Luxierte Schulter
Fraktur statt erfolgreiche Reposition
Eine erste Schulterluxation bei Patienten über 40 sollte nicht notfallmäßig reponiert werden. Denn oftmals liegen Begleitverletzungen vor, haben britische Kollegen herausgefunden. Die Gefahr sind iatrogene Oberarmfrakturen.
Veröffentlicht:READING. Eine Schulterluxation ist nicht selten von einer Fraktur des Tuberculum majus begleitet, dem großen knöchernen Höcker am Oberarmkopf, wo die Rotatorenmanschette ansetzt.
Besonders bei älteren Patienten ist so eine kombinierte Verletzung relativ häufig; das haben frühere Studien gezeigt. Britische Forscher raten daher, Patienten jenseits der 40 nur unter Vollnarkose und vollständiger Muskelrelaxation zu reponieren.
In ihrer Studie war im Falle einer unbemerkten Begleitverletzung das Risiko, dem Patienten beim notfallmäßigen "Einrenken" den Oberarm zu brechen, deutlich erhöht.
An der retrospektiven Studie hatten 92 erstmals schulterluxierte Patienten im Alter von über 40 Jahren teilgenommen (J Orthop Trauma 2013; 27: 190-195).
Das mittlere Alter lag bei 64 Jahren. Wie die Forscher aus Reading berichten, lag die Rate der dislozierten Humerushalsfrakturen, die man nach Reposition röntgenologisch festgestellt hatte, bei 5,4 Prozent.
In allen diesen Fällen hatte man eine initial vorliegende Fraktur des Tuberculum majus im Röntgenbild übersehen. Damit hatte die Reposition bei jedem vierten Patienten mit einer solchen vorbestehenden Verletzung zu einer zusätzlichen Fraktur geführt.
Bestenfalls weitere Diagnostik
Bedauerlicherweise ließ sich nachträglich nicht mehr feststellen, welche Repositionsmanöver zum Einsatz gekommen waren und wie viele Versuche die Ärzte im Einzelfall durchgeführt hatten.
Alle fünf Patienten mussten anschließend operiert werden, meistens sogar mehrfach. Danach hatten alle Probleme: Bei einem war die Schulter steif, bei einem Patienten war der Plexus brachialis verletzt, bei zwei weiteren war die Fraktur unzureichend verheilt bzw. disloziert, zwei hatten eine avaskuläre Nekrose entwickelt.
Um solche "verheerenden Komplikationen" zu vermeiden, empfehlen Atoun und Kollegen nachdrücklich, Patienten über 40 ausschließlich in Allgemeinanästhesie und unter vollständiger Muskelrelaxation zu reponieren.
Den Einsatz der Computertomografie (CT) zum Ausschluss von Begleitfrakturen fordern einige Experten schon seit Jahren.
In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie werden bei "nicht eindeutiger Röntgendiagnose" weitere bildgebende Maßnahmen empfohlen, auch CT. Besonders bei älteren Patienten rät das Gremium zu einer Rotatorenmanschettendiagnostik mit Ultraschall oder MRT.