Tipps und Strategien

Raus aus der Burn-out-Falle

Burn-out ist ein häufiges Problem von Helfern wie Ärzten. Es gibt aber eine wirkungsvolle Prävention. Eine Hausärztin und eine Psychotherapeutin erklären, wie sie funktioniert.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:
Übermüdet und ausgebrannt? Gerade die zunehmende Bürokratie macht es Ärzten schwer, sich eine Auszeit zu gönnen.

Übermüdet und ausgebrannt? Gerade die zunehmende Bürokratie macht es Ärzten schwer, sich eine Auszeit zu gönnen.

© Stockbyte / Thinkstock

NEU-ISENBURG. Burn-out gilt inzwischen regelrecht als Volksleiden. Mitunter wird es nicht mehr so recht ernst genommen, denn heute gibt jeder, der viel arbeitet, an, ausgebrannt zu sein.

Dieses Modeverhalten verwässert das Problem. Denn gerade für Ärzte ist Burn-out durchaus reell, wie viele Kollegen am eigenen Leibe erfahren - oft, ohne es wirklich zuzugeben.

"There is a cost to caring", sich um andere zu kümmern, hat seinen Preis, zitieren die Psychotherapeutin Alice Sendera und die Allgemeinärztin Martina Sendera aus Österreich in ihrem Buch "Trauma und Burnout in helfenden Berufen", das gerade im Springer-Verlag Wien erschienen ist.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und aus Erfahrung ist bekannt, dass gerade Menschen in helfenden Berufen gefährdet sind, ebenfalls traumatisiert zu werden und ein Burn-out-Syndrom zu entwickeln. In Helferberufen ist man besonders vielen psychischen Belastungen ausgesetzt.

Deshalb sollten Helfer zum eigenen Schutz Strategien entwickeln, sich auf solche Belastungen vorzubereiten und mit ihnen umzugehen. Entsprechende Methoden, Strategien und Skills mit vielen praktischen Übungen stellen die Autorinnen in ihrem Buch vor.

Ressourcen gezielt einplanen

Basis der primären Prävention ist, die eigenen Kompetenzen und Ressourcen zu kennen und zu stärken. Manche Tipps klingen banal, wie etwa, ein leichtes, sanftes Lächeln zu üben oder Listen mit den eigenen Stärken und der Fremdeinschätzung ("Was andere an mir schätzen") anzulegen.

Doch sollte man das nicht unterschätzen. Es kann viel Kraft und Gelassenheit geben, sich mit seinen Kompetenzen zu beschäftigen. Je positiver das Selbstwertgefühl, desto weniger machen Kränkungen aus und desto leichter fällt es, mit negativen Reaktionen der Umwelt umzugehen, schreiben Sendera und Sendera.

Ein positives Selbstwertgefühl und eine reale Selbsteinschätzung schützen so auch vor einem Burn-out.

Automatismen durchbrechen

Genauso wichtig ist, dysfunktionale Überzeugungen zu verändern. Solche Überzeugungen, die automatisch ablaufen und derer man sich oft nicht bewusst ist, gilt es zu identifizieren, zu überprüfen und den Automatismus zu durchbrechen.

Zum Beispiel: "Wenn ich nicht immer alles allein schaffe, bin ich wirklich unