Sterberisiko

Krebs tödlicher für psychisch Kranke

Psychisch Kranke sterben häufiger an Krebs als seelisch Gesunde. Das liegt wohl weniger am Lebensstil als an der medizinischen Versorgung, wie eine australische Studie zeigt.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Die Australische Studie zeigte: Depressive Frauen hatten ein um 26 Prozent erhöhtes Krebsrisiko.

Die Australische Studie zeigte: Depressive Frauen hatten ein um 26 Prozent erhöhtes Krebsrisiko.

© imago/imagebroker

GOLD COAST. Die Krebsletalität ist bei psychisch Kranken etwa 30 Prozent höher als in der Allgemeinbevölkerung.

Allein mit ungesünderem Lebensstil lässt sich die schlechte Prognose nicht erklären, denn dann müsste die Krebsinzidenz bei diesen Patienten erhöht sein - was nicht der Fall ist.

Australische Mediziner präsentieren nun eine andere Erklärung für das höhere Sterberisiko. "Psychiatrische Patienten haben mit größerer Wahrscheinlichkeit bereits Metastasen, wenn der Krebs diagnostiziert wird, und sie haben schlechtere Chancen, eine spezialisierte Behandlung zu erhalten", schreiben sie (Arch Gen Psychiatry. 2012; online 17. Dezember).

Studie basiert auf Daten von Australiern

Die Mediziner haben Daten der Allgemeinbevölkerung Westaustraliens mit denen von Einwohnern verglichen, die zwischen 1988 und 2007 eine psychiatrische Diagnose erhalten hatten.

Im selben Zeitraum waren 134.442 Krebserkrankungen entdeckt worden, davon 6586 bei psychisch kranken Menschen.

Letztere waren bei Diagnosestellung im Mittel 64,3 Jahre alt, psychisch Gesunde dagegen erst 63,2 Jahre. Die altersbereinigte Krebsinzidenz lag mit 368 versus 417 Fällen pro 100.000 Personenjahren bei psychisch Kranken sogar niedriger als in der Bevölkerung.

Bei den Männern wurden 14 Prozent und bei den Frauen 8 Prozent weniger Krebserkrankungen diagnostiziert. Eine erhöhte Inzidenz fand sich einzig bei Krebs mit unbekanntem Primärtumor sowie bei Lungenkarzinomen bei Männern.

Unterschiede vor allem bei Brust- und Lungenkrebs

Wurden die psychiatrischen Diagnosen getrennt betrachtet, dann waren Demenz und Schizophrenie mit einer 28 Prozent bzw. 20 Prozent geringeren Krebsrate assoziiert.

Dagegen hatten Patienten, die an einer Depression oder einer neurotischen Störung litten bzw. abhängig von Alkohol oder Drogen waren, ein um 20 Prozent bis 26 Prozent erhöhtes Krebsrisiko.

51 Prozent der psychisch kranken Krebspatienten starben im Studienzeitraum. Damit lag die Mortalität bei Männern um 52 Prozent, bei Frauen um 29 Prozent über der von anderen Krebskranken.

Auch wenn nur krebsbedingte Todesfälle berücksichtigt wurden, war die Sterberate um 20 Prozent erhöht. Ein Grund könnte sein, dass ihre Erkrankung bei der Diagnose weiter fortgeschritten war: 7 Prozent hatten schon Metastasen, in der Allgemeinbevölkerung nur 6 Prozent.

Dieser Unterschied machte sich vor allem bei Brust- und Lungenkrebs bemerkbar.

Keine Gleichbehandlung

Aber auch nach der Diagnose der Krebserkrankung waren deutliche Differenzen in der Versorgung von psychiatrischen Patienten und der Bevölkerung insgesamt zu erkennen.: Psychisch Kranke wurden mit einer um 19 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit operiert, insbesondere Karzinome des Kolorektums, der Brust und der Zervix wurden seltener operiert.

Die Patienten erhielten weniger Chemotherapiesitzungen (im Mittel 10 versus 11), und bei Darm- und Brustkrebs wurde auch seltener bestrahlt.

"Die Studie legt nahe, dass psychiatrischen Patienten der Zugang zur Krebsversorgung erschwert ist", kritisiert das Team um Kisely.

Dies sei aber keineswegs das einzige Gebiet, in dem keine Gleichbehandlung stattfinde. Auch die Therapie von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen bleibe bei psychisch Kranken oft hinter dem Standard zurück.

Quelle: www.springermedizin.de

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Patienten zweiter Klasse

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Kommentare
Dr. Albrecht Siegel 11.01.201318:03 Uhr

tot, noch toter, am totesten

tötlich, tötlicher, am tötlichsten, wahrscheinlich weil ungesünder

Dr. Thomas Georg Schätzler 11.01.201316:07 Uhr

Bei aller Liebe...

...zu den Wissenschaften und Australien (ein Trimester Medizinstudium an der University of NSW, Sydney), der australische Bundesstaat „Western Australia“ mit seiner Hauptstadt Perth hat auf einer Fläche von 2,5 Millionen (!) km² nur 2,3 Millionen Einwohner (Stand 2010). Dies ergibt eine Bevölkerungsdichte von 0,92 Einwohnern je km². In Deutschland liegt die Bevölkerungsdichte dagegen bei 231 Einwohner/km², in München bei 4.440/km².

Bei seelischen Krankheiten ist die verbale und non-verbale Kommunikationsfähigkeit, Selbstreflexion und Interaktion symptombedingt oft ebenso eingeschränkt, wie die Fähigkeit, externe Laien bzw. professionelle Hilfe zu akzeptieren oder in Anspruch zu nehmen. Dies wirkt sich in der relativen Vereinsamung und Isolierung des extrem bevölkerungsarmen Westaustraliens bei psychisch Kranken besonders deletär auf die Krebsmortalität aus. Obwohl die Inzidenz von Neoplasien auch bei fehlender seelischer Erkrankung in der Gesamtbevölkerung annähernd gleich ist. Die australischen Studienautoren erhellen in ihren Schlussfolgerungen („Although incidence is no higher than in the general population, psychiatric patients are more likely to have metastases at diagnosis and less likely to receive specialized interventions. This may explain their greater case fatality and highlights the need for improved cancer screening and detection.”) Notwendigkeit und Bedarf einer verbesserten Krebs-Reihenuntersuchung und –Früherkennung bei psychiatrischen Patienten.

Alle weitergehenden Spekulationen, Mutmaßungen und Verdächtigungen einer systematischen Diskriminierung bei Krebs u n d psychischer Krankheit entbehren jeder Grundlage. Die vorgelegte Studie ist aus geografischen, demoskopischen und bevölkerungsepidemiologischen Gründen auf dichtbesiedelte Industrie- und Schwellenländer nicht übertragbar.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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