Darmspiegelung
Krebs in der Familie? Dann lohnt das Screening!
Wird bei familiär erhöhtem Darmkrebsrisiko regelmäßig koloskopiert, ist das Erkrankungsrisiko wohl sogar geringer als in der Allgemeinbevölkerung ohne Screening.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Wenn es in der Familie Darmkrebsfälle gibt, ist bekanntlich das Risiko erhöht, selbst daran zu erkranken. Wie stark sich die familiäre Belastung jedoch auf das Krebsrisiko auswirkt, lässt sich nur schwer abschätzen.
Denn ist jemand im engeren Familienkreis erkrankt, haben Angehörige vermutlich ein gesteigertes Interesse an einer regelmäßigen Darmkrebsvorsorge. Dies wiederum könnte die Darmkrebsrate senken.
Genau das vermuten Epidemiologen um Korbinian Weigl vom DKFZ in Heidelberg aufgrund einer populationsbezogenen Fall-Kontroll-Studie (Int J Cancer 2016, online 26. Juli). Danach ist das Darmkrebsrisiko um etwa 70 Prozent erhöht, wenn ein Familienangehöriger ersten Grades betroffen ist, bei regelmäßigen Screening liegt das Risiko jedoch nur halb so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung ohne Koloskopie.
Daten von mehr als 4300 Patienten
Das Team um Weigl hatte sich für eine Fall-Kontroll-Studie entschieden, weil damit im Vergleich zu Registerstudien mehr relevante Begleitfaktoren erfasst und berücksichtigt werden können. So würden vor allem vorangegangene Koloskopien in Krebsregistern oft nicht vermerkt, berichten die Forscher. Sie bezogen sich auf Daten der Untersuchung DACHS (Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening).
An dieser noch laufenden Fall-Kontroll-Studie beteiligen sich Darmkrebspatienten aus dem Rhein-Neckar-Raum. Sie werden einer ausführlichen einstündigen Befragung unterzogen. Angaben zu mehr als 4300 Patienten sowie 3100 Kontrollpersonen aus der Bevölkerung liegen vor. Letztere wurden einer ähnlichen Befragung unterzogen, zudem achteten die Studienleiter auf ein ähnliches Alter und Geschlecht.
Weitere Risikofaktoren: Rauchen, Fleisch und Alkohol
Im Schnitt waren 60 Prozent der Teilnehmer Männer, das mediane Alter lag bei 69 Jahren. Von den Darmkrebspatienten berichteten knapp 22 Prozent über einen betroffenen Familienangehörigen ersten oder zweiten Grades, 17 Prozent waren es bei den Kontrollpersonen. Wurden nur Alter und Geschlecht berücksichtigt, ließ sich daraus ein 36 Prozent erhöhtes Erkrankungsrisiko berechnen.
Bei einem betroffenen Familienangehörigen ersten Grades ist das Risiko nach diesen Daten um 41 Prozent und bei einem Familienangehörigen zweiten Grades um 30 Prozent erhöht.
Werden weitere Faktoren wie Rauchen, BMI, Fleisch-, Alkohol- oder NSAR-Konsum hinzugenommen, ergibt sich jeweils ein um 47 Prozent (Verwandte ersten Grades) und um 43 Prozent (Verwandte zweiten Grades) gesteigertes Erkrankungsrisiko.
Viele Verwandte nehmen an Koloskopie teil
Familienangehörige von Betroffenen ersten Grades hatten deutlich öfter an Koloskopien teilgenommen (67 Prozent) als solche von Erkrankten zweiten Grades (56 Prozent) oder Personen ohne erkrankte Angehörige (54 Prozent).
Wurde auch dies in die Gleichung aufgenommen, dann ergibt sich bei Verwandten ersten Grades ein 73 Prozent erhöhtes Darmkrebsrisiko, bei Verwandten zweiten Grades ist es noch 47 Prozent höher als in der koloskopierten Vergleichsbevölkerung.
Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die etwas häufigere Koloskopie bei Verwandten von Darmkrebskranken das erblich bedingte Risiko deutlich zu senken scheint.
Angaben wurden retrospektiv erhoben
Noch klarer wird das Bild, wenn als Vergleich Personen ohne Koloskopieerfahrung und ohne familiäre Belastung dienen. Eine Koloskopie senkt das Darmkrebsrisiko gegenüber dieser Gruppe nach den Berechnungen der Forscher um 75 Prozent, wenn keine familiäre Belastung vorliegt, um 64 Prozent wenn ein Verwandter zweiten Grades betroffen ist und immerhin noch um 55 Prozent bei einem betroffenen Angehörigen ersten Grades.
Also selbst wenn ein naher Verwandter erkrankt ist, lässt sich das Darmkrebsrisiko im Vergleich zur nicht koloskopierten Bevölkerung durch die Maßnahme mehr als halbieren. "Diese Resultate unterstützen die Empfehlungen für ein intensiveres Screening bei Personen mit Betroffenen ersten Grades", so die Forscher.
Wie bei allen Fall-Kontroll-Studien muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Angaben retrospektiv erhoben wurden. Ob die Patientenangaben, auf denen die Berechnungen beruhen, stimmen, ist schwer zu sagen.