Bei Demenz
Höherer Blutdruck macht nicht geistig fitter
Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es bei leichter Demenz helfen könne, die Bluthochdruckmittel zu reduzieren, um das Gehirn auf Trab zu halten. Eine neue Studie macht damit Schluss.
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Oft machen ältere Patienten Antihypertensiva für ihre Vergesslichkeit verantwortlich.
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BERLIN. Manche Krankheitskonzepte lassen sich nicht ausrotten, auch wenn sie falsch sind. Wenn alte Menschen mit arterieller Hypertonie beginnen, "tüdelig" zu werden, kommen sie oft auf den Gedanken, dass die blutdrucksenkenden Medikamente mit dafür verantwortlich sein könnten.
Schließlich, so die implizite Argumentation, werde dem Gehirn mit der Blutdrucksenkung ja vielleicht etwas weggenommen, was es für eine vernünftige geistige Leistungsfähigkeit benötige.
Dass dieses Konzept eines "kognitiven Bedarfshochdrucks" falsch ist, gilt unter Hypertonieexperten als unstrittig. Zwar war die Demenz in großen Hypertoniestudien noch nie ein primärer Endpunkt. "Wenn irgendetwas, dann waren Demenzen in den Behandlungsgruppen aber seltener als in den Kontrollgruppen", betonte Professor Johannes Mann vom Krankenhaus München-Schwabing.
Keine Unterschiede in der Leistungsfähigkeit
Seit Kurzem gibt es jetzt eine klinische Studie, die zusätzliches argumentatives Futter liefert, wenn Patienten mit Verweis auf ihre Vergesslichkeit an der antihypertensiven Therapie zweifeln. Mann berichtete darüber bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie in Berlin.
Im Rahmen dieser DANTE*-Studie wurden in 128 allgemeinmedizinischen Praxen in den Niederlanden 385 mindestens 75-jährige Patienten mit antihypertensiver Therapie und mildem kognitivem Defizit (MMSE 21 bis 27 Punkte) aufgenommen. Die Patienten durften neben ihrer Hypertonie keine anderen schweren kardiovaskulären Erkrankungen oder entsprechende Ereignisse in ihrer Anamnese haben.
Bei der Hälfte der so ausgewählten Patienten wurden die antihypertensiven Medikamente dann zu Studienzwecken randomisiert abgesetzt. Primärer Endpunkt war die mittels eines Gesamt-Scores erhobene kognitive Leistungsfähigkeit nach 16 Wochen. Sekundär wurden einzelne kognitive Domänen, ein Depressions-Score und natürlich der Blutdruck evaluiert.
"Am Ende gab es weder bei der subjektiv empfundenen kognitiven Leistungsfähigkeit noch bei den Demenzparametern Unterschiede", so Mann. Auch in den einzelnen kognitiven Domänen "Exekutivfunktionen", "Gedächtnis" und "psychomotorische Geschwindigkeit" schnitten beide Gruppen gleich ab, genauso wie bei Depressivität, funktionellem Status und Lebensqualität.
Definitiv widerlegt
Der einzige Unterschied zwischen den Gruppen war wenig überraschend der Blutdruck, der in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe um 7/2 mmHg anstieg.
Zwar sage diese Studie nichts über die langfristige Demenzentwicklung aus, so Mann. Darum gehe es Patienten, die ihre Medikamente absetzen oder reduzieren, aber auch gar nicht. Sie glauben vielmehr, dass sich ihre Vergesslichkeit kurzfristig bessert. Und das ist jetzt definitiv widerlegt.
* DANTE steht für Discontinuation of Antihypertensive Treatment in Elderly People (JAMA Intern Med 2015; online 24. August)