Typ-1-Diabetes
Freispruch für Kuhmilch
Kuhmilch im Säuglingsalter ein Risiko für Typ-1-Diabetes? Seit langem wird darüber kontrovers diskutiert. Jetzt konnte eine prospektive Studie die Kuhmilch von diesem Verdacht entlasten.
Veröffentlicht:SAN FRANCISCO. Darüber, ob frühkindlicher Kontakt mit Proteinen in kuhmilchhaltiger Säuglingsnahrung die Entwicklung des Typ 1 Diabetes begünstigt, wird seit langem kontrovers diskutiert.
Bei der Suche nach Erklärungen für die Entstehung eines Typ-1-Diabetes sind unter anderem Nahrungsfaktoren wie Kuhmilchprotein als potenzielle Auslöser der autoimmunen Zerstörung von insulinproduzierenden Betazellen unter Verdacht geraten.
An stichhaltigen Beweisen für den Zusammenhang zwischen einer frühen Exposition des Immunsystems mit Kuhmilchprotein und Inselzellautoimmunität und Typ-1-Diabetes mangelte es bisher.
Ob Kuhmilchprotein in der frühkindlichen Ernährung tatsächlich für die Entwicklung von Inselzellautoimmunität und Typ-1-Diabetes von Bedeutung sind, ist von einer internationalen Forschergruppe in der TRIGR -Studie (Trial to Reduce IDDM in the Genetically at Risk) näher untersucht worden.
In die Studie sind zwischen den Jahren 2002 und 2007 in 15 Ländern 2159 Neugeborene aufgenommen worden. Alle hatten aufgrund ihrer genetischen Veranlagung (HLA-Genotyp) und der Tatsache, dass Vater oder Mutter oder Geschwister bereits daran erkrankt waren, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes.
Nach dem Abstillen erhielten die Kinder der Interventionsgruppe bis zum sechsten bis achten Lebensmonat eine spezielle Nahrung (Casein-Hydrolysat), die kein intaktes Kuhmilchprotein mehr enthielt. Die Kinder der Kontrollgruppe wurden mit herkömmlicher Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis (angereichert mit 20 Prozent Casein-Hydolysat) ernährt.
Getestet wurde die Hypothese, dass die Ernährung mit hochgradig hydrolysierter und sot von Kuhmilchprotein befreiter Säuglingsformula die kumulative Inzidenz von mit Typ-1-Diabetes assoziierten Autoantikörpern reduziert. Primärer Endpunkt war der Nachweis von mindestens zwei entsprechenden Autoantikörpern im Follow-up-Zeitraum der Studie (im Mittel: 6,3 Jahre).
TRIGR-Studie soll noch drei Jahre weiterlaufen
Dr. Jeffrey Krischer aus Tampa, Florida, hat die Ergebnisse beim Kongress der American Diabetes Association (ADA) in San Francisco vorgestellt. Sie wurden kurz zuvor am 10 Juni 2014 im Fachblatt JAMA online publiziert (Print: JAMA. 2014; 311 (22): 2279-2287).
Im Studienzeitraum wurden in der Gruppe mit Kuhmilchprotein-freier Ernährung 13,4 Prozent aller Kinder positiv auf mindestens zwei Autoantikörper getestet.
In der Kontrollgruppe mit herkömmlicher Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis betrug der Anteil 11,4 Prozent. Somit sprechen diese Ergebnisse klar gegen die präventive Wirkung einer hydrolysierten Säuglingsnahrung auf die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes.
Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu dem der TRIGR-Pilotstudie (N Eng l JMed. 2010; 363 (20): 1900), an der 230 Neugeborene in Finnland beteiligt waren. Der kleineren Pilotstudie zufolge schien die Ernährung mit Casein-Hydrolysat Autoimmunreaktionen gegen insulinproduzierende Betazellen deutlich verringern zu können.
Die Gründe für die Diskrepanz sind noch unklar. Jedoch ist die statistische Teststärke der Hauptstudie wesentlich größer als die der kleinen Pilotstudie.
Die TRIGR-Studie soll noch rund drei Jahre lang weiterlaufen, bis dass der jüngste Teilnehmer das 10. Lebensjahr erreicht hat. Das Augenmerk gilt dabei der Entwicklung eines klinisch manifesten Typ-1-Diabetes.
In anderen Studien ist gezeigt worden, dass das Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen manifesten Typ-1-Diabetes zu entwickeln, bei Personen mit Positivität für zwei oder mehr Autoantikörper ungefähr 60 Prozent beträgt.