Kommt das Richtige auf den Teller, lässt der Schmerz nach

Ernährungstherapie wurde in der Rheumatologie lange Zeit als Außenseitermethode belächelt. Das hat sich geändert. Mittlerweile ist die Wirkung von Nährstoffen auf Entzündungen bewiesen. Der Nutzen einer Ernährungsumstellung ist in Studien belegt. Diese Erkenntnisse setzen sich zunehmend in Klinik und Praxis durch.

Von Kerstin Nees Veröffentlicht:

Es wird immer klarer, dass die Ernährungstherapie zur Basistherapie von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gehört", wie Professor Olaf Adam von der Universität München feststellt. Das hat auch die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie erkannt und vor drei Jahren einen Arbeitskreis für Ernährungsmedizin gegründet, dem der Münchner Ernährungsmediziner angehört.

Es gibt für die mehr als 400 verschiedenen rheumatischen Erkrankungen keine einheitliche Diät, aber fast für jede die Notwendigkeit einer Ernährungsberatung. Die falsche Ernährung kann Auslöser sein, wie bei der Gicht, aber richtige Ernährung kann Entzündungsaktivitäten reduzieren und Schmerzen lindern, wie zum Beispiel bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. Ernährungstherapie kann langfristig den Verlauf rheumatischer Erkrankungen bessern. "NSAR wirken schneller und stärker, aber Ernährungstherapie wirkt auf gleiche Weise, jedoch dauerhafter und ohne Nebenwirkungen", sagt Professor Olaf Adam.

Auch für Professor Jürgen Wollenhaupt, den Chefarzt der Rheumatologie im Hamburger Klinikum Eilbek, gehören ernährungsmedizinische Maßnahmen in die interdisziplinäre Behandlung von rheumatologischen Patienten integriert. "Wir müssen die entzündlichen Rheumaerkrankungen zwar spezifisch medikamentös angehen, weil es sich um immunologische Störungen handelt, und Ernährung kann diese Therapie auch nicht ersetzen. Aber die Ernährung kann die Behandlung ergänzen, indem sie dem Körper weniger Grundbausteine für Entzündungsbotenstoffe liefert."

Ohne Ernährungsumstellung geht es meist nicht

Mehr Fisch, möglichst wenig Fleisch und Wurst, fettarme Milchprodukte, hochwertige Pflanzenöle sowie viel Obst und Gemüse - die Empfehlungen zur entzündungshemmenden Ernährung, die der Arbeitskreis für Ernährungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie herausgegeben hat, unterscheiden sich kaum von denen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und das aus gutem Grund. "Heute weiß man, dass die Arteriosklerose eine Entzündung der Gefäßwand ist, deren Pathogenese der der Synovialitis bei rheumatoider Arthritis entspricht. Folglich sind ernährungstherapeutische Maßnahmen für beide Krankheitsbilder sehr ähnlich", erklärt der Sprecher des Arbeitskreises, Dr. Thomas Karger. Zudem haben Rheumatiker eine etwa doppelt so hohe Inzidenz der Arteriosklerose wie die Durchschnittsbevölkerung. "Rheumatiker sterben nicht am Rheuma, sondern am Herzinfarkt", so der Kölner Rheumatologe. Die Verbindung zwischen Entzündungskrankheit und kardiovaskulären Ereignissen sei für drei Patientengruppen gesichert: Patienten mit klassischem Gelenkrheumatismus, mit Psoriasis-Arthritis bzw. Psoriasis sowie Patienten mit Lupus erythematodes. Karger: "Sie profitieren daher sicherlich auch von einer entsprechenden Kost Zum einen wird die entzündliche Konstellation im Serum gesenkt, zum anderen die endotheliale Dysfunktion verbessert."

Auf die richtigen Fettsäuren kommt es an

Entscheidend sind die in der Nahrung enthaltenen gegensätzlich wirkenden Fettsäuren: Arachidonsäure und Eicosapentaensäure (EPA). Sie sind die Vorläufersubstanzen von Prostaglandinen und Leukotrienen, die den Entzündungsprozess steuern. Die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure ist Ausgangssubstanz von proinflammatorischen Botenstoffen. Sie wird endogen aus Linolsäure gebildet und zudem mit tierischen Lebensmitteln aufgenommen. Omega-3-Fettsäuren wie alpha-Linolensäure (Raps-, Walnuss- und Leinöl) und vor allem Eicosapentaensäure im Fischöl hemmen die körpereigene Bildung von Arachidonsäure. Außerdem sind sie selbst Ausgangssubstanz für entzündungshemmende Botenstoffe.

Für die Ernährung bedeutet das, Fleisch, Wurst und tierische Fette weitgehend zu meiden und gleichzeitig vermehrt fettreiche Seefische sowie hochwertige Pflanzenöle zu verzehren. Um ein günstiges Fettsäurenprofil in den Entzündungszellen zu erreichen, wird Patienten mit rheumatoider Arthritis eine Zufuhr von etwa 350 Milligramm Arachidonsäure und 6300 Milligramm EPA pro Woche empfohlen. Tatsächlich verzehrt der Durchschnittsdeutsche 300 bis 400 Milligramm Arachidonsäure täglich. Um die wünschenswerte Zufuhr zu erreichen, muss der Fleischkonsum auf zwei Mahlzeiten pro Woche begrenzt werden. Gleichzeitig müssen ungefähr drei Heringe oder vier Portionen Thunfisch in der Woche auf den Tisch, um auf die empfohlene Menge an Eicosapentaensäure zu kommen. Atlantikhering enthält zum Beispiel pro 100 g verzehrbarem Anteil etwa 2050 mg EPA, Thunfisch 1400 mg. Süßwasserfische wie die Forelle oder fettärmere Seefische wie Rotbarsch enthalten hingegen deutlich weniger EPA, nämlich nur 150 bzw. 250 mg EPA pro 100 g verzehrbarem Anteil.

