 Prozent der Fälle ereignen sich vor dem 40. Lebensjahr. Eine SUDEP-Prävention ersten Ranges ist die Anfallskontrolle. Gelingt die Kontrolle, sinkt das SUDEP-Risiko um rund 80 Prozent.
Doch Antikonvulsiva helfen nicht allen Patienten, die Epilepsiechirurgie kommt nur für wenige Patienten infrage. In solchen therapierefraktären Fällen können elektrische Stimulationsverfahren eine Option darstellen.
Seit rund einem Vierteljahrhundert verfügbar ist die Vagusnervstimulation (VNS) in der Behandlung von Patienten mit schwerer, therapierefraktärer Epilepsie. Professor Hajo Hamer, Chef des Epilepsiezentrums der Universitätsklinik Erlangen, sieht in ihr derzeit die dritte Säule der Epilepsiebehandlung.
Hamer nennt einen der Vorteile der VNS: "Es ist ein Compliance-unabhängiges Verfahren." Die Wirksamkeit schätzt er so hoch ein wie jene der neuen Antikonvulsiva. Etwa ein Drittel der Patienten erfahre durch die VNS eine signifikante und dauerhafte Anfallsreduktion.
Fünf Prozent der Patienten - dieser wohlgemerkt refraktären Gruppe - würden unter der VNS anfallsfrei. Zudem habe das Verfahren, im Gegensatz etwa zu Antikonvulsiva, einen antidepressiven Effekt.
Tiefe Hirnstimulation wird bei Epilepsie erforscht
Bliebe die Frage, was für die Zukunft der Epilepsietherapie zu erwarten ist. In puncto VNS glaubt Hamer an technische Verbesserungen, etwa im Sinne der Anfallsprädiktion und -detektion, der transkutanen oder einer iktalen Stimulation.
Ob sich dies dann aber auch in einer besseren Effektivität der VNS niederschlägt, ist unsicher.
Einige Epileptologen setzen deshalb auf die tiefe Hirnstimulation. Epileptogene Foci lassen sich damit direkt traktieren. Die Erfolge sind bisher aber nicht besser als jene der VNS.
Hoffnungen ruhen auf der responsiven Neurostimulation. Entsprechende Geräte, die epileptiforme Aktivitäten erkennen und durch gezielte Herdstimulation den Anfall unterdrücken sollen, sind von der FDA in den USA vor einem knappen Jahr im Zuge einer "Premarket Approval" zugelassen worden.
Experten schätzen, dass knapp 30 Prozent der Patienten, denen sonst nicht ausreichend zu helfen ist, davon profitieren könnten. In Deutschland sind solche Geräte bisher nicht auf dem Markt.
Doch wer weiß - vielleicht sieht das beim nächsten Tag der Epilepsie 2015 schon besser aus.