Schlaganfall

Katheter nicht besser als Lyse

Den Thrombus zerfetzen, auflösen, herausziehen - solche eher brachialen Katheter-Methoden werden bei verstopften Hirngefäßen immer beliebter. Ob sie mehr nützen als die intravenöse Lyse ist aber umstritten. Drei aktuelle Studien sprechen eher dagegen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schlaganfall: Per Durchflusszeit lässt sich durchblutetes Gewebe von abgestorbenem (blau) unterscheiden.

Schlaganfall: Per Durchflusszeit lässt sich durchblutetes Gewebe von abgestorbenem (blau) unterscheiden.

© Allgemeinkrankenhaus Altona

MAILAND. Die Lyse mit gewebespezifischem Plasminogenaktivator (t-PA) bei Schlaganfallpatienten hat ihre Grenzen: Selbst wenn die Patienten innerhalb des Zeitfensters von 4,5 Stunden behandelt werden, überlebt nur etwa die Hälfte das Ereignis ohne bleibende Behinderungen.

Das Ergebnis ist dabei umso schlechter, je größer der Thrombus ist, den es zu lösen gilt. Die Lyse funktioniert noch recht gut bis zu einer Thrombusgröße von etwa 4 mm, bei Thrombenlängen über 6 mm lässt sich das verstopfte Gefäß kaum noch befreien.

Als Alternative wird in vielen neurointensivmedizinischen Zentren ein Katheterangriff auf den Thrombus erwogen. Dabei stehen mehrere Optionen zur Verfügung: Der Katheter kann lokal t-PA verabreichen, den Thrombus in dem Mittel also förmlich baden, er kann das Material zertrümmern und absaugen oder mit einem Stent-Retriever herausziehen.

Es liegt nahe, dass solche Verfahren das Gefäß besser rekanalisieren als die I.v.-Lyse. Allerdings dauert es damit in der Regel länger, bis das Gefäß frei ist, auch kann der Eingriff selbst zu Komplikationen führen.

Daher wird noch immer diskutiert, ob die neuen Methoden der I.v.-Lyse tatsächlich überlegen sind.

Sterberate mit Katheter sogar höher

Diese Lücke haben nun Neurologen mit drei randomisierten multizentrischen Studien zu schließen versucht. Sie wurden fast zeitgleich publiziert und kamen praktisch alle zum selben Ergebnis: Nach mechanischer Rekanalisierung per Katheter geht es den Patienten nicht besser als nach alleiniger I.v.-Lyse.

Allerdings sind in den Studien überwiegend ältere Verfahren verwendet worden und nicht die heute üblichen Stent-Retriever. Auch wurde nicht ein bestimmtes Verfahren geprüft, es oblag hier den Ärzten, mit welcher Kathetermethode sie die Gefäße von Thromben befreiten.

Die Studienautoren wollten offenbar in einem praxisnahen Ansatz die endovaskuläre Therapie mit der I.v.-Lyse vergleichen, es wurde daher bei den Ergebnissen auch nicht weiter nach den einzelnen Embolektomie-Verfahren differenziert.

In der Studie SYNTHESIS* Expansion war nur Voraussetzung, dass sich die 362 beteiligten Patienten im Zeitfenster für die Lysetherapie von 4,5 Stunden befanden und eine Hirnblutung ausgeschlossen war (NEJM 2013, online 6. Februar).

Solche Patienten erhielten dann entweder eine I.v.-Lyse oder eine Katheter-basierte Gefäßöffnung. Drei Monate später zeigten sich zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede beim primären Endpunkt, dem Wert auf der modified Rankin Scale (mRS).

Tendenziell fuhren die Patienten mit der systemischen Lyse sogar etwas besser: Ein gutes Therapieergebnis ohne beeinträchtigende Behinderungen erzielten in der Gruppe mit I.v.-Lyse 63 von 181 Patienten (35 Prozent), in der Gruppe mit Kathetertherapie nur 55 von ebenfalls 181 Patienten (30 Prozent).

