Schilddrüsenforschung

MCT8 transportiert Hormon in die Zelle

Die Identifizierung von Proteinen, die Schilddrüsenhormone in Zellen bringen, und von Thyronaminen als biologisch aktive Hormonderivate: Das sind Beispiele erfolgreicher Forschung zur Schilddrüseder letzten Jahre.

Dr. Marlinde LehmannVon Dr. Marlinde Lehmann Veröffentlicht:

ESSEN. Vor ziemlich genau zehn Jahren haben Schilddrüsenforscher festgestellt, dass die bisher gültige Annahme, dass Schilddrüsenhormone passiv die Zellmembran von Zielzellen passieren und dann ihre Wirkung durch Bindung an den Schilddrüsenhormonrezeptor im Zellkern entfalten, differenzierter gesehen werden muss.

Sie haben nämlich dokumentiert, dass Schilddrüsenhormone aktiv durch spezifische Transporterproteine in die Zelle aufgenommen werden.

Bericht im "Lancet" im Jahr 2004

Mit der Identifizierung der ersten Mutation im MCT8-Gen - MCT steht für Monocarboxylattransporter - habe im Jahr 2004 bei Patienten mit schweren neurologischen Entwicklungsstörungen der molekulare Mechanismus aufgezeigt werden können.

Und es sei nachgewiesen worden, dass MCT8 für die T3-Aufnahme in neuronale Zielzellen verantwortlich sei (Lancet 2004; 364: 1435-1437), berichten Professor Dagmar Führer vom Uniklinikum Essen und ihre Kolleginnen, die Professorinnen Klaudia Brix von der Uni Bremen und Heike Biebermann von der Charité in Berlin (DMW 2014; 139: 492-496).

Diese Patienten mit Allan-Herndon-Dudley-Syndrom hätten erhöhte T3-Spiegel sowie normale bis erniedrigte TSH- und T4-Werte. Sie fallen etwa durch schwere psychomotorische Retardierung und Muskelhypotonie auf.

"Interessanterweise finden sich in Abhängigkeit von der organbezogenen Relevanz des MCT8 sowohl Zeichen einer Hypothyreose (ZNS) als auch Hyperthyreose (Leber), während am Herzen trotz erhöhter T3-Spiegel beispielsweise bislang keine Pathologien beschrieben wurden", so die Endokrinologinnen.

Transport auch anderer Substrate

Der Transport der Schilddrüsenhormone ist abhängig vom Zelltyp und es können - außer MCT8 - weitere Transportermoleküle vorliegen. Sie heißen zum Beispiel MCT10, Lat1, Lat2 oder Oat14 (Thyroid research 2011; 4 (01):S7), und sie transportieren außer Schilddrüsenhormonen auch andere Substrate.

Der Transport mehrerer Substrate durch diese Transporter weise auf eine komplexe und bislang noch sehr unvollständig verstandene Regulation der Schilddrüsenhormonwirkung hin, so Führer und ihre Kolleginnen.

Darüber hinaus gebe es erste Hinweise, dass medikamentös induzierte Störungen der Schilddrüsenfunktion durch Interaktionen mit Schilddrüsenhormon-Transportern entstehen könnten; dies sei für MCT8 am Beispiel von Tyrosinkinase-Inhibitoren und Antidepressiva gezeigt worden (J Clin Endocrinol Metab 2012; 97: E100-105).

Führer, Brix und Biebermann betonen: "Insgesamt hat die Entdeckung der Schilddrüsenhormontransporter das Konzept der Schilddrüsenhormonwirkung revolutioniert. Der Mechanismus der Aufnahme in die Zielzelle ist damit grundsätzlich für alle Zielorgane neu zu definieren."

Zeitgleich mit der Erkenntnis, dass MCT8 ein wichtiger Schilddrüsenhormontransporter ist, seien im Jahr 2004 erstmals Thyronamine als biologisch aktive, decarboxylierte und deiodierte Schilddrüsenhormonderivate beschrieben worden, erinnern Führer und ihre Kolleginnen.

Vor allem den Thyronaminen T1AM und TOAM werde eine grundsätzlich gegensätzliche Wirkung zu T4 und T3 zugeschrieben.

Als wichtigste bislang bekannte Effekte scheinen Thyronamine nach Angaben der Endokrinologinnen die Herzfrequenz und die Körpertemperatur zu senken - wobei dies sehr kontrovers diskutiert werde (J Neurosci Res 2010; 88; 1962-1969).

"Zusätzlich gibt es Hinweise für einen inhibitorischen Effekt der Thyronamine auf den Energieumsatz und weitere Effekte auf die Glukosehomöosatase", so die Forscherinnen.

Schwerpunktprogramm Thyroid Trans Act

Im Zusammenhang mit Thyronaminen lasse sich die Entwicklung neuer Therapeutika zur Regulation etwa der Körpertemperatur bei der Notfallbehandlung von Patienten mit Schlaganfall und Myokardinfarkt erhoffen.

Zu klären sei dabei aber unter anderem vorab, wo Thyronamine entstehen, welche Konzentrationen und Halbwertszeiten sie im Serum erreichen, über welche Rezeptoren sie wirken und wie sie ab- und umgebaut werden zu Metaboliten, die möglichweise auch in den Stoffwechsel eingreifen.

Führer, Brix und Biebermann koordinieren das im Oktober 2012 gestartete und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Schwerpunktprogramm (SPP) Thyroid Trans Act.

Das Ziel des SPP 1629 sei es, zunächst ein umfassendes Verständnis zu Physiologie und molekularen Grundlagen der Synthese und Wirkung von Schilddrüsenhormonen zu erhalten, so die Endokrinologinnen.

Es gelte, die Antwort auf die Frage zu finden: "Wodurch ist die gesunde und die gestörte Schilddrüsenfunktion definiert?"

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