Nach Ebola
Jetzt drohen Westafrika andere tödliche Erkrankungen
Durch den Ausbruch der Ebola-Epidemie konnten in Westafrika Impfkampagnen etwa gegen Masern oder Polio nicht fortgeführt werden. Experten warnen jetzt: Zehntausende könnten an den Folgen der mangelnden Prävention sterben.
Veröffentlicht:FRANKFURT / MONROVIA. Trotz der aufkommenden Zuversicht, die bislang gewaltigste Ebola-Epidemie in Westafrika unter Kontrolle gebracht zu haben, zeichnet sich deutlich ab, dass für die betroffenen Länder weiterhin große Risiken bestehen.
"Zwar ist die Epidemie nicht mehr flächendeckend", sagte Professor Stephan Becker von der Universität Marburg am Mittwochabend bei der jüngsten Sitzung der Frankfurter Medizinischen Gesellschaft.
"Doch die Tatsache, dass heute einzelne Hotspots, die epidemiologisch nicht zu verknüpfen sind, betroffen sind, macht die Bekämpfung noch schwerer", so der Virologe auf der Veranstaltung mit dem Titel "Ebola: Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen".
Darüber hinaus sei die Gefahr der Ausbreitung anderer Viruserkrankungen akuter denn je zuvor, merkte Professor René Gottschalk, Leiter des Gesundheitsamts Frankfurt, an. "Ein Gesundheitswesen ist praktisch nicht vorhanden."
So konnten nach dem Ausbruch der Seuche Impfkampagnen, wie etwa gegen Masern, nicht fortgeführt werden.
Bis zu 16.000 Masern-Tote möglich
Forscher um Justin Lesser von der John Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore erstellten nun eine Hochrechnung, wie viele Kinder in den drei betroffenen Ländern seit Beginn der Epidemie nicht geimpft wurden und wie viele sich im Falle eines Masern-Ausbruchs anstecken könnten (Science 2015; 347:1240-1242).
Unter der Annahme, dass die Impfrate nach dem Ausbruch um 75 Prozent zurückging, sei die Zahl der ungeimpften Kinder zwischen neun Monaten und fünf Jahren mit jedem Monat um durchschnittlich 19.514 gestiegen, so die Berechnungen.
Komme es zu einem Masern-Ausbruch, könnten bis zu 227.000 Menschen erkranken, zwischen 2000 und 16.000 könnten sterben.
Einen Rückgang der Impfraten vermuten sie auch für andere Krankheiten wie Polio, Pertussis oder Tetanus.
Der Zusammenbruch der Gesundheitssysteme habe darüber hinaus die Versorgung von Menschen mit HIV oder Tuberkulose behindert, auch Maßnahmen gegen Malaria seien eingestellt worden, zählen die Forscher auf.
"Diese Rückschläge haben das Potenzial, die beträchtlichen Erfolge zu untergraben, die in den vergangenen Jahrzehnten bei der Kontrolle dieser Erkrankungen erreicht wurden", so Lesser.
Hinzu kamen psychologische Spätfolgen, wie Depressionen oder Posttraumatische Belastungsstörungen. Auch die Stigamtisierung von Ebola-Überlebenden sei ein Problem, so Becker.
Neben den gesundheitlichen Risiken und Folgeschäden in den betroffenen Ländern wiegt vor allem der wirtschaftliche Schaden hoch. Die Vereinten Nationen schätzen, dass es zehn Jahre dauern könnte, bis die Länder die Folgen überwunden hätten.
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