In dieser Gruppe seien auch mehr Patienten gestorben (26 versus 18), berichtet ein Team um Dr. Alfonso Ciccone aus Mailand.

Ähnlich war auch das Design in IMS III** mit 656 Patienten. Diese erhielten im Unterschied zu SYNTHESIS aber alle eine I.v.-Lyse und ein Teil von ihnen zusätzlich die endovaskuläre Therapie (NEJM 2013; online 7. Februar).

Doch das Ergebnis nach 90 Tagen war auch hier ähnlich: Mit alleiniger I.v.-Lyse erreichten 38,7 Prozent einen mRS-Wert von 2 oder weniger, mit zusätzlicher Katheterbehandlung waren es 40,8 Prozent.

Der Therapieerfolg hing auch nicht von der Schwere der Symptome zu Beginn ab, signifikante Unterschiede fehlten zudem bei der Sterberate nach drei Monaten, sodass die Studie vorzeitig wegen Unwirksamkeit der endovaskulären Therapie abgebrochen wurde.

Penumbra macht keinen Unterschied

Ein anderer Ansatz wurde in MR RESCUE*** mit 118 Patienten verfolgt. Hier schauten die Studienautoren aus Washington zunächst per MRT, ob die Patienten eine gute Penumbra um das Infarktgewebe aufwiesen (NEJM 2013, online 8. Februar).

So wird spekuliert, dass eine mechanische Embolektomie besonders bei einer gut ausgeprägten Penumbra sinnvoll ist, da dieses Gewebe dann mit einer schnellen Reperfusion vielleicht noch zu retten ist.

In der Studie wurden Patienten binnen acht Stunden nach Symptombeginn unabhängig von der Penumbra mit Katheter oder Standardtherapie behandelt. Der Therapiebeginn lag im Schnitt bei 5,5 Stunden, sodass kaum mehr als ein Drittel eine t-PA-Lyse erhielt.

Doch auch in dieser Studie gab es keine signifikanten Unterschiede: Ob mit oder ohne Embolektomie, mit oder ohne Penumbra: Der mRS-Wert und die Sterberate nach 90 Tagen waren nicht signifikant verschieden.

Über die Studienergebnisse wird inzwischen heftig gestritten. Die Studienautoren geben teilweise selbst zu, dass eine bessere Auswahl der Patienten für die endovaskuläre Therapie, etwa nur solcher mit großen und leicht zugänglichen Thromben, das Ergebnis in der Kathetergruppe möglicherweise verbessert hätte.

Auch seien in Studien mit modernen Stent-Retrievern viel bessere Ergebnisse erzielt worden als mit anderen Katheterverfahren. Solche Retriever waren aber zum Zeitpunkt der Studien noch wenig verbreitet und wurden daher relativ selten verwendet.

Ein Problem war offenbar auch die Wartezeit bis zur Therapie, sie dauerte in SYNTHESIS eine Stunde länger als in der Lysegruppe (3,75 versus 2,75 Stunden), weil vor dem Eingriff eine Angiografie nötig war.

Aus diesem Grund wird häufig die Zeit bis zum Kathetereingriff mit einer sofortigen I.v.-Lyse überbrückt. Auf dieses Bridging war in der Studie aber verzichtet worden.

Aus ähnlichen Gründen plädierten Experten vor kurzem auf der Arbeitstagung Neurologische Intensivmedizin (ANIM) in Mannheim für randomisiert-kontrollierte Studien, in denen eine systemische Lyse plus moderne Stent-Retriever-Therapie mit alleiniger I.v.-Lyse verglichen wird.

*SYNTHESIS: Local versus Systemic Thrombolysis for Acute Ischemic Stroke

**IMS III: Interventional Management of Stroke

***MR RESCUE: Mechanical Retrieval and Recanalization of Stroke Clots Using Embolectomy

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