US-Studie

Genschers Vornamen vergessen? Dann droht früh Demenz

Wer im Alter von 50 Jahren die Namen berühmter Persönlichkeiten nicht mehr kennt, muss schon bald mit massiven Sprachproblemen und einer früh beginnenden Demenz rechnen. Das haben US-Forscher herausgefunden.

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Post-its dienen vielen Menschen als Erinnerungshilfen. Wer aber Namen von berühmten Persönlichkeiten nicht mehr kennt, könnte früh an Demenz erkranken, wie US-Forscher behaupten.

Post-its dienen vielen Menschen als Erinnerungshilfen. Wer aber Namen von berühmten Persönlichkeiten nicht mehr kennt, könnte früh an Demenz erkranken, wie US-Forscher behaupten.

© David Mzareulyan / shutterstock

CHICAGO. Wie hieß noch dieser Außenminister mit den abstehenden Ohren, der mehreren Kanzlern diente? Sicher, Genscher würden Sie wohl auf jedem Bild wiedererkennen - aber fällt Ihnen auch spontan sein Vorname ein?

Falls nicht, und Sie über 45 Jahre alt sind, sollten Sie sich Sorgen machen: Möglicherweise ist Ihr vorderer Temporallappen linksseitig schon ganz schön degeneriert, und in wenigen Jahren werden Sie einer primär-progressiven Aphasie mit unweigerlich folgender frontotemporaler Demenz anheimfallen.

Doch selbst wenn Ihr Gedächtnis Hans-Dietrich noch problemlos ausspuckt - wer war denn die Schauspielerin, die sich neulich die Brüste präventiv entfernen ließ? Kennen Sie wenigstens einen ihre Filme? Oder zumindest das Hollywood-Schauspielerin, die durch "Pretty Woman" berühmt wurde?

Selbstverständlich fallen Ihnen alle diese Namen problemlos ein, aber Patienten mit primär-progressiver Aphasie haben da deutliche Probleme.

Dies nutzten US-Forscher jetzt für eine Studie, um einen einfachen Test auf die früh beginnende Demenz zu evaluieren und die Ergebnisse mit der Temporallappendegenration zu vergleichen, dies sich per MRT bestimmen lässt (Neurology 2013; 81: 658-664).

Für ihren "Northwestern-University-Famous-Faces-Test" (NUFFACE) legten sie den Studienteilnehmern insgesamt 20 Schwarzweißfotos berühmter Persönlichkeiten vor, und zwar solcher, die US-Amerikaner im Alter von 40 bis 65 Jahren eigentlich gut kennen sollten.

Darunter befanden sich Abbildungen von Präsidenten wie Kennedy, Clinton oder Bush Junior, Ikonen wie Einstein, Elvis, Lady Di, Humphrey Bogart oder Muhammad Ali, aber auch die Talkmasterin Oprah Winfrey, die einstige Außenministerin Condoleezza Rice, der polnische Papst, Bill Gates und Liza Minelli.

Die Teilnehmer sollten Vor- und Nachnamen der Personen nennen, und falls das nicht möglich war, zwei Eigenschaften erwähnen, die zeigten, dass sie die Personen zumindest wiedererkannten.

Wem bei Einstein nur "Einstein" einfiel, aber nicht "Albert", bekam in der Kategorie "Namensnennung" nur einen Punkt, konnte aber in der Kategorie "Wiedererkennung" zwei Punkte sammeln, wenn er "Wissenschaftler" und "E=mc2" sagte. In jeder der beiden Kategorien waren also maximal 40 Punkte möglich.

Gesicht erkannt, Namen vergessen

Die Forscher um Tama Gefen von der Northwestern University in Chicago machten den Test mit 30 Patienten, die aufgrund einer beginnenden primär-progressiven Aphasie Sprachprobleme hatten (Durchschnittsalter etwa 60 Jahre) sowie mit 27 gesunden Kontrollpersonen im vergleichbaren Alter.

Das Ergebnis: Den Kontrollpersonen gelang es im Schnitt, 93% der Namen komplett und richtig zu nennen, die Gesichter wurden zu 97% richtig erkannt.

Dagegen schnitten die Aphasie-Patienten bei der Namensnennung deutlich schlechter ab: Sie erreichten hier im Schnitt nur 46% der möglichen Punktzahl, bei der Wiedererkennung waren es immerhin knapp 80%. Sie erkannte die meisten der Gesichter also wieder, ihnen fiel nur der dazugehörige Name aber nicht ein.

