Neue Wege gegen das Amyloid im Hirn

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Das größte Problem bei der Alzheimer-Pathogenese ist offenbar ein kleines Peptid. Wenn Forscher neue Alzheimer-Medikamente entwickeln, dann denken sie fast immer daran, das Eiweiß mit der Bezeichnung ß -Amyloid zu zerhacken, seine Verklumpung zu verhindern, die Klumpen im Hirn wieder aufzulösen oder Enzyme so zu manipulieren, dass das schädliche Peptid erst gar nicht entsteht. Glaubt man den Daten und Studien, die Wissenschaftler auf dem Kongress der DGPPN in Berlin vorgestellt haben, dann sind die Chancen gar nicht so schlecht für eine Generation von Arzneien, die spezifisch in die Alzheimer-Pathogenese eingreifen.

Bei Alzheimer-Patienten wird ein Protein falsch geschnitten

Das ganze Übel nimmt bekanntlich mit der Spaltung des Amyloid-Vorläuferproteins (APP) seinen Lauf. Bei gesunden Menschen werden 90 Prozent der APP-Moleküle einfach mit dem Enzym a -Sekretase in zwei Teile gespalten. Gelegentlich, bei zehn Prozent der Proteine, kommen zwei weitere Sekretasen diesem Prozess zuvor und schneiden ein Fragment - das ß -Amyloid - in der Mitte heraus. Für gesunde Menschen ist dies kein Problem, sie können ß -Amyloid problemlos abbauen. Bei Alzheimer-Patienten wird durch Entzündungsprozesse jedoch die Produktion von ß -Amyloid verstärkt und der Abbau kommt ins Stocken - es bilden sich neurotoxische ß -Amyloid-Ablagerungen.

Dieser Prozess ließe sich nun schon an der Quelle verhindern, etwa wenn man die Aktivität der a -Sekretase verstärkt. Dann kommen die beiden anderen, ungünstigen Sekretasen, die ß - und ? -Sekretase nicht mehr zum Zuge. Eine Aktivierung der "guten" a -Sekretase ist etwa durch bestimmte Hormone und muskarinerge Substanzen möglich. In Tierversuchen ließ sich die Amyloid-Last mit Muskarin-Agonisten deutlich verringern. Auch Tau-Fibrillen traten damit seltener auf, und die kognitiven Leistungen der Tiere verbesserten sich durch die Therapie, sagte Dr. Stefan Lichtenthaler von der LMU München. Inzwischen wird ein Muskarin-Agonist (AF267B) auch in einer klinischen Phase-I-Studie geprüft.

Sekretase-Hemmer können ß -Amyloid-Bildung verhindern

Die Bildung von ß -Amyloid ließe sich auch verhindern, könnte man die Aktivität der ungünstigen ß - und ? -Sekretasen lähmen. Das ist prinzipiell kein Problem, sagte Lichtenthaler. So kennt man inzwischen viele wirksame ? -Sekretase-Hemmer. Das Problem ist nur, dass die ? -Sekretase auch viele andere, nützliche Funktionen hat. Die Blockade des Enzyms löst daher schwere Nebenwirkungen aus. Inzwischen, so Lichtenthaler, hat man jedoch ? -Sekretase-Hemmer gefunden, die spezifisch die ß -Amyloid-Bildung verhindern. Schwieriger gestaltete sich die Suche nach ß -Sekretase-Hemmern. Da ß -Sekretase spezifischer APP spaltet, verursacht seine Blockade weniger Nebenwirkungen. Auch hier haben Forscher erste Substanzen getestet. So ließ sich mit der Substanz GSK 188909 die Menge von ß -Amyloid im Hirn von Mäusen um 30 Prozent reduzieren.

Um weniger ß -Amyloid zu produzieren, muss man die beiden ungünstigen Sekretasen aber nicht unbedingt blockieren. Man kann sie auch modulieren. Dann schneiden sie zwar noch immer ein ß -Amyloid-Fragment aus dem APP, doch keines mehr, das so leicht verklumpt. Statt ß -Amyloid mit 42 Aminosäuren (Aß 42) wird dann vermehrt solches mit 38 bis 40 Aminosäuren produziert, und diese Fragmente sind wohl weitgehend harmlos.

