Gegen das Vergessen

Gehirnjogging hält das Arbeitsgedächtnis fit

Gezieltes Trainieren von Gedächtnisaufgaben wirkt sich positiv auf die Bearbeitung neuer Aufgaben aus, vor allem wenn diese den Trainingsaufgaben ähnlich sind. Das haben Psychologen in einer aktuellen Studie herausgefunden.

Veröffentlicht:
Die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsgedächtnisses ist zwar begrenzt. Durch gezieltes Gehirnjogging lässt es sich aber verbessern.

Die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsgedächtnisses ist zwar begrenzt. Durch gezieltes Gehirnjogging lässt es sich aber verbessern.

© Peshkova / Getty Images / iStock

BERLIN. Ein Lied, ein Gesicht oder einen Namen zu vergessen ist für viele Menschen ein alltägliches, manchmal ärgerliches oder sogar peinliches Erlebnis. Viele wünschen sich, ihr Gedächtnis "fit" halten zu können. In der Tat gibt es eine Reihe kommerzieller Anbieter sogenannter Gehirnjoggings. Das sind computergesteuerte Trainings, die zu Hause oder unterwegs absolviert werden können.

Ansatzpunkt dieser Trainings ist das Arbeitsgedächtnis, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Damit wird der Teil des menschlichen Gedächtnisses bezeichnet, in dem alle auf den Menschen eintreffenden Informationen kurzfristig gespeichert und mit dem Langzeitgedächtnis verknüpft werden. Es legt den Grundstein für viele weitere kognitive Fähigkeiten, etwa logisches Schlussfolgern, Entscheiden, aber auch für das Leseverständnis.

Aus vielen Untersuchungen weiß man heute, dass die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsgedächtnisses begrenzt ist. Gehirnjoggings versprechen durch die Wiederholung bestimmter Gedächtnisaufgaben nicht nur eine Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses, sondern auch der Aufmerksamkeit und des Lernvermögens. Was aber bringen Gehirnjoggings mit Arbeitsgedächtnistraining wirklich?

Test unter Alltagsbedingungen

"Bislang gibt es nur wenige Versuche, die Effektivität dieser Trainings unter Alltagbedingungen systematisch zu überprüfen", wird Tilo Strobach, Professor für Allgemeine Psychologie an der Medical School Hamburg, in der Mitteilung der DGPs zitiert. Gemeinsam mit Professor Lynn Huestegge von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat Strobach daher untersucht, inwieweit das Üben von Gehirnjogging-Aufgaben die Leistungen in Gedächtnistests verbessert (Journal of Cognitive Enhancement 2017; online 23. November). "Das Besondere an unserer Studie ist, dass wir das Gehirntraining in dem Kontext überprüft haben, in dem Menschen typischerweise kommerzielle Gehirntrainings auch verwenden – zu Hause am eigenen Computer."

Studie mit 152 Probanden

Für ihre Studie ließen die Forscher ihre Versuchspersonen Aufgaben eines kommerziellen Gehirnjogging-Programms bearbeiten. Die komplette Versuchsreihe wurde von 152 Probandinnen und Probanden beendet. Eine Trainingsgruppe (76 Personen) erhielt über 21 Sitzungen hinweg Trainingsaufgaben für das Arbeitsgedächtnis. Die Kontrollgruppe (76 Personen) bearbeitete im gleichen Zeitraum Aufgaben für das Wortwissen und das Langzeitgedächtnis – Aufgaben, von deren Bearbeitung das Arbeitsgedächtnis also nicht profitieren sollte.

Um die Wirksamkeit des Trainings überprüfen zu können, bearbeiteten beide Gruppen vor und nach diesen Maßnahmen die gleichen Leistungstests. Diese bestanden zum einen aus Transferaufgaben, die dem Arbeitsgedächtnistraining ähnlich waren, und zum anderen aus Aufgaben, die untrainierte Fähigkeiten testeten, etwa zur mentalen Flexibilität – der Fähigkeit, zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln.

Die Leistungsvergleiche ergaben, dass die Trainingsgruppe ihre Leistung in den Trainingsaufgaben im Gegensatz zur Kontrollgruppe verbesserte. Auch bei der Bearbeitung ähnlicher Transferaufgaben schnitt die Trainingsgruppe nachher besser ab. Diese Leistungsvorteile zeigten sich – allerdings nur vereinzelt – auch in anderen kognitiven Bereichen, etwa bei Aufgaben zur kognitiven Flexibilität.

Außerdem berichtete die Trainingsgruppe hinterher über weniger kognitive Missgeschicke (zum Beispiel Textstellen erneut lesen zu müssen, weil man beim ersten Durchlesen nicht über das Gelesene nachgedacht hat).

"Da die Personen der Trainings- und der Kontrollgruppe zufällig zugewiesen wurden und wir darüber hinaus sichergestellt haben, dass die Leistungen der Trainings- und Kontrollgruppe im Test vor den Maßnahmen vergleichbar waren, können wir schlussfolgern, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Gruppen tatsächlich auf das Training zurückzuführen sind", so Strobach. Auf individueller Ebene konnten vor allem die Personen vom Training profitieren, die vor dem Training bereits relativ hohe Leistungen zeigten. Strobach fasst zusammen: "Für die untersuchten Bereiche des Arbeitsgedächtnisses und die gewählten Aufgaben konnten wir mit unserer Studie systematisch zeigen, dass sich das Trainieren von kognitiven Aufgaben positiv auf die Leistung in ähnlichen, aber auch einigen unähnlichen Aufgaben auswirkt."(eb)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tag der Privatmedizin

GOÄneu: Reuther und Reinhardt demonstrieren Geschlossenheit

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!