Sport-Musik-Mix
Jymmin hebt die Schmerzschwelle
Beim Jymmin werden Sportler zu Komponisten, die Sportgeräte zu ihren Instrumenten. Wer so trainiert, hat eine verstärkte Ausschüttung von Endorphinen.
Veröffentlicht:LEIPZIG. Forscher des Max-PlanckInstituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig haben entdeckt, dass eine von ihnen entwickelte Fitnessmethode auch das Schmerzempfinden beeinflusst: Jymmin, ein Mix aus Sport (Gym) und freiem musikalischen Improvisieren (Jammin), macht uns unempfindlicher gegenüber Schmerzen.
Beim Jymmin werden Fitnessgeräte so modifiziert, dass die unterschiedlich starken Bewegungen an Bauchmuskeltrainer, Zugstange oder Stepper eine große Variation an Töne hervorbringen.
Eine am MPI CBS entwickelte Kompositionssoftware und ein dazugehöriges Sensorsystem verarbeiten diese so, dass daraus zeitgleich eine für jeden Sportler und jede Einheit individuelle Begleitmusik entsteht, teilt das Institut mit. Die Sportler würden damit zu Komponisten, die Geräte zu ihren Instrumenten.
"Wir haben herausgefunden, dass Jymmin die Schmerzschwelle nach oben verschiebt. Bereits nach zehn Minuten Training auf unseren Jymmin-Geräten konnten die Studienteilnehmer in einem Schmerztest durchschnittlich zehn Prozent, einige gar bis zu 50 Prozent, mehr Schmerz ertragen", wird Thomas Fritz zitiert, Leiter der Forschungsgruppe Musikevozierte Hirnplastizität am MPI CBS.
Erhöhte Ausschüttung von Endorphinen
Aus früheren Studien wussten die Neurowissenschaftler zwar bereits, dass sportliche Aktivität generell die Schmerzschwelle steigen lässt. "Beim Jymmin war dieser Effekt jedoch deutlich stärker als nach herkömmlichem Kraftsport", erklärt Fritz in der Mitteilung des MPI CBS.
Entsprechend konnten die Teilnehmer ihren Unterarm im Durchschnitt fünf Sekunden länger in einem Grad kalten Eiswasser halten als nach einer Trainingseinheit auf herkömmlichen Sportgeräten.
Jymmin
» Jymmin ist eine neue Fitnessmethode, die Sport und Musikmachen miteinander kombiniert.
Den Grund dafür sehen die Wissenschaftler vor allem in einer erhöhten Ausschüttung von Endorphinen während des Jymmins. Diese Hormone wirken ja als eine Art körpereigener Schmerzhemmer.
Je höher ihr Spiegel, desto toleranter sind wir gegenüber Schmerzen. Die Kombination aus körperlicher Verausgabung und Musikmachen scheint dabei besonders effektiv unser Endorphinsystem anzuregen.
Individuelles Schmerzempfinden
Wie stark sich das Schmerzempfinden durch diese Methode manipulieren lässt, scheint vor allem vom individuellen Schmerzempfinden abhängig zu sein.
Die Forscher hatten die 22 Studienteilnehmer mithilfe von Beschreibungen wie "Als ich einen Nagel in die Wand schlagen will, haue ich mir mit dem Hammer auf den Finger" und anderer schmerzvoller Szenen innerhalb eines standardisierten Fragebogens in Schmerzklassen eingeteilt, wie das MPI CBS weiter berichtet.
Und es habe sich gezeigt: Die größte Wirkung dieser Trainingsmethode erfuhren die Teilnehmer, die bereits ein weniger ausgeprägtes Schmerzempfinden haben. Die Forscher vermuten, dass bei diesen Teilnehmern generell Endorphine effektiver ausgeschüttet werden als bei schmerzsensibleren.
"Aus diesen Effekten ergeben sich für das Jymmin zahlreiche Einsatzmöglichkeiten", so Fritz in der Mitteilung des Leipziger Instituts. Zum einen für die Menschen, die an akuten oder chronischen Schmerzen leiden.
Gerade in Rehakliniken könnten die Geräte wertvolle Dienste leisten, indem sie die Schmerzen der Patienten verringern und ein effektiveres Therapie-Training ermöglichten. "Sie erreichen im Training schlichtweg später ihre Schmerzschwelle."
Eine aktuelle Studie bei chronisch Schmerzkranken am MPI CBS deute zudem bereits an, dass Jymmin auch Angstzustände verringern und so einer wesentlichen Ursache chronischer Schmerzen entgegenwirken kann.
Effekt auch bei Hochleistungssport
Zum anderen wären da die Hochleistungssportler, die besonders hohe körperliche Leistungen erbringen wollen und dabei wortwörtliche an ihre Schmerzgrenzen gehen. Und darüber hinaus.
Erste Untersuchungen mit Leistungsschwimmern an einem olympischen Trainingszentrum in Südkorea hätten ergeben, dass die Sportler, die sich unmittelbar vor dem Wettbewerb mit Jymmin-Geräten aufwärmten, schneller schwammen als jene mit herkömmlichen Aufwärmmethoden, heißt es in der Mitteilung des MPI CBS.
Tatsächlich seien in einem Pilottest fünf der sechs Athleten einige zehntel Sekunden schneller geschwommen als in vorherigen Durchläufen. (eb)