Kardiologen alarmiert
Herzinfarkt trifft immer mehr jüngere Frauen
Von einem schweren Herzinfarkt sind heute deutlich mehr Frauen unter 55 Jahre betroffen als noch vor 15 Jahren. Warum das so ist, wurde beim Auftakt der DGK-Jahrestagung in Mannheim erörtert.
Veröffentlicht:MANNHEIM. Von einem schweren Herzinfarkt (ST-elevation myocardial infarction, STEMI) sind deutlich mehr jüngere Frauen betroffen als noch vor 15 Jahren.
Das belegt eine aktuelle Auswertung des Berliner Herzinfarktregisters, in dem seit 1999 prospektiv Daten zur stationären Therapie bei akutem Koronarsyndrom erhoben werden.
In die Analyse eingeschlossen waren alle 15.436 STEMI-Patienten aus bis zu 25 Kliniken. Waren um die Jahrtausendwende nur zehn Prozent der Frauen mit STEMI jünger als 55 Jahre, sind es heute bereits 17 Prozent.
Das teilt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zum Auftakt ihrer 81. Jahrestagung in Mannheim mit. Dort treffen nach DGK-Angaben bis zum 11. April 8500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammen.
Rauchen und Adipositas als Ursachen
Als wesentliche Ursache sieht Dr. Jens-Uwe Röhnisch, Leitender Oberarzt am Vivantes Klinikum Hellersdorf in Berlin, das Rauchen: "Das Rauchen hat vor allem bei jüngeren Altersgruppen zugenommen und liegt bei den Unter-55-Jährigen mit STEMI auf einem sehr hohen Niveau von 80 Prozent."
Rauchten 1999 noch 47 Prozent der STEMI-Patientinnen der Altersgruppe 55 bis 64, sind es heute 62 Prozent. Auch Adipositas habe besonders bei jüngeren Frauen zugenommen.
Die Behandlung bei ST-Hebungsinfarkt (STEMI) sei in den letzten 15 Jahre erfolgreicher geworden. Der immer häufigere Einsatz des Herzkatheters sowie der evidenzbasierten medikamentösen Therapie unabhängig von Alter und Geschlecht haben zu einer eindrucksvollen Reduktion der Krankenhaussterblichkeit geführt.
Jetzt sei es wichtig, "sich aktuell auf die Primärprävention insbesondere bei jüngeren Frauen zu konzentrieren", empfiehlt Röhnisch.
Weiterhin wurde auf dem Kardiologenkongress eine Studie (CDCare Stude) vorgestellt, wonach stationär behandelte Patienten mit Herz-Kreislauf-Krankheiten gehäuft depressive Störungen haben; zudem sind bei ihnen behandlungsbedürftige depressive Störungen deutlich unterversorgt.
Von den Teilnehmern mit aktueller mittelschwerer bis schwerer depressiver Episode waren aktuell nur 29 Prozent in Behandlung, berichtete Privatdozentin Nina Rieckmann von der Berlin School of Public Health an der Charité.
Von den insgesamt 1266 Teilnehmern hatten 23 Prozent ein positives Depressions-Screening (Patient Health Questionnaire, PHQ). Bei 22,1 Prozent der Frauen und 15,5 Prozent der Männer war innerhalb der vorangegangenen zwölf Wochen eine Depression aufgetreten, in der Allgemeinbevölkerung sind es 10,6 Prozent bei Frauen und 4,8 Prozent bei Männern.
Bezogen auf die vorangegangenen vier Wochen ("4-Wochen-Prävalenz") hatten 17,6 Prozent der Frauen und 10,7 Prozent der Männer eine Depression.
Insgesamt waren nach eigenen Angaben 5,1 Prozent aller Teilnehmer aktuell wegen einer Depression in Behandlung, 2,6 Prozent hatten in den 12 Monaten davor eine Behandlung gegen eine Depression abgeschlossen.
Depression verschlechtert Prognose
Internationale Studien haben gezeigt, dass Depression eine häufige Komorbidität bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung ist, die mit einer schlechteren medizinischen Prognose einhergeht, die Therapietreue der Patienten einschränkt und die Krankheitskosten erhöht.
"Einige kardiologische Fachgesellschaften diskutieren die Einführung eines systematischen Depressions-Screenings bei Herzpatienten", wird Rieckmann in der DGK-Mitteilung zitiert.
Verlässliche Daten zur Prävalenz depressiver Störungen und zur Versorgungslage depressiver Herz-Kreislauf-Patienten in realen klinischen Settings seien eine Voraussetzung zur Abschätzung des Behandlungsbedarfs.
Die CDCare Studie wurde mit KHK-Patienten ohne kognitive Beeinträchtigungen durchgeführt, die an zwei universitären kardiologischen Kliniken zwischen Juni 2012 und August 2014 rekrutiert wurden. Folgeerhebungen wurden bzw. werden nach einem, sechs, und zwölf Monaten mittels Fragebögen durchgeführt.
Zur Baseline-Erhebung wurden ein Depressions-Screening (Patient Health Questionnaire, PHQ) sowie ein klinisches Interview zur Erfassung depressiver Störungen (Composite International Diagnostic Interview) durchgeführt, soziodemographische Angaben und Behandlungsraten wurden mittels Fragebogen erfasst. (eb)
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