Stammzelltherapie
HIV-Remission bei zweitem Patienten
Der „Berlin-Patient“ ist kein Unikum mehr: Die HIV-Remission ist jetzt wohl bei einem weiteren Patienten gelungen. Zur neuen Standardtherapie wird das Verfahren wohl nicht – es nährt aber die Hoffnung für ein anderes Prinzip.
Veröffentlicht:LONDON. Ein weiterer HIV-Patient ist nach einer Stammzelltransplantation seit Monaten ohne antiretrovirale Therapie in Remission. Der Fall, über den britische Forscher am Dienstag berichtet haben (Nature 2019; online 5. März), ist der zweite seiner Art.
Das Team um den Immunologen Professor Ravindra Gupta vom University College London bestätigt damit den Therapieansatz bei dem „Berliner Patienten“ Timothy Brown. Er gilt seit 2007 als geheilt, zumindest ist bei ihm HIV bis heute nicht mehr nachweisbar.
Brown wurden seinerzeit wegen einer akuten myeloischen Leukämie (AML) Stammzellen eines Spenders transplantiert, die eine homozygote CCR5-Mutation aufwiesen. Den intakten C-C-Motiv-Chemokin-Rezeptor 5 benötigt das HI-Virus als Korezeptor, um nach der Bindung an CD4 überhaupt in die Wirtszelle eindringen zu können. Ist CCR5 durch eine Mutation im kodierenden Gen fehlerhaft, können HIV-1 die T-Zellen nicht mehr befallen.
Auch im jetzigen Fall erhielt der HIV-positive Patient eine Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen (HSC), auf denen beide Allele eine Gendepletion für den CCR5-Rezeptor aufwiesen – bei HIV-Forschern CCR5?32/?32 genannt.
Seine Grunderkrankung war jedoch ein Hodgkin-Lymphom. 16 Monaten danach setzten die Ärzte um Gupta die antiretrovirale Therapie ab. Seither – 18 Monate – ist bei ihm keine HIV-1-RNA nachweisbar. Würde sich dies fortsetzen, könnte auch er womöglich bald als „geheilt“ gelten.
Aufschwung für die Gentherapie?
Ähnliche Therapieversuche waren nach dem Brown-Fall bisher jedenfalls nicht erfolgreich. Manche Patienten seien an Rückfällen ihrer Krebserkrankung oder früh an Komplikationen gestorben, berichtet Privatdozent Gero Hütter von der Berliner Charité. Hütter war der behandelnde Arzt von Timothy Brown.
Auch muss bekanntlich im Vorfeld der Transplantation der Empfänger konditioniert werden, sein Immunsystem wird mittels Bestrahlung schlicht in die Knie gezwungen. Gefürchtet ist neben den Folgen dieser toxischen Prozedur auch eine spätere Graft-versus-Host-Reaktion.
Der deutsche HIV-Therapeut Professor Jürgen Rockstroh von der Uniklinik Bonn sieht in der Stammzelltransplantation denn auch eher einen „interessanten zweiten Fall“ als eine mögliche Therapie für viele Betroffene: Sie sei „mit einem hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrisko verbunden und kann daher nie eine Standardtherapie zur Behandlung einer HIV-Infektion werden“, sagte er am Dienstag.
Allerdings gebe der aktuelle Bericht der „Grundidee zur Entwicklung einer Gentherapie“ neuen Aufwind. So könnten homozygote CCR5?32/?32-Genotypen im Labor erzeugt und therapeutisch genutzt werden.
Zuletzt hatte der chinesische Forscher Dr. He Jiankui die Welt in Aufregung versetzt mit seiner Mitteilung, erstmals mittels CRISPR/Cas9 eine CCR5-Deletion in die menschliche Keimbahn eingefügt zu haben. Die zwei Ende 2018 geborenen Mädchen seien nun HIV-resistent.
Einen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt es freilich nicht. Der Forscher wurde einstweilen beurlaubt. (nös)
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 05.03.2019 um 15:54 Uhr.