Wirbelfraktur

Mobil sein - zum Schutz der Knochen

Ab der ersten Wirbelfraktur nimmt das Risiko für chronische Rückenschmerzen und funktionelle Einschränkungen zu. Eine rasche Abklärung und eine effiziente Therapie sollten folgen.

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WIEN. Wirbeleinbrüche im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule sind eine bekannte Folge der Osteoporose und zählen zur schwersten Manifestation dieser Krankheit, bei der auch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko nachgewiesen ist.

Die Folgen sind akute und chronische Schmerzen, ein vielfach erhöhtes Risiko für weitere osteoporosebedingte Frakturen, eine kyphotisch und skoliotische Verformung der Brust- und Lendenwirbelsäule, eine meist überstreckte Halswirbelsäule, ein Verlust an Körpergröße und eine Reduktion der Vitalkapazität.

Die Betroffenen werden oft aufgrund von Schmerzen und körperlichen Einschränkungen inaktiver, ziehen sich von sozialen Kontakten zurück und sind depressiv verstimmt, berichtet Prim. Univ.Prof. Dr. Elisabeth Preisinger vom Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel in Wien (Manuelle Medizin 2013; 51: 55-57).

Nevitt et al. konnten in einer Kohortenstudie, in die 7223 über 65-jährige Frauen eingeschlossen waren, die Zusammenhänge von chronischen Rückenschmerzen, funktionellen Einschränkungen im Alltag und Wirbeleinbrüchen zeigen. Ab der ersten Wirbelfraktur nimmt das Risiko für chronische Rückenschmerzen und funktionelle Einschränkungen zu.

Eine diagnostische Abklärung und ein umfangreiches therapeutisches und rehabilitatives Management sollten folgen.

Dazu zählen die Schmerzkontrolle mit medikamentösen und nichtmedikamentöser Therapien, die medikamentöse Osteoporosetherapie unter Beachtung der Kalzium- und Vitamin-D3-Supplementierung sowie alle Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Verbesserung von Mobilität, Unabhängigkeit von fremder Hilfe und von Lebensqualität sowie zur Reduktion des Sturzrisikos.

Angst vor Fraktur macht inaktiv

Rückenschmerzen sowie die Angst vor dem Sturz und dem nächsten Knochenbruch limitieren beim Osteoporosepatienten mit vertebralen Frakturen meist eine aktive Lebensführung. Eine negative Knochenbalance und damit die Verschlechterung der Knochenqualität werden dadurch gefördert.

Durch die verminderte oder fehlende Muskelarbeit gegen die Schwerkraft nimmt die Knochenmasse ab. Durch Immobilisation, wie die Langzeitbettruhe, wird nicht allein der Knochen beeinflusst, sondern auch das gesamte Herz-Kreislauf- und endokrine System. Es entwickelt sich eine katabole Stoffwechsellage mit allen pathophysiologischen Konsequenzen, so Preisinger.

Bei langer Liegedauer nimmt die Flüssigkeits- und Elektrolytausscheidung über die Niere zu. Bereits nach mehr als 2 Tagen Bettruhe beträgt der Plasmaverlust bis zu 10 Prozent und kann bis zu 15 Prozent weiter ansteigen.

Die Blutviskosität, der Hämatokritwert, Fibrinogen und das Thromboserisiko steigen an. Das linksventrikuläre enddiastolische Volumen, die orthostatische Toleranz und die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) nehmen ab.

Insgesamt veränderten Immobilität und eine überwiegend liegende Körperposition den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt bzw. deren Anpassungsfähigkeit an jeglichen Wechsel der Körperposition. Durch die fehlende Stimulation des Gleichgewichtsorgans und der Propriozeptoren sowie durch die zunehmende Muskelatrophie kommt es zu einem Verlust der Körperbalance.

Die Betroffenen verlieren bis zu 4 Prozent an Körpergewicht, vorwiegend an fettfreier Körpermasse, das heißt Muskelmasse.Die Patienten müssen nach einem schmerzhaften Wirbeleinbruch möglichst rasch remobilisiert werden, fordert die Expertin.

Um dies zu gewährleisten, ist eine effiziente medikamentöse und nichtmedikamentöse Schmerztherapie wichtige Voraussetzung. Insbesondere chronische Schmerzen erfordern einen sorgsamen Umgang mit Medikamenten.

Viele physikalische Therapiemethoden, wie Elektrostimulation, Thermotherapie etc., können hier erfahrungsgemäß zur Schmerzlinderung beitragen. Durch Übungsprogramme, die Zunahme der Beweglichkeit und Bewegungssicherheit werden Rückenschmerzen positiv beeinflusst und gelindert.

