Tipps gegen die Abwärtsspirale
Kinder: Je älter, desto träger
Je älter Kinder werden, desto weniger bewegen sie sich – doch die urbane Umgebung kann diesen Effekt stark beeinflussen.
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Von Städteplanern zu wenig berücksichtigt?: Spielplätze regen zum Herumtoben an.
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Bremen. Mit jedem gewonnenen Lebensjahr bewegen sich Kinder täglich zwei Minuten weniger. Was nach einem kleinen Effekt klingt, addiert sich im gesamten Zeitraum des Aufwachsens zu 20 Minuten verlorener Aktivität pro Tag – knapp einem Drittel der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Verhindern können das bestimmte stadtplanerische Maßnahmen – zumindest zum Teil.
Zu diesem Schluss kommen Forscher des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS (Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity 2019; online 11. Dezember). Sie stützen sich dabei auf eine Langzeituntersuchung der IDEFICS / I. Family-Kohorte. Vergleichbare Studien beruhten sonst meist nur auf Querschnittsdaten und könnten darum keinen zeitlichen Verlauf darstellen, betont das BIPS in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie.
WHO-Empfehlungen bei Vierjährigen noch erreicht
Die Daten zeigten, dass sich Kinder mit etwa vier Jahren im Schnitt knapp 60 Minuten am Tag moderat bis intensiv bewegen. Bis sie 14 Jahre alt sind, sinke dieser Wert auf durchschnittlich etwa 40 Minuten. Pro Lebensjahr entspreche das zwei Minuten täglicher Aktivität, die verloren geht, resümiert das BIPS.
Demnach erreichten Kinder mit vier Jahren im Durchschnitt noch die Empfehlung der WHO, mit 14 Jahren fehle ihnen schon knapp ein Drittel davon. Ein ähnlicher Effekt zeige sich bei der leichten Bewegung: Diese falle im selben Zeitraum von etwas mehr als 350 Minuten täglich auf knapp 150 Minuten.
„Das Besondere an unseren Daten ist, dass wir bei circa 2500 Kindern aus Studienzentren in Deutschland, Italien und Schweden eine Entwicklung über die Zeit von 3 bis 15 Jahren aufzeigen konnten“, wird Dr. Christoph Buck zitiert. Buck ist Wissenschaftler am BIPS und Erstautor der Studie. „So konnten wir aufzeigen, dass bei Kindern die Bewegung mit steigendem Lebensalter abnimmt – und welche Faktoren im urbanen Raum diesen Effekt abschwächen.“
Daten zu Wohndichte, Straßennetzwerk und Freiflächen analysiert
Dazu haben die Wissenschaftler die Messungen von Bewegungssensoren mit Daten zur Wohndichte, der Landnutzung, dem Straßennetzwerk, der Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel und gestalteter Freiflächen wie Spielplätzen oder Parks verknüpft, wie es in der Mitteilung des BIPS heißt. Ergebnis: Die Verfügbarkeit öffentlicher Freiflächen war für die Förderung von moderater und intensiver Bewegung in der Kindheit relevanter, während im Jugendalter die Wohnungs- und die Vernetzungsdichte an Bedeutung gewannen.
„Die Erkenntnis, dass Spielplätze Kindern dazu anregen, sich mehr zu bewegen, kommt natürlich nicht überraschend“, so Buck in der Mitteilung des BIPS. „Der Effekt ist allerdings sehr deutlich und das Ergebnis sollte Politikern und Städteplanern noch einmal aufzeigen, wie wichtig diese Orte für ein gesundes Aufwachsen sind und dass es wichtig ist, sie instand zu halten und für Kinder attraktiv zu gestalten. Ab einem Alter von acht bis zehn Jahren wird dann eine sichere Infrastruktur von Fuß- und Fahrradwegen immer wichtiger. Diese fördert nicht nur die Aktivität im Alltag, sondern kann eine von Eltern unabhängige Mobilität unterstützen, um früh einen aktiven und gesunden Lebensstil zu etablieren.“ (eb)