Stammzelltransplantation belegt den Nutzen neuer Strategien gegen den Aids-Erreger HIV
Berliner Ärzten gelingt es, bei einem HIV-Infizierten das Virus durch eine Stammzelltransplantation in Schach zu halten. Ein glücklicher Umstand, der zwar für die Routine-Therapie von HIV-Infizierten ungeeignet ist, aber hoffnungsvolle Perspektiven eröffnet.
Von Peter Leiner
Viele sprachen schon von einer Möglichkeit, HIV-Infizierte endlich von den Viren komplett befreien und damit heilen zu können, als Ende 2008 die Meldung über eine erfolgreiche Stammzelltransplantation bei einem HIV-Infizierten an der Charité bejubelt wurde (wir berichteten). Denn: Der Aids-Erreger ist bis heute - mehr als 20 Monate nach der Transplantation - nicht nachweisbar. Jetzt haben die Berliner Hämatologen den Fall detailliert im "New England Journal of Medicine" (360 / 7, 2009, 692) der Öffentlichkeit vorgestellt - und den Erfolg relativiert.
Zur Erinnerung: Die Hämatologen um Professor Eckhard Thiel, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, haben bei einem heute 42-jährigen HIV-infizierten US-Amerikaner wegen einer akuten myeloischen Leukämie eine Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen aus dem peripheren Blut vorgenommen. Nach Angaben der Wissenschaftler war der Aids-Erreger bei dem Mann bereits vor mehr als zehn Jahren erstmals nachgewiesen worden. Zum Zeitpunkt der antiretroviralen Behandlung war die Immunschwächekrankheit Aids noch nicht ausgebrochen. Die akute myeloische Leukämie sei nicht direkte Folge der HIV-Infektion, so die Ärzte.
Auf der Suche nach einem geeigneten Stammzellspender für die Leukämie-Therapie entschieden sich die Hämatologen, nicht nur auf passende Gewebemerkmale zu achten, sondern in dem Pool der Deutschen Knochenmarkspender-Datei (DKMS) auch nach einem ganz speziellen Spender zu fahnden: Er sollte ein ganz besonderes Zellmerkmal tragen - mutierte Rezeptoren vom Typ CCR5, die nicht an der Zelloberfläche erscheinen. Den intakten Rezeptortyp braucht der Aids-Erreger jedoch, um Zellen infizieren zu können. Haben Menschen nur mutierte CCR5-Rezeptoren, sind sie weitgehend gegen eine Infektion mit HIV gefeit. Und das ist weltweit bei etwa einem bis zu drei Prozent der weißen Bevölkerung der Fall. Diese Menschen tragen im CCR5-Gen auf beiden Chromosomen mit der Nummer 3 die schützende Mutation Delta32.
Die Berliner Wissenschaftler analysierten gezielt die CCR5-Genregionen bei 62 der insgesamt 80 potenziellen Spenderproben aus der DKMS-Datei. Fündig wurden sie nur in der Probe einer einzigen Person, die die CCR5-Mutation tatsächlich in den entsprechenden Genen beider Chromosomen mit der Nr. 3 trägt. Diesen Spender hätten sie bewusst in der Hoffnung ausgewählt, dass nach der Transplantation seiner Stammzellen auch die HIV-Infektion des Patienten verschwinden könnte, betont Dr. Gero Hütter, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Thiels Team.
Nach der Stammzelltransplantation wurde die medikamentöse Behandlung des Patienten zunächst eingestellt, da die Ärzte eine Abstoßungsreaktion des gespendeten Knochenmarks befürchteten. Der Patient wird regelmäßig untersucht, um bei einem erneuten Auftreten des Aids-Erregers sofort wieder mit der antiretroviralen Therapie fortzufahren. Normalerweise führt das Absetzen der Medikamente innerhalb weniger Wochen zu Aids.
Bis heute, mehr als 20 Monate nach der erfolgreichen Transplantation, sei kein HI-Virus bei dem Patienten nachweisbar, so die Berliner Ärzte. Sie untersuchten die Zellen des peripheren Blutes, des Knochenmarks und der Rektumschleimhaut - und zwar mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion - auf das Vorhandensein des HIV-Erbguts.
Für die Berliner Ärzte ist der Erfolg der Stammzelltransplantation bei dem HIV-Infizierten eine Bestätigung für die große Bedeutung des CCR5-Rezeptors für künftige Therapiestrategien. Mit Maraviroc ist bereits ein CCR5-Blocker auf dem Markt. Weil HIV im Verlauf der Infektion auf einen weiteren Rezeptor ausweicht, ist eine frühzeitige Therapie mit diesem Medikament erforderlich.
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