Die MRT-Aufnahmen zeigten nun, dass die Testergebnisse bei der Namensnennung umso schlechter waren, je dünner der linke vordere Temporallappen in den Aufnahmen erschien. Hatten die Patienten auch Probleme, die Gesichter zu erkennen, dann zeigte zusätzlich der rechte Temporallappen eine deutliche Atrophie.

Dies belege, so Gefen und Mitarbeiter, dass sich der Test eigne, um recht früh eine beginnende primär-progressive Aphasie aufzuspüren. Außerdem lasse sich gut differenzieren, ob die Patienten tatsächlich Gesichter vergessen, was bei Prosopagnosie der Fall ist, oder sie nur nicht benennen können, was für eine Aphasie spricht.

Der Test unterscheidet also zwischen lexikalischen und semantischen Defiziten.

Für die deutsche Bevölkerung müssten die Fotos natürlich etwas abgewandelt werden, mit Hans-Dietrich statt Condoleezza, Schröder statt Bush und Günther Jauch statt Oprah Winfrey. (mut)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.01.201415:56 Uhr

US-Forscher, die Bilder von bekannten Persönlichkeiten mit Demenz-Tests verwechselten,

könnte man hier frei nach Oliver Sacks: "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" sagen.

Der "Northwestern-University-Famous-Faces-Test" (NUFFACE) konnte in der hier vorgestellten Studie vom 13. August 2013 mit 30 Patienten, die aufgrund einer beginnenden primär-progressiven Aphasie (PPA) Sprachprobleme hatten, sowie mit 27 gesunden, etwa gleichalten Kontrollpersonen nur belegen, dass die per MRT bestimmten Temporallappendegenrationen mit PPA positiv korrelieren. Nicht mehr und nicht weniger! Und das wusste man auch schon, b e v o r dieser Test als Tautologie herangezogen wurde.

Im krassen G e g e n s a t z zur Alzheimer-Demenz, deren differenzierte Diagnostik nach wie vor klinische Rätsel aufwirft und definitiv nur histologisch gestellt werden kann, liegt bei der spezifisch isolierten PPA eine im Schädel-MRT nachweis- und objektivierbare frontotemporale Atrophie ["atrophy of the anterior temporal lobe"] vor ["PPA, a syndrome characterized by progressive language deficits and associated with cortical atrophy in areas important for word and object representations."]. Selbst der Titel der Publikation erscheint naiv: "Article - Naming vs knowing faces in primary progressive aphasia - A tale of 2 hemispheres". Ein "Bericht von 2 Hemisphären" erinnert fatal an ein Märchen ("fary-tale") von einer ebenso simplen wie universell einsetzbaren primären Demenzdiagnostik mit beliebig austauschbaren Promi-Bildern.

Das hat in Groß-Britannien (GB) auch der "National Health Service (NHS) erkannt. Unter der Frage: "Könnte der Gebrauch des ''Berühmte Gesichter-Test'' die Demenz erhellen? ["Could ''famous faces test'' be used to spot dementia?"] wird genau das, was ich Eingangs kritisch kommentiert hatte, nochmals bestätigt: "Despite some early positive findings, this is a small study that only looked at test performance in people already diagnosed with one rare type of early dementia (PPA). The study has not examined whether this test could be used to accurately diagnose people in the initial diagnosis of PPA and certainly not the more common types of dementia seen in older age such as Alzheimer’s disease." Quelle: http://www.nhs.uk/news/2013/08August/Pages/Could-famous-faces-test-be-used-to-spot-dementia.aspx

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Irene Gronegger 27.01.201412:33 Uhr

Keine Panik!

Solche Schlussfolgerungen sind nur für Schilddrüsengesunde zulässig.

Lücken im Namensgedächtnis können auch auftreten, wenn die Schilddrüse schwächelt (meist wegen unerkannter Hashimoto-Thyreoiditis oder Unterdosierung der Hormone), das heißt: Wenn der fT4-Wert unter dem individuellen Optimum oder gar unter dem Referenzbereich liegt, leiden auch die kognitiven Fähigkeiten. Vorsicht - ein normaler TSH-Wert schließt dieses Problem nicht sicher aus.

Eine Studie zum Zusammenhang von kognitiven Fähigkeiten und Schilddrüsenwerten finden Sie unter dem Titel "Thyroid hormones are associated with cognitive function: moderation by sex, race, and depressive symptoms."( J Clin Endocrinol Metab. 2013 Aug;98(8):3470-81. doi: 10.1210/jc.2013-1813. Epub 2013 May 20.)

Irene Gronegger
Ratgeber-Autorin
www.schilddruesen-unterfunktion.de

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