Reizdarm
Neuer Test sorgt endlich für Ruhe im Bauch
Bei Reizdarmpatienten verursachen oft bestimmte Lebensmittel die Beschwerden. Welche genau, lässt sich meist nicht so leicht klären. Kieler Forscher haben jetzt eine neue Methode entwickelt.
Veröffentlicht:KIEL. Viele Reizdarmpatienten werden trotz unzähliger Tests und Diäten ihre Beschwerden nicht los, ein Teil der Betroffenen vermutet aber bestimmte Nahrungsmittel als Trigger. Ob bei solchen Patienten tatsächlich Nahrungsbestandteile die Beschwerden auslösen, das lässt sich inzwischen mit der konfokalen Endomikroskopie eindrucksvoll zeigen.
Ein Team der Abteilung "Experimentelle Endoskopie" der Universität in Kiel hat das Verfahren bei 36 Reizdarmpatienten geprüft, die bestimmte Nahrungsmittel als Trigger vermuteten - bei ihnen setzten die Beschwerden oft kurz nach einer Mahlzeit ein. Alle waren moderat bis schwer erkrankt und litten seit mindestens einem Jahr täglich unter den Symptomen. Als Kontrollen dienten zehn Patienten mit Barrett-Ösophagus.
Akutreaktionen sichtbar gemacht
Bei der Endomikroskopie tastet ein Laserstrahl die Gewebeoberfläche ab, ein Mikroskop an der Spitze des Endoskops erzeugt daraus ein stark vergrößertes Graustufenbild. Dadurch lässt sich die histologische Beschaffenheit des Darms im Detail und in situ untersuchen: Zellen und Bakterien werden sichtbar, aber auch die Beschaffenheit des Epithels.
Mit dieser Technik konnten die Wissenschaftler um Dr. Annette Fritscher-Ravens eine Art Prick-Test für den Darm etablieren (Gastroenterology 2014;147:1012-1020): Sie leiteten über den Arbeitskanal des Endoskops eine Lösung mit vier häufigsten unverträglichen Nahrungsmitteln (Kuhmilch, Soja, Hefe und Weizen) und eine Placebo-Lösung direkt auf die duodenale Mukosa. In den folgenden Minuten dokumentierten sie dann die Akutreaktionen an den exponierten Stellen.
Zum einen bestimmten sie dafür die Dichte der intraepithelialen Lymphozyten, zum anderen erfassten sie Lecks im Epithel, indem sie den Patienten zuvor den Farbstoff Fluoreszein verabreichten. Strömt dieser in das Darmlumen, leuchtet er im Laserlicht auf. Schließlich bestimmten sie auch den Abstand der Darmvilli vor und nach der Exposition. Vergrößert sich dieser, ist auch dies ein Zeichen einer epithelialen Schädigung.
Akutreaktion innerhalb von Minuten sichtbar
Konnten die Forscher bei mindestens zwei der drei Parameter eine deutliche Reaktion feststellen oder war sogar makroskopisch eine Veränderung erkennbar, werteten sie dies als positiven Befund. Wie sich herausstellte, zeigten 22 der 36 Reizdarmpatienten innerhalb von wenigen Minuten eine Akutreaktion auf mindestens eine der Testlösungen.
Bei solchen Reaktionen stieg in der Regel zunächst die Zahl der Lymphozyten im Epithel drastisch an, dann brach das Epithel an den apikalen Positionen der Villi auf, worauf die Fluoreszein-haltige Flüssigkeit aus dem Gewebe "in einer Vulkan-artigen Eruption" ins Darmlumen schoss, beschreiben die Internisten ihre Eindrücke.
Dreizehnmal reagierten Patienten entsprechend auf Weizen, neunmal auf Milch, sechsmal auf Hefe und viermal auf Soja. Die Untersuchung scheint damit den Verdacht zu bestätigen, dass bei vielen Reizdarmpatienten Gluten ein Auslöser der Beschwerden ist.
Bei 14 Reizdarmpatienten und allen zehn Kontrollen beobachteten die Forscher hingegen keine auffälligen Reaktionen auf die Testlösungen.
Beschwerden verschwinden mit spezieller Diät
Denjenigen mit positivem Befund wurde anschließend eine Diät ohne die jeweils triggernden Nahrungsmittel empfohlen, wohingegen allen mit negativem Befund keine speziellen Empfehlungen zur Ernährung bekamen. Bereits nach vier Wochen waren die Beschwerden unter der Spezialdiät bei 19 von 22 Patienten um mehr als 50% zurückgegangen, bei sechs Patienten waren sie sogar ganz verschwunden.
Ein halbes Jahr später hatten sich die Werte auf Symptomskalen im Schnitt um drei Viertel gebessert, und nach einem Jahr war dieser Erfolg erhalten geblieben, sodass die Forscher einen reinen Placeboeffekt der Diät ausschließen.
Bei den Patienten ohne Diät war es im Laufe des folgenden Jahres hingegen zu keiner persistierenden Symptomlinderung gekommen.
Vorher oft falsche Diagnosen erhalten
Gerade für Reizdarmpatienten, bei denen bisherige Untersuchungen wenig aussagekräftig waren, sei die konfokale Endomikroskopie ein vielversprechender Ansatz, um eine Überempfindlichkeit oder Allergie auf Nahrungsmittel nachzuweisen. Viele dieser Patienten litten über Jahre hinweg unter den Beschwerden und erhielten oft die falschen Diagnosen, schreiben Fritscher-Ravens und Mitarbeiter.
Sie gehen allerdings davon aus, dass außer den vier getesteten Nahrungsmitteln auch noch andere Auslöser infrage kommen und somit noch bei deutlich mehr Reizdarmpatienten eine Nahrungsmittel-Überempfindlichkeit nachgewiesen werden kann.