Hygiene

Händewaschen nach Desinfektion ist sehr schädlich

Durch regelmäßiges Händewaschen lassen sich in Kliniken und Praxen Infektionen vermeiden - doch man sollte es richtig machen. Das RKI benennt anlässlich des Tags der Händehygiene am 5. Mai typische Fehler und gibt Tipps, worauf zu achten ist.

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Händedesinfektion: Das irritative Potenzial der eingesetzten Alkohole ist gering und mit dem von Wasser vergleichbar.

Händedesinfektion: Das irritative Potenzial der eingesetzten Alkohole ist gering und mit dem von Wasser vergleichbar.

© Peter Atkins / fotolia.com

BERLIN. Händewaschen mit lauwarmen Wasser und flüssigen Waschpräparaten ohne antimikrobielle Zusätze ist als Standard für die Infektionsprävention nicht geeignet, betont das Robert Koch-Institut (RKI) zum Internationalen Tag der Händehygiene am 5. Mai in einem Übersichtsartikel (Epi Bull 2015; 18: 149).

Denn die enthaltenen seifenfreien Tenside führen zwar als Netzmittel zu verbessertem Schmutzabtrag, sie stören aber auch die Struktur des Stratum corneum: Lipide und andere Substanzen werden aus der Haut gelöst.

Die für die Hautbarriere nötigen Substanzen kann die Haut nur verzögert ersetzen. Auch wird hierbei Wasser in die oberen Schichten des Stratum corneum eingelagert.

Die Hyperhydratation wird oft als angenehm empfunden. Das Wasser verdampft aber durch die geschädigte Hautbarriere binnen 8-10 Minuten. Die Hyperhydratation verdünnt zudem aufgetragene Desinfektionsmittel und schränkt deren Wirkung ein.

Beim Waschen werden Lipide abgespült

Als Händedesinfektionsmittel sind Alkohole wie Ethanol, Propanol (1-Propanol) und Isopropanol (2-Propanol) meist die wirksame Grundlage. Auf der Haut stören sie die Struktur des Stratum corneum, insbesondere die dort vorhandenen Lipidschichten.

Dabei werden - ähnlich wie beim Waschen - Hautfette mobilisiert und herausgelöst. Im Unterschied zum Waschen werden die Lipide jedoch nicht abgespült, sondern bei der üblichen Einreibemethode wieder in die Haut gerieben.

Es kommt nicht zur Entfettung der Haut, was ein Grund für die bessere Verträglichkeit der Händedesinfektion im Vergleich mit der Händewaschung ist.

Das irritative Potenzial der eingesetzten Alkohole ist gering und mit dem von Wasser vergleichbar, so das RKI. Alkohole können auf vorgeschädigter Haut jedoch ein brennendes Gefühl erzeugen.

Vorsicht bei Feuchtklima unter Handschuhen

Flüssigkeitsdichte Handschuhe sind eine mechanische Barriere für Verschmutzungen und Infektionserreger. Unter dem Handschuh bildet sich aber ein Feuchtklima, das die Hautbarriere schädigt und Hautfette herauslöst.

Dies kann schon längerfristig die (Mit-)Ursache für ein Handekzem sein, zudem erhöht sich wiederum die Gefahr des Eindringens von Fremdstoffen (in die Haut), was Hautirritationen und Allergien begünstigt.

Die Belastungen lassen sich durch Unterziehhandschuhe aus Baumwolle reduzieren. Diese können auch mit geeigneten Verfahren kostengünstig wiederaufbereitet werden. Bei der Tragedauer von Einmalhandschuhen scheinen 15 Minuten ein guter Kompromiss zu sein.

Hautschutzprodukte sollten vor Arbeitsbeginn aufgetragen werden und auf die spezifischen Belastungen abgestimmt sein. Sie zählen zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) nach der PSA-Benutzer-Richtlinie 89/656/EWG. Auch bei Pflegeprodukten ist auf Verträglichkeit und Kompatibilität mit anderen Produkten der Händehygiene und Handschuhen zu achten.

Händewaschen, -desinfektion und Schutzhandschuhe werden in vielfältigen Kombinationen eingesetzt. Besonders belastende Abfolgen sind zu vermeiden, betont das RKI.

Desinfektion plus Waschen schädigt Hände ungemein

Immer noch häufig ist zum Beispiel die Händedesinfektion mit nachfolgender Waschung. Dies wäre einzig zur Dekontamination von Sporenbildnern zu rechtfertigen, so das RKI.

Aus Hautschutz-Sicht sei das Vorgehen aber kaum an Schädigung zu überbieten. Hautfette werden durch Alkohol angelöst und dann beim Waschen fortgespült.

Auch erst zu Waschen und dann zu Desinfizieren ist kaum günstiger, zumal die Wirkung des Alkohols auf der hyperhydratisierten Haut abgeschwächt ist.

