Zwillingsstudie
Keine erhöhte Krebsgefahr für Diabetiker
Diabetiker im mittleren Lebensalter haben insgesamt kein erhöhtes Krebsrisiko. Rachen-, Dünndarm- und Lebertumoren treten bei ihnen im Alter aber deutlich häufiger auf. Dafür kommen Prostatakarzinome seltener vor.
Veröffentlicht:TIANJIN. Immer wieder finden Populations- und Beobachtungsstudien eine erhöhte Krebsrate unter Diabetikern. Relativ konsistent wird dabei eine erhöhte Leberkrebsrate beobachtet.
Bei anderen Tumoren sind die Daten recht widersprüchlich. Eine Metaanalyse von 45 Studien ergab für Diabetiker eine um 14 Prozent reduzierte Rate von Prostatatumoren.
Andererseits scheinen Diabetiker nach Resultaten einiger Untersuchungen vermehrt an Tumoren der Brust, des Endometriums, der Niere und der Blase sowie des Mund-Rachen-Raums zu erkranken, jedoch konnte dies nur ein Teil der Studien bestätigen.
Möglicherweise liegt das an unterschiedlichen Populationen, am divergierenden Alter der Teilnehmer oder verschiedene Nachbeobachtungszeiten.
Ein Teil solcher Probleme lässt sich mit Zwillingsstudien vermeiden. Zwillinge haben einen sehr ähnlichen genetischen Hintergrund und sind in ihrer Kindheit meist den gleichen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Daher ist das schwedische Zwillingsregister immer wieder eine gern genutzte Adresse für epidemiologische Betrachtungen.
18 Prozent weniger Tumoren bei Männern mit Diabetes
Forscher um Cuiping Bao von der Universität in Tianjin haben sich die Registerdaten nun zunutze gemacht, um das Krebsrisiko von Diabetikern besser zu verstehen. Genau genommen wollten sie schauen, welche Tumoren bei Personen mit einer Diabetesdiagnose im mittleren Lebensalter (vor dem 65. Lebensjahr) gehäuft im Alter (nach dem 65. Lebensjahr) auftreten (Int J Cancer 2018; online 8. März.).
Zu diesem Zweck analysierten sie Angaben der "Screening Across the Lifespan Twin Study (SALT)". Für das Projekt waren zwischen 1998 und 2002 alle noch lebenden Zwillinge des Registers, die vor 1959 zur Welt gekommen waren, telefonisch interviewt worden.
Von knapp 45.000 Zwillingen aus dieser Kohorte stellten sich 25.100 für ein umfangreiches Gespräch zu Verfügung. Diabetesdiagnosen wurden anhand von Patientenregistern verifiziert. 22 Prozent der Teilnehmer waren eineiige Zwillinge.
Die Forscher um Bao schauten nun anhand von Registerdaten, wie viele der Teilnehmer bis zum Jahr 2014 im Alter an einem Tumor erkrankt waren.
Von den Teilnehmern hatten zum Zeitpunkt der Befragung 7 Prozent einen Diabetes im mittleren Lebensalter entwickelt. Bei rund 21 Prozent aller Befragten wurde anschließend ein Tumor im späteren Alter festgestellt. Diabetiker waren etwas häufiger männlich und dicker, zudem rauchten und tranken sie mehr als Nichtdiabetiker.
Männer mit Diabetes erkrankten signifikant seltener als Nichtdiabetiker
Wurden solche Angaben berücksichtigt, zeigte sich unter den Diabetikern im mittleren Alter keine erhöhte Krebsrate im Alter – die Rate war sogar um nichtsignifikante 7 Prozent reduziert.
Männer mit Diabetes erkrankten signifikant seltener an Tumoren als Nichtdiabetiker (minus 18 Prozent). Dies ließ sich vor allem auf die reduzierte Rate von Prostatakarzinomen zurückführen, sie war um 52 Prozent geringer.
Einzelne Tumoren traten bei Diabetikern insgesamt jedoch signifikant häufiger auf. Dazu zählten Pharyngealtumoren, Dünndarmtumoren sowie Lebertumoren – diese wurden jeweils 10,6-fach, 5,8-fach und 2,4-fach häufiger diagnostiziert.
Männer mit Diabetes litten rund 15-fach häufiger an Pharyngealtumoren als Nichtdiabetiker, Lebertumoren traten rund vierfach häufiger auf. Unter Frauen mit Diabetes ergab sich für keine der 27 analysierten Tumorentitäten eine signifikant erhöhte Rate, was auch an den geringen Fallzahlen liegen könnte.
Insgesamt deutete sich jedoch ein Dosiseffekt an: Je früher der Diabetes auftrat, umso höher die Krebsrate im Alter.
Bis zu 90 Prozent weniger Prostatatumoren
Eine Analyse der einzelnen Zwillingspaare war aufgrund der geringen Fallzahlen nur für Prostatakarzinome möglich. Hier bestätigte sich der Zusammenhang: Zwillinge mit Diabetes erkrankten sogar zu 90 Prozent seltener an einem Prostatatumor als ihre nichtdiabetischen Geschwister, was in diesem Fall gegen einen nennenswerten genetischen Zusammenhang spricht.
Als mögliche Erklärung sehen Bao und Mitarbeiter den niedrigen Testosteronspiegel bei Diabetikern, zudem könnten Diabetesmedikamente das Wachstum von Tumorzellen in der Prostata hemmen.
Was lässt sich nun aus der Untersuchung folgern? Glaubt man den Daten, müssen sich Diabetiker insgesamt keine Sorgen über ein erhöhtes Krebsrisiko machen, Männer profitieren sogar von einer reduzierten Prostatakrebsgefahr.
Ein recht schwaches Warnsignal ergibt sich allenfalls für die Diabetesdauer und das Krebsrisiko. Dieses müsste jedoch in größeren Studien überprüft werden. Bei Männern fällt das hohe Pharyngeal- und Leberkrebsrisiko auf, allerdings sind die Fallzahlen hier sehr gering.