Hirntrauma
Gerinnungshemmer früh wieder ansetzen!
Erleiden ältere Patienten unter Antikoagulanzien ein Hirntrauma, sollte die Therapie nach der Klinikentlassung möglichst bald wieder aufgenommen werden: Der Nutzen ist dann weiterhin deutlich größer als der mögliche Schaden.
Veröffentlicht:COLUMBIA. Nach einem Schädelhirntrauma bei älteren Menschen, die eigentlich eine dauerhafte Antikoagulation benötigen, fällt vielen Ärzten die Entscheidung schwer, ob sie überhaupt wieder mit der blutverdünnenden Therapie beginnen sollen.Schließlich können sich die Patienten bei einem weiteren Trauma eine tödliche Hirnblutung zuziehen.
Da ein Schädelhirntrauma (SHT) bei älteren Menschen häufig durch Stürze verursacht wird und damit auf eine gewisse Gebrechlichkeit oder kognitive Einschränkung deutet, muss von einem hohen Wiederholungsrisiko ausgegangen werden. Kein Wunder also, dass viele Ärzte das SHT als Anlass nehmen, die Antikoagulation zu überdenken.
Daten von 10.800 Patienten ausgewertet
Das können Forscher um Dr. Ilene Zuckerman nun auch aus den umfangreichen Daten des US-Versicherers Medicare ableiten: Danach setzen US-Ärzte die Antikoagulation bei etwa der Hälfte der alten Patienten nach einem SHT dauerhaft ab.
Viele dieser Patienten würden aber weiterhin von einer Thromboseprophylaxe profitieren, lautet ihre Erkenntnis aus der Datenanalyse (JAMA Intern Med. 2014; 174(8): 1244-1251).
Das Team um Zuckerman hatte sich Daten von 10.800 Patienten angeschaut, die im Mittel über 80 Jahre alt waren und ein SHT überlebt hatten. Alle waren zuvor mit dem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) Warfarin behandelt worden.
Die meisten bekamen das Medikament aufgrund von Vorhofflimmern(82Prozent), die übrigen wegen einer ischämischen Herzerkrankung, Herzklappenproblemen oder thromboembolischen Ereignissen in der Vergangenheit.
Anhand von eingelösten Rezepten konnten die US-Ärzte nun feststellen, ob und wann die Antikoagulation wieder aufgenommen wurde. Innerhalb eines Jahres war dies bei 55 Prozent zumindest zeitweise der Fall, nach einem Jahr erhielten 47 Prozent und nach zwei Jahren noch 44 Prozent der Überlebenden Warfarin. Nur bei einem Viertel aller Patienten begannen die Ärzte mit der Antikoagulation bereits im ersten Monat nach der Klinikentlassung.
Geringeres Risiko für Thromboembolie mit Warfarin
Als Nächstes schauten sich die Studienautoren die Ereignisraten in den Perioden mit und ohne Warfarin an. Zu einem thromboembolischen Ereignis (ischämischer Hirn- oder Herzinfarkt, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie) kam es hochgerechnet jährlich bei 11,3 Prozent der Patienten mit und bei 15,6 Prozent der Patienten ohne den VKA.
Allerdings waren die Patienten ohne VKA deutlich älter, hatten öfter eine Demenz und offenbar auch ein problematischeres SHT, da sie länger in der Klinik blieben. Wie zu erwarten, hatten die Ärzte bei diesen Patienten also viel stärkere Bedenken, mit der Antikoagulation wieder zu beginnen.
Doch offenbar zu Unrecht: Wurden all diese Faktoren berücksichtigt, ließ sich mit Warfarin immer noch ein 23 Prozent geringeres Risiko für eine Thromboembolie feststellen.
Auf der anderen Seite war das Risiko für schwere Blutungen im Verdauungstrakt oder Gehirn um 51 Prozent erhöht, allerdings traten solche Ereignisse etwas seltener auf als Gefäßverschlüsse. Unterm Strich kam es pro Jahr bei 23,3 Prozent der Patienten mit Warfarin zu einem thromboembolischen oder hämorrhagischen Ereignis und bei 24,2 Prozent der Patienten ohne den VKA.
Wurden nur die hämorrhagischen und ischämischen Schlaganfälle betrachtet, dann war wiederum unter Berücksichtigung von Alter, SHT-Schwere und Demenzrate die Gesamtschlaganfall-Häufigkeit mit dem VKA um 17 Prozent reduziert.
Aus diesem Grund, so Zuckerman und Mitarbeiter, sollten alte Patienten, die eine Antikoagulation benötigen, diese auch nach einem SHT möglichst schnell wieder erhalten - am besten sofort nach der Klinikentlassung. (mut)