Milzbrand-Angst wegen infizierter Rinder

Ein totes Rind treibt die Elbe hinab. Es ist an Milzbrand verendet - wie mindestens acht weitere Tiere seiner Herde. Das schürt Angst bei den Menschen: Jetzt werden Dutzende vorsorglich mit Antibiotika behandelt.

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Schilder nahe der Ortschaft Lütkenwisch in Brandenburg warnen vor potenzieller Infektionsgefahr.

Schilder nahe der Ortschaft Lütkenwisch in Brandenburg warnen vor potenzieller Infektionsgefahr.

© Susan Ebel / dpa

STENDAL/MAGDEBURG (dpa). Wegen des Milzbrand-Ausbruchs in Sachsen-Anhalt werden etwa 50 Menschen vorsorglich mit Antibiotika behandelt. Sie hätten Kontakt zu den im Landkreis Stendal erkrankten Rindern gehabt, sagte der Sprecher des Landratsamtes Stendal, Edgar Kraul, am Freitag.

Insgesamt neun Tiere der Herde seien inzwischen verendet, berichtete das Agrarministerium in Magdeburg. Eines der Rinder war am 12. Juli in die Elbe gefallen, sein Kadaver konnte erst in Brandenburg nahe dem niedersächsischen Schnackenburg geborgen werden.

Das tote Tier sei im Fluss abgetrieben, als es abtransportiert werden sollte, sagte ein Sprecher des Agrarministeriums. Für andere Tierbestände bestehe keine Gefahr, erklärte der Brandenburger Landestierarzt Klaus Reimer. Eine Ansteckung sei nur über den direkten Kontakt mit Milzbrandsporen möglich. Die Ursache für den Ausbruch war zunächst unklar.

Sporen jahrzehntelang infektiös

"Die Sporen des Anthrax-Bakteriums finden sich klassischerweise auf sogenannten Wasenplätzen, auf denen in früheren Generationen an Milzbrand verendete Tiere begraben wurden", sagte Professor Heinrich Neubauer, Leiter des Instituts für bakterielle Infektionen und Zoonosen am Friedrich-Loeffler-Institut in Jena. "Wenn Rinder oder Schafe dort weiden, können sie sich infizieren." Die Sporen blieben im Boden jahrzehntelang infektiös.

"Ab Montag werden Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) die Weide der Tiere untersuchen", sagte Landratsamtssprecher Kraul. Es werde geprüft, ob dort früher verendete Tiere begraben worden seien. Die etwa 50 Tiere zählende Herde sei vorerst isoliert und auf eine andere Weide getrieben worden.

Die letzten Milzbrandfälle in Deutschland seien 2009 in Bayern aufgetreten, hieß es beim Agrarministerium. Milzbrand, auch Anthrax genannt, wird vom Bakterium Bacillus anthracis verursacht. "Am gefährdetsten sind Paarhufer, vor allem Schafe, Rinder und Ziegen", erklärte Neubauer. "Während die Krankheit bei Schafen sehr akut verläuft, kann sie sich bei Rindern auch hinziehen. Das ist abhängig unter anderem von der Menge der aufgenommenen Sporen."

Menschen infizieren sich selten

Menschen infizieren sich selten. "Ein gewisses Berufsrisiko haben etwa Landwirte oder Tierärzte, die viel Kontakt mit Rindern oder Schafen haben", so Neubauer. "Bei Gerbern, die Tierhäute verarbeiten zum Beispiel war Milzbrand früher eine Berufskrankheit."

Im Juni hatten sich in Bayern zwei Heroinsüchtige mit Anthrax infiziert, einer von ihnen starb. Als Ursache der Infektion wurde vom RKI die Injektion von mit Milzbrandsporen verunreinigtem Heroin vermutet. Ähnliche Fälle gebe es immer wieder.

Milzbrand noch in Afrika und Asien

Weltweit erkranken nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation jährlich rund 2000 Menschen vor allem in Afrika und Asien. Symptome sind Fieber, eine Schwellung und Verfärbung der Milz und ein allgemeiner Kräfteverfall.

Schlagzeilen machte der Erreger vor allem wegen seiner möglichen Verwendung für die biologische Kriegführung. Mehrfach wurden in den vergangenen Jahren Briefumschläge mit Anthrax-Sporen etwa an Regierungsstellen in den USA verschickt.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 24.07.201213:24 Uhr

Milzbrand-Gefahr

Ein einzelner, in der Elbe abgetriebener, Rinderkadaver stellt noch keine "Seuchengefahr", erst recht nicht die eines Milzbrand-"Ausbruchs" dar! Der geschlossene Tierkörer wird ohne großes öffentliches Gedöns von der Feuerwehr oder dem THW aus dem Gewässer gefischt und der nächsten Tierkörper-Beseitigungs-Anstalt (TBK) in isolierter Form zugeführt und dort schadlos entsorgt.
Sog. "Wasenplätze", wo Tierleichen verscharrt wurden, gibt es in unserem Kulturraum seit über hundert Jahren schon nicht mehr. Der Sage nach können dort angeblich immer noch Anthrax-Sporen freigesetzt werden. Wo aber danach suchen, wenn es über die unhygienischen Plätze der Vergangenheit keine Kartierung gibt?

Der ubiquitäre Bacillus anthracis entwickelt bekanntlich seine krankmachenden Eigenschaften beim Menschen erst dann, wenn er zufällig in zerklüftete (anaerobe) Wunden eingebracht oder massiv als Anthrax-Sporen eingeatmet wird. Diese "Seuchen"-Gefahr hat bei dem nassen Tierkörper überhaupt nicht bestanden. Es bedurfte bei dessen Bergung nicht einmal einer gespenstischen Verkleidung.
Zum Glück für die krankheits-unverdächtigen Rinder wurde diesmal nicht die ganze Herde "gekeult" - wie dies früher aus fiktiven "Seuchen"-Gründen noch geschah.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (FTA für Hygiene und Mikrobiologie) aus Rostock

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