Fipronil

Kein Ende in Sicht im Skandal um belastete Eier

Der Skandal um Millionen giftbelastete Eier weitet sich aus. Mittlerweile ist klar: Fast alle Bundesländer sind betroffen. Der Discounter Aldi hat die Eier-Regale fürs Erste geleert. Andere Ketten wollen aber nicht nachziehen.

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NEU-ISENBURG. In fast allen Bundesländern sind inzwischen mit Fipronil belastete Eier oder daraus erzeugte Produkte gefunden worden. Lediglich aus dem Saarland und aus Sachsen wurde bis zum Freitagnachmittag noch kein gesicherter Nachweis gemeldet. Nach Angaben des niedersächsischen Agrarministers Christian Meyer (Grüne) wurden weit mehr belastete Eier in Deutschland verkauft als bislang bekannt: nicht drei, sondern zehn Millionen, wie Meyer sagte.

 Derzeit werde geprüft, ob auch von Hühnerfleisch eine Gesundheitsgefahr ausgehe. Zudem würden eihaltige Produkte untersucht. Experten sehen momentan allerdings keine großen Gesundheitsrisiken beim Verzehr belasteter Eier. „Es ist naheliegend, dass es bei Eiern nicht bleiben wird“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Münsterland-Emscher-Lippe, Peter Fürst. Rückstände von Fipronil seien möglicherweise auch in Produkten wie Mayonnaise oder Eierlikör zu finden, in denen Eier weiterverarbeitet wurden.

Als Auslöser des Skandals gilt das Desinfektionsmittel Dega-16, mit dem Blutläuse bei Geflügel bekämpft werden sollen. Darin wurde Fipronil beigemischt, was in der Geflügelzucht nicht verwendet werden darf. Ein belgischer Händler steht im Verdacht, dies getan zu haben.

Fipronil ist im Tierversuch akut toxisch, wenn es oral oder über die Haut aufgenommen oder inhaliert wird, heißt es auf der Seite des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Im Tierversuch wirke Fipronil neurotoxisch, wobei diese Effekte bei adulten Tieren reversibel sind. Darüber hinaus werden toxische Lebereffekte in Ratten und Mäusen beobachtet.

Das BfR geht bislang davon aus, dass der gesundheitliche Richtwert, die sogenannte akute Referenzdosis (ARfD), von Fipronil bei Erwachsenen nicht überschritten werde. Die ARfD ist die Substanzmenge pro kg Körpergewicht, die über die Nahrung innerhalb eines Tages ohne erkennbares Gesundheits-Risiko aufgenommen werden kann.

Bei dem bislang höchsten in Belgien gemessenen Fipronil-Gehalt dürfte rein mathematisch ein 65 kg schwerer Erwachsener ungefähr sieben Eier (Gewichtsklasse L) am Tag essen, ohne dass die ARfD überschritten wird. Für Kinder ergibt sich auf Basis von europäischen Verzehrdaten eine Überschreitung der ARfD um das 1,6-fache – wenn die Eier den höchsten gemessenen Fipronil-Wert enthalten. Dies bedeute nicht zwangsläufig eine konkrete Gesundheitsgefährdung, so das BfR. Es zeige nach dem derzeitigen Stand des Wissens, dass ein gesundheitliches Risiko für Kinder möglich sei.

Die Verbraucher reagieren auf den Fipronil-Skandal: Bei Eiern sei mittlerweile „eine deutliche Kaufzurückhaltung“ der Kunden zu beobachten, hieß es vom Lebensmittelhändler Rewe. Zwei Discounter haben besonders drastisch reagiert: Aldi Nord und Aldi Süd nahmen deutschlandweit sämtliche Eier aus dem Verkauf. In die Regale sollen nur noch Eier kommen, die die giftige Substanz nachweislich nicht enthalten, wie die Unternehmensgruppen am Freitag mitteilten. Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, „Klarheit und Transparenz“ für die Kunden sollen geschaffen werden. Möglicherweise komme es zeitweise zu Engpässen.

 Der Deutsche Bauernverband kritisierte den Verkaufsstopp als überzogene Reaktion. Angesichts bisheriger Risikobewertungen und Untersuchungen sei er nicht angemessen, teilte der Verband mit. Die Supermarktketten Edeka, Rewe und Lidl sahen keine so weitgehenden Maßnahmen vor. Die Situation werde aber weiter beobachtet, hieß es von Rewe. Ähnlich äußerte sich Edeka. Lidl verzichtet auf einen generellen Verkaufsstopp, will künftig aber ebenfalls nur noch auf Fipronil getestete Eier ankaufen.

 In Deutschland wurden bisher vier Betriebe gesperrt, die das Reinigungsmittel von einem holländischen Unternehmen bezogen hatten. Dieser habe damit geworben, besonders effektiv Schädlinge bei Legehennen bekämpfen zu können, erklärte Agrarminister Meyer. Einer der Betriebe produziert demnach keine Eier, Rückstände wurden dort im Gefieder von Junghennen gefunden. Ein fünfter Verdachtsfall entpuppte sich als Briefkastenfirma. „Wir verfolgen weiter, wer dort das Mittel abgeholt oder benutzt hat.“ (dpa/grz)

Die Stempelaufdrücke der betroffenen Eier sind abrufbar unter www.lebensmittelwarnung.de

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