Supplemente mit Fischöl nur bei Bedarf

Patienten, die keinen und nicht genug Fisch essen, sollten EPA-reiche Fischöl-Präparate einnehmen. Verschiedene Studien belegen: Durch Einnahme von EPA- bzw. Fischölsupplementen konnten entzündliche Gelenkbeschwerden effektiv gelindert und die Dosis von NSAR gesenkt werden. Dabei war die Gabe von EPA umso wirksamer, je weniger Arachidonsäure aufgenommen wurde. Die Wirkung setzte nach etwa drei Monaten ein und verstärkte sich im Verlauf von zwölf Monaten.

Ob eine Ernährungsumstellung ausreicht oder ergänzend Fischölpräparate notwendig sind, muss im Einzelfall entschieden werden. "Ich verordne nicht routinemäßig Supplemente, sondern messe zunächst das Verhältnis von Arachidonsäure zu EPA im Serum", erklärt Dr. Thomas Karger. Wünschenswert wäre ein Verhältnis von 3 : 1. Üblich ist zu Beginn der Behandlung ein Wert von 10 : 1 oder 15 : 1. "Wenn nach einem halben Jahr der Quotient auf 5 : 1 gegangen ist, dann substituiere ich nicht. Wenn das nicht gelingt, dann sollte man über eine Supplementierung nachdenken." Die Fettsäurenanalytik wird von den Privatkassen übernommen, gesetzlich Versicherten bietet der Kölner Rheumatologe die Untersuchung als IGeL-Leistung an.

Auch Antioxidanzien wie Vitamin E, C, Betacarotin und Selen können protektive Effekte bei der rheumatoiden Arthritis haben. Bei der Lebensmittelauswahl sollte daher auf eine ausreichende Zufuhr dieser Nährstoffe geachtet werden. Im Einzelfall kann laut Professor Olaf Adam auch hier eine Substitution von täglich 100 bis 200 Milligramm Vitamin E und 100 Mikrogramm Selen sinnvoll sein.

Auf die Zufuhr von Calcium und Vitamin D achten

Wichtig ist auch, auf eine ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D zu achten. Denn Patienten mit rheumatoider Arthritis haben bedingt durch den chronischen Entzündungsprozess, die Kortisontherapie und den eingeschränkten Bewegungsspielraum ein stark erhöhtes Osteoporoserisiko. Für die Umsetzung der Empfehlungen in der Praxis ist eine enge Kooperation zwischen Arzt und Ernährungsberaterin wichtig, wie Karger betont. Im Hamburger Klinikum Eilbek werden Rheumapatienten ganz praktisch an eine rheumagerechte Kost herangeführt. "Wir bieten in unserem Speiseplan für die Mittagsmahlzeit auch ein ‚Rheumatiker geeignetes Menü‘ an, das den Prinzipien der gesunden Ernährung bei rheumatischen Erkrankungen nahe kommt", so Professor Wollenhaupt. Darüber hinaus kommt jede Woche eine speziell geschulte Ökotrophologin in die Klinik, um die ‚Ernährung bei Rheuma‘ in einem Patientenseminar zu erläutern.

Die großen Fortschritte in der Therapie von Rheumaerkrankungen durch Einführung neuer Medikamente ändert übrigens nichts an der Notwendigkeit komplementärer Therapiemaßnahmen wie Ernährungs- und auch Bewegungstherapie. Wollenhaupt: "Es gibt tatsächlich einige Patienten, die mit den neuen Therapien praktisch krankheitsfrei sind. Das sind vor allem neu erkrankte Patienten, die sehr früh eine gezielte Behandlung erhalten und bei denen das alles sehr gut läuft. Die Realität ist jedoch eine andere. Wir haben viele Patienten, die ihre Krankheit schon eine längere Zeit haben und chronisch krank sind. Für sie gilt, Ernährung ist ein Teil der Therapie."

Empfohlen wird:

  • überwiegend vegetarische Kost, reichlich Obst, Gemüse und Salat
  • mindestens zweimal pro Woche fettreichen Meeresfisch (Makrele, Lachs, Thunfisch, Hering)
  • Fischölkapseln alternativ oder ergänzend zum Fischverzehr
  • Pflanzenöle mit Omega-3-Fettsäuren (Raps-, Soja-, Walnuss- und Leinöl)
  • fettarme Milch und Milchprodukte
  • Fleisch und Wurst nicht häufiger als zweimal wöchentlich
  • tierische Fette wie Butter meiden
  • nicht mehr als zwei Eigelb pro Woche
  • wenig Alkohol
  • Aufenthalt im Freien (Vitamin D)
  • bei Übergewicht Körpergewicht normalisieren

Quelle: Diät und Rat bei Rheuma und Osteoporose, O. Adam, Walter Hädecke Verlag, Weil der Stadt 2002

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