Befragung
Internet-abhängige Jugendliche schlafen schlechter
Wenn Ärzte mit Jugendlichen über gesunden Lebensstil sprechen, gehört die Internetnutzung dazu. Bei Abhängigkeit von digitalen Medien ist nämlich oft der Schlaf gestört.
Veröffentlicht:
Gebannt vom Internet, alles andere ist unwichtig. Welche Folgen Internetabhängigkeit hat, wird zunehmend deutlich. (Symbolbild mit Fotomodellen)
© Klaus Eppele / stock.adobe.com
Berlin. Jugendliche, die als „Digital Natives“ selbstverständlich mit neuen Technologien umgehen, sind viel im Internet unterwegs. Verlieren sie darüber die Kontrolle, kann das ihr seelisches und körperliches Wohlbefinden beeinträchtigen. Eine griechische Studie gibt Hinweise, dass Internetabhängigkeit und schlechte Schlafqualität womöglich zusammenhängen. 61 Prozent Internet-abhängiger Jugendlicher schlafen demnach schlecht. Jugendliche ohne Internetabhängigkeit (Internet Addiction Disorder, IAD) betrifft das mit 20 Prozent deutlich seltener.
Diese Daten präsentierte Maria Stefanidou beim Europäischen Kongress der World Organization of Familiy Doctors WONCA. Die Medizinerin in allgemeinärztlicher Weiterbildung hatte 94 freiwillig teilnehmende Jugendliche in der Region Siatista in West-Mazedonien befragt. Sie waren zwischen 13 und 18, im Mittel rund 15 Jahre alt. 43 waren Mädchen, 51 Jungen. Bis auf einen Teilnehmer hatten alle einen Internetzugang zu Hause.
Das Ausmaß einer IAD und die Schlafqualität wurden anhand von 30 Fragen, basierend auf der validierten, griechischen Version des Internet Addiction Tests (IAT) von Dr. Kimberly Young und dem Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) ermittelt.
Fast den ganzen Tag müde
Jugendliche mit IAD erreichten bei der Auswertung des Schlaf-Scores mit durchschnittlich 22,9 signifikant höhere und somit schlechtere Werte als nicht Internet-abhängige Jugendliche (18,6). Auch die Unterschiede bei der Tagesmüdigkeit waren signifikant: Jugendliche mit IAD gaben an, oft den ganzen Tag müde zu sein, die anderen nur manchmal.
Rund 51 Prozent der Teilnehmer waren leicht, vier Prozent mäßig und zwei Prozent schwer Internet-abhängig. Bei den übrigen wurde der Internetgebrauch als normal eingestuft.
70 Prozent besuchten soziale Medien, 62 Prozent sahen YouTube, Videos und Filme, 37 Prozent nutzten Messenger-Dienste und Kommunikations-Apps, 19 Prozent spielten Online-Spiele. Die Gamer waren acht mal so häufig Jungen (16 vs. zwei Mädchen). Fast zehn Prozent nutzten das Internet für die Hausaufgaben, drei Prozent für Nachrichten, und drei Prozent für Sonstiges.
Internet als Betthupferl
Insgesamt gaben 46 Prozent der Teilnehmer an, manchmal mehr Zeit online zu verbringen als geplant, 38 Prozent passierte dies oft. 37 Prozent gaben an, immer vor dem Schlafen noch im Internet zu sein, 21 Prozent taten dies oft.
Je stärker die Internetabhängigkeit, desto häufiger vernachlässigten die Jugendlichen ihr soziales Leben und verheimlichten ihre online-Zeiten gegenüber anderen – ein typisches Suchtverhalten. Weitere Merkmale einer Abhängigkeit sind vermehrter Gebrauch mit zunehmender Toleranz, Kontrollverlust und Entzugssymptome wie Reizbarkeit.
Diagnose noch immer nicht im DSM-5
Stefanidou würde die Studie gern im Verlauf unter den Gegebenheiten der COVID-19-Pandemie wiederholen. Sie glaubt, dass sich mit Online-Unterricht und fehlenden Möglichkeiten, seine Freunde persönlich zu treffen, auch die Internutzung Jugendlicher ändere: „Ich glaube, die Pandemie verändert das Leben aller Menschen, besonders das von Jugendlichen, die in diesem Lebensabschnitt eigentlich jeden Tag zur Schule gehen sollten“, so die Ärztin. „Ich denke, dass sie auf jeden Fall Brüche in ihrem täglichen Leben und ihren Aktivitäten haben.“
Die Medizinerin verwies auf die Diskrepanz, dass angesichts von über 4400 Publikationen, die derzeit zum Schlagwort „internet addiction“ in der Medizin-Datenbank PubMed gelistet sind, die IAD immer noch nicht formal als Erkrankung in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DSM-5 eingegangen ist. Das, obwohl sie bereits 1995 vom New Yorker Psychiater Dr. Ivan Goldberg, damals noch fiktiv, beschrieben wurde. Das DSM-5 führt lediglich ein „Internet Gaming Disorder“ im Forschungsanhang als mögliche neue Diagnose auf.