Besonders problematisch ist auch, wenn bei Vorschäden auf die Desinfektion aufgrund des Brennens und der fälschlich abgeleiteten Annahme der Irritation verzichtet, und nur noch gewaschen wird.

Der Satz "Meine Hände sind schon so kaputt, ich kann nur noch waschen" ist dafür symptomatisch. Tatsächlich verschlechtert sich dadurch der Hautzustand nur noch mehr.

Weitere falsche Praktiken sind das Anziehen der Handschuhe mit noch feuchten Händen, unnötig langes Waschen und Bürsten der Hände und der Verzicht auf eine Tätigkeitskarenz in hygienesensiblen Bereichen bei Infektionen an der Hand. (eb)

Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.05.201520:10 Uhr

ich sehe das schon ein bischen anders

Eine Berufsgruppe wie die "Hygieniker", die permanent über den Umweg der Pressemedien ihren "Kunden" erklären müssen, was sie tuen sollten, ist nicht besonders glaubwürdig.
Das hat auch etwas von Rufschädigung.
Einem Chirurg muss man wirklich nicht erklären, wie man sich richtig die Hände waschen soll.
Der permanente Appell, sich die Hände NICHT zu waschen, sondern nur zu desinfizieren, ist mehr als problematisch wegen der Clostidien-Sporen, die wohl jede Schwester auf den Fingern hat, die einen Patient betten muss.
Daher haben wir einen rasanten Anstieg von Clostriedium dificile Intoxikationen mit Todesfällen.
Der Verweis auf Semmelweis zeigt ja gerade die Keimreduktion auch durch "simples" Hände Waschen.
(ca. 90%)
Selbstverständlich müssen sie anschließen sorgfältig getrocknet werden, was früher in der Chirurgie immer mit STERILEN Handtüchern erfolgte, bevor das Desinfektionsmittel benutzt wurde (Alkohol).
Weiterhin bekommen KEINESWEGS alle Chirurgen feuchte Hände unter den Gummiehandschuhen. Die Forderung, die nach 15 Minuten zu wechseln ist daher Blödsinn.
Manche haben auch nach mehr als 2 Stunden trockene Hände,
und wenn man die untersucht (Abstrich) sind sie nach der chir. Händedesinfektion auch noch keimfrei.
Solche Untersuchungen sind schon über 40 Jahre alt.

Gleichzeitig würde ich es gerade wegen der "gesunden" Hautflora NICHT begrüßen, wenn jetzt auch der aufgeklärte Laie, damit beginnt, zuhause seine Hände zu desinfizieren, auch wenn die Industrie das wünscht.
So etwas gab es schon mal zu Robert Kochs Zeiten, als jeder ("Gebildete") Angst vor Bakterien hatte.

Wann werden die resistenten Keime auf "Nutztieren" endlich ein Thema?

Dr. Thomas Georg Schätzler 05.05.201512:15 Uhr

So muss man es machen!

Da können wir uns von den Österreichern tatsächlich etwas abschauen: Eine hochkarätige Einladung für ein "Symposium zum Internationalen Tag der Händehygiene - Nosokomiale Infektionen bei speziellen PatientInnengruppen - Dienstag, 5. Mai 2015, 9.00 - 16.00 Uhr - Festsaal 1 des Bundesministeriums für Gesundheit, Radetzkystr. 2, 1030 Wien" heißt es wörtlich unter http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/5/0/2/CH0539/CMS1423048957112/haendehygiene_programm.pdf

Die Medizinische Universität Wien, das Österreichische Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die Kooperationspartner Elisabethinen-Krankenhaus/Linz bzw. die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und das Nationale Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz laden zu dieser öffentlichen Veranstaltung ein.

Eine späte Rehabilitation, aber dafür eine umso wirkungsvollere Ehrung für Dr. med. Ignaz Philipp Semmelweis (ungarisch: Semmelweis Ignác Fülöp), dem Entdecker der Ursachen des Kindbettfiebers und damit der wissenschaftliche Erstbeschreiber nosokomialer Infektionen. Geboren am 1. Juli 1818 in Ofen/Buda, Bezirk Tabán/Budapest. Gestorben unter mysteriösen Umständen am 13. August 1865 in der Nervenheilanstalt Oberdöbling bei Wien.

Er war ein ungarischer Arzt im damaligen Kaisertum Österreich, studierte an den Universitäten Pest/Ungarn und Wien Medizin und erhielt 1844 seinen Doktorgrad an der Universität Wien. Unter heftigen Anfeindungen hatte er die klinische Händedesinfektion mit Chlor(kalk)-Lösung durchgesetzt und die perinatale kindliche bzw. mütterliche Mortalität entscheidend senken können. Dies erlebte er allerdings unter größten Anfeindungen seitens der etablierten, hochnäsigen Medizin-Professoren und Chefärzte, die sich damals für ebenso hochwohlgeboren wie steril hielten, und musste es mit einem kurzen, entbehrungsreichen Leben bezahlen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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