In der Zelle
"Passkontrolle" identifiziert Viren-Erbgut
BONN. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn haben herausgefunden, wie das Immunsystem virale RNA von körpereigener unterscheiden kann (Immunity 2014; online 14. Juli).
Demnach trägt körpereigene RNA an ihrem Kopfende eine molekulare Markierung mit einer N1-2‘O-Methyl-Gruppe, die sie bei einer Art "Passkontrolle" in der Zelle vorzeigt, heißt es in einer Mitteilung der Universität Bonn. Dem Erbgut von Viren fehle diese Markierung.
Die Erkennung viraler RNA im Zytoplasma erfolgt durch zwei RNA-Rezeptoren: RIG-I und MDA5. Während die Funktionsweise von MDA5 noch unklar ist, ist man bei RIG-I einige Schritte weiter: Wie bei einer Passkontrolle am Flughafen das Gesicht kontrolliert wird, überprüft RIG-I das Kopfende von RNAs.
Denn dort sitzt eine Art Ausweis, an dem RIG-I körpereigene RNA erkennen kann. Die Bedeutung dieser Markierung war bisher rätselhaft.
"Wir konnten nun zeigen, dass sie die korrekte Bindung von RNA an RIG-I verhindert", wird Dr. Martin Schlee, Forschungsgruppenleiter am Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie zitiert.
"Körpereigene RNA kann RIG-I also nicht aktivieren - anders als Viren-RNA: Diese dockt an RIG-I an und löst so eine Immunreaktion aus."Doch wie verhindert die N1-2‘O-Methyl-Gruppe die Bindung an RIG-I? RIG-I trägt eine Struktur, die beim Bindungsvorgang mit der Methylgruppe kollidiert.
"Diese Struktur ist in allen Wirbeltieren und sogar der evolutionsbiologisch alten Seeanemone vorhanden", so Schlee. Manchen Viren gelingt es jedoch, den Immunmechanismus zu unterlaufen. So fügt etwa das Gelbfieber-Virus die N1-2‘O-Methyl-Gruppe selbst in seine RNA ein und mogelt sich so durch die "Passkontrolle".
Die Forscher hoffen, die Erkenntnis für die Entwicklung von neuen Medikamenten nutzen zu können, die diesen Tarnmechanismus angreifen. (eb)