Sekretase-Modulatoren werden längst für andere Indikationen verwendet: So ist aus epidemiologischen Studien bekannt, dass nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) das Demenzrisiko reduzieren. Forscher stellten fest, dass NSAR vor allem die Gamma-Sekretase-Aktivität modulieren. In Versuchen mit NSAR ließ sich die Produktion des schädlichen Aß 42 tatsächlich drastisch reduzieren, sagte Lichtenthaler. Vor allem Ibuprofen erwies sich als vielversprechend. Derzeit werden Ibuprofen-Derivate in klinischen Studien mit Alzheimer-Patienten geprüft.

Doch auch die ß -Sekretase lässt sich mit bereits bekannten Medikamenten modulieren. So produziert das Enzym besonders effektiv Aß 42, wenn viel Cholesterin im Hirn ist. Wird das Cholesterin entzogen, sinkt die Aß 42 Produktion, gleichzeitig steigt die Aktivität der "guten" a -Sekretase. Das könnte erklären, weshalb Statine das Alzheimer-Risiko senken. In einer vor kurzem publizierten Analyse von Daten aus Statinstudien war die Demenz-Prävalenz mit dem hirngängigen Simvastatin um 56 Prozent reduziert, mit Atorvastatin, das die Blut-Hirnschranke kaum überwindet, dagegen nur um etwa zehn Prozent (BMC Medicine 2007, 5:20).

Derzeit laufen Studien mit Statinen bei Patienten mit M. Alzheimer sowie bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen (MCI), berichtete Professor Jörg B. Schulz von der Uni Göttingen. In einer kleinen Studie mit 56 Patienten konnten Schulz und seine Kollegen bereits zeigen, dass Patienten mit einer mittelschweren Alzheimer-Demenz von Simvastatin profitieren: Innerhalb eines Jahres verschlechterte sich der MMSE-Wert mit Placebo von 17,1 auf 14,4 Punkte, mit Simvastatin blieb er dagegen konstant.

Statine reduzieren das Demenzrisiko möglicherweise aber auch über ihren entzündungshemmenden Effekt. In gleicher Weise könnten auch Glitazone wirken. Die Analyse von Daten aus Diabetesstudien ergab, dass die Alzheimer-Rate bei einer Glitazon-Therapie um 40 Prozent reduziert war, sagte Professor Michael T. Heneka von der Uni Münster. Glitazone erhöhen die Aktivität am PPAR-? -Rezeptor. Ist der Rezeptor vermindert aktiv, stimuliert dies wiederum die ungünstige ß -Sekretase im Gehirn. Forscher stellten fest, dass Entzündungsprozesse, die für Alzheimer typisch sind, die PPAR-? -Aktivität reduzieren, und somit die Pathogenese weiter anheizen. Glitazone wirken dem offenbar entgegen. Mit Rosiglitazon wird derzeit ein PPAR-? - Agonist in einer Phase-III-Studie bei Alzheimer-Patienten geprüft. Eine Phase-II-Studie mit 500 Patienten verlief jedoch wenig erfolgreich. Vielversprechender ist möglicherweise eine Therapie mit Pioglitazon, das die Blut-Hirnschranke besser überwindet. In kleinen Pilotstudien gab es bisher zumindest einen Trend für einen Nutzen bei Alzheimer-Patienten.

Neue Antikörper erkennen spezifisch schädliches Amyloid

Hat sich schädliches ß -Amyloid jedoch schon gebildet, dann eignen sich offenbar immunologische Ansätze am besten, um die Proteinaggregate wieder abzubauen. Eine aktive Immunisierung mit einem ß -Amyloid-Fragment führte in einer Studie bei Alzheimer-Patienten zwar zu eine Reduktion von Beta-Amyloid im Hirn und bei einigen Patienten zu einer kognitiven Stabilisierung, bei etwa sechs Prozent aber auch zu einer aseptischen Meningo-Enzephalitis. Derzeit läuft eine weitere Studie mit einer Vakzine, die verträglicher sein soll.

Hoffnungen setzen Forscher auch auf monoklonale Antikörper. Bapineuzumab (von Wyeth und Elan) wird derzeit in Phase-II-Studien geprüft. Eine Phase-III-Studie soll folgen. Der Antikörper bindet an Amyloid-Plaques und APP. Ebenfalls in Phase-II ist ein Antikörper von Lilly gegen APP (LY 2062430) sowie ein APP-Antikörper von Pfizer (RN1219, Phase-I).

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