Diabetes-Studie abgebrochen

Gesünder leben verfehlt das Ziel

Die bislang größte Langzeitstudie mit Lebensstil-Änderungen bei Diabetikern ist vorzeitig gestoppt worden. Der Grund: Das Ziel erschien unerreichbar. Ein Freibrief für die Couch ist das aber keineswegs.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Was vermag die Lebensstil-Änderung hier noch bringen?

Was vermag die Lebensstil-Änderung hier noch bringen?

© UPI Photo / imago

BETHESDA. Ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel tragen bekanntlich nicht unerheblich zur Entwicklung von Übergewicht, Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes bei.

Änderungen der bisherigen Lebensweise zählen deshalb zu den ersten und grundlegenden Maßnahmen, die jeder Arzt einem übergewichtigen Diabetiker ans Herz legen sollte.

So steht es jedenfalls als Forderung in allen Leitlinien. Dass die praktische Umsetzung dieser Forderung häufig eine mühselige und frustrierende Aufgabe ist, ist kein Geheimnis.

Aber zahlt sich die Mühe der Lebensstil-Intervention am Ende auch in Form einer Verhinderung von kardiovaskulären Erkrankungen aus? Diese Frage sollte die in den USA von den National Institutes of Health (NIH) gesponsorte Look-AHEAD-Studie beantworten,

Dafür wurden in den Jahren 2001 bis 2004 insgesamt 5145 adipöse Patienten mit Typ 2-Diabetes im Alter zwischen 45 und 74 Jahren rekrutiert. Sie wurden entweder in ein Programm zur "intensiven" Lebensstil-Änderung aufgenommen oder erhielten in der Kontrollgruppe nur die übliche Beratung.

Die Programmteilnehmer wurden zur Steigerung der körperlichen Aktivität angeleitet und dabei unterstützt und in Sachen kalorienreduzierte Ernährung ausführlich beraten.

Ziele waren eine Gewichtsreduktion um mehr als 7 Prozent relativ zum Ausgangswert und eine Steigerung der körperlichen Aktivität auf eine Dauer von mehr als 175 Minuten pro Woche.

Das Programm fruchtete. Im ersten Jahr verloren die körperlich aktiveren und weniger Kalorien futternden Teilnehmer im Schnitt 8 Prozent ihres Körpergewichts. Und auch nach vier Jahren waren es immer noch rund 5 Prozent weniger an Pfunden.

Auch andere Parameter des kardiovaskulären Risikoprofils zeigten sich verbessert: Die HbA1c-Werte sanken leicht, ebenso die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte sowie die Triglyzerid-Spiegel, gleichzeitig erhöhte sich das HDL-Cholesterin. Keinen Unterschied gab es beim LDL-Cholesterin.

Damit nicht genug. Weitere Datenanalysen ergaben als Effekte der Lebensstil-Änderung eine Verringerung der Schlafapnoe, eine Reduktion der Diabetes-Medikation und Verbesserungen der körperlichen Mobilität, der Fitness und auch der Lebensqualität.

Zwei Erklärungen für das schlechte Ergebnis

Zu einem aber hat es offensichtlich nicht gereicht, nämlich dazu, dass sich die zweifellos erzielte Verbesserung des Risikoprofils auch in eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall übersetzt hat.

Jedenfalls hat ein unabhängiges Experten-Panel jetzt alle Bemühungen, die Studie zum Nachweis eines prognostischen Nutzens fortzusetzen, für aussichtslos erklärt.

Die NIH als Studiensponsor beschlossen darauf hin den Stopp der Studie, in der die Beobachtungsdauer immerhin bis zu elf Jahre betrug.

Dürfen jede Verhaltensänderung hartnäckig verweigernde Diabetiker jetzt jubeln, dass solche Maßnahmen, wie ja jetzt gezeigt, sowieso nichts bringen? Das wäre wohl die dümmste aller Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen!

Zwei mögliche Erklärungen für die ausgebliebene Prognoseverbesserung bieten sich: Entweder war die Lifestyle-Intervention, obgleich als "intensiv" deklariert, bei diesen Patienten noch längst nicht intensiv genug, um prognostisch etwas positiv zu bewirken.

Beispielsweise lag der Body-Mass-Index (BMI) der Teilnehmer zu Beginn im Schnitt bei 36 kg/m2. Eine Gewichtsabnahme um 5 Prozent mag da ein gewisser Erfolg sein, dürfte aber bei den meisten am Zustand der Fettleibigkeit wenig geändert haben.

Möglich ist auch, dass Lebensstil-Änderungen, die viel früher und nicht erst nach mehrjähriger Diabetes-Dauer initiiert werden, weitaus mehr Erfolg gehabt hätten.

Oder die Studiendauer war viel zu kurz, um aufdecken zu können, dass sich die erreichte Verbesserung des Risikoprofils auch in der Ereignisrate widerspiegelt. Möglicherweise ist die Ereignisrate - wie schon häufiger in Studien der jüngsten Zeit - mal wieder deutlich unter dem geblieben, was bei der Studienplanung vorausberechnet worden ist.

Darauf deutet ein Satz in der NIH-Pressemitteilung zum Studienabbruch hin, in der "ein positiver Faktor" der Studie hervorgehoben wird - nämlich die Tatsache, dass die Ereignisraten in beiden Behandlungsgruppen niedriger als in vorangegangenen Studien bei Typ-2-Diabetikern waren.

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Arzneien für Gewichtsverlust

Medikamentöse Maßnahmen bei Adipositas im Check

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Infektionsrisiko

RKI meldet erneut Polioviren in Abwasserproben

EvidenzUpdate-Podcast

Hoffnung und Kollaps – wie Lecanemab uns herausfordert

Lesetipps
Ein sich auftürmender Geldstapel.

© Sascha Steinach/ZB/picture alliance

Finanzielle Lage der GKV

Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus

 Hausarzt Werner Kalbfleisch

© Südwest Presse / Verena Eisele

Ende eines jahrelangen Verfahrens vor den Prüfgremien

Hausarzt geht mit XXL-Regress in die Rente

Die Forschenden nahmen die langfristigen Auswirkungen der essenziellen Metalle Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink, sowie der nicht-essenziellen Metalle Arsen, Cadmium, Blei, Wolfram und Uran auf die kognitiven Funktionen in den Blick.

© Naeblys / Getty Images / iStock

Umweltbelastung

Metalle im Urin sind mit kognitivem Abbau assoziiert