Dazu gehören Übungen zur Beckenstabilisierung, zur Thoraxaufrichtung und zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit. Übungen mit Rumpfbeugung sollten bei Patienten mit Osteoporose vermieden werden, so Preisinger. Durch die zusätzliche Versorgung mit speziellen Orthesen können Schmerzlinderung und Muskelkräftigung unterstützt werden.

Derartige Übungsprogramme vermögen den Knochenschwund zu bremsen, sind jedoch als alleinige Therapie bei Patienten mit Osteoporose meist nicht ausreichend, um weitere Frakturen zu verhindern. Trainingsformen mit einem "high impact", wie hohe Sprünge, die nachweislich am effektivsten die Knochenformation fördern, dürfen bei Patienten mit hohem Knochenbruchrisiko nicht durchgeführt werden.

Ein kontrolliert progressives Widerstandstraining für die Beinmuskulatur, Balanceübungen und Tai Chi reduzieren hingegen nachweislich das Sturzrisiko von Senioren, so Preisinger.

Hohes Sturzrisiko fördert Fraktur

Ein hohes Sturzrisiko stellt einen zusätzlichen Risikofaktor für Knochenbrüche bei Minimaltrauma dar. In einer randomisiert kontrollierten Studie erhielten Frauen zwischen 60 und 95 Jahren ein standardisiertes Übungsprogramm mit den Trainingskomponenten Gelenkmobilität, axiale Gewichtsbelastung, muskuläre Kraftausdauer, intermuskuläre Koordination, Balance, Geschicklichkeit und Reaktionsfähigkeit.

Zur Gelenkmobilität wurden Dehnungsübungen für die Muskulatur, zur axialen Gewichtsbelastung schnelles Gehen auf dem Platz, Stepping und repetitiver Zehenstand, zur Kraftausdauer Übungen mit Gewichtswesten, elastischen Bändern und Hanteln, zur Balance, Geschicklichkeit und Reaktionsfähigkeit Schrittkombinationen, blickkontrollierte Bewegungen, Ballspiele etc. durchgeführt.

Nach 32 Wochen, 2-mal pro Woche je 60 min, Trainingsdauer mit progressivem Aufbau konnten Verbesserungen bei der Knochendichte, der Muskelkraft und der Balance registriert werden.

Im Anschluss an eine randomisiert kontrollierte Studie über 2 Jahre mit gesunden postmenopausale Frauen wurde nach 10 Jahren eine Nachuntersuchung durchgeführt.

Bei den Frauen der Verumgruppe, die ein progressives Widerstandstraining mit Gewichten von 30 Prozent des Einwiederholungsmaximums, 10 Wiederholungen, 5-mal pro Woche für die Rückenstreckmuskulatur über 24 Monate als Heimprogramm durchgeführt hatten, wurden nach 10 Jahren signifikant weniger Wirbelbrüche diagnostiziert.

Orthesen stärken Muskulatur

Für Osteoporosepatienten mit vertebralen Frakturen wurden spezielle Orthesen entwickelt. Eine thorakolumbale Orthese (Spinomed®) besteht aus einer individuell geformten starren Rückenschiene, die der Brust- und Lendenwirbelsäule aufliegt und den Druck großflächig verteilt.

Die Zuggurtung stabilisiert zusammen mit der Bauchpelotte die Lendenwirbelsäule. Die Zuggurtung im Schulterbereich bringt die Schultern nach dorsokaudal und unterstützt die Aufrichtung der Brustwirbelsäule.

Diese über sensomotorische Prinzipien wirkende Orthese kräftigt im Gegensatz zu starren Miedern die Rumpfmuskulatur und führt nach Angaben von Preisinger nachweislich zur Schmerzlinderung, Zentrierung des Körperschwerpunkts und Verbesserung der Lebensqualität. Sie kann einfach angelegt und über den Tag verteilt auch stundenweise, mindestens 2 h durchgehend, getragen werden.

Eine weitere Kyphoorthese, die speziell für Patienten nach Osteoporose bedingten Wirbelfrakturen entwickelt wurde und gut untersucht ist, besteht aus einem kleinen Sack mit Gewichten bis etwa 1,5 kg, der kaudal des Angulus inferior scapulae wie ein Rucksack angelegt wird.

Dadurch werden die Schultern nach dorsokaudal gezogen und die Brustwirbelsäule aufgerichtet. Linderung der Rückenschmerzen, Zentrierung der Körperschwerpunkts und Kraftzunahme der Rückenmuskulatur konnten damit nachgewiesen werden.Zudem kann diese Orthese zusammen mit Haltungsübungen verwendet werden. (eb)

Dieser Text basiert auf der Originalarbeit von Prim. Univ.-Prof. Dr. E. Preisinger - veröffentlicht in: Manuelle Medizin 2013; 51: 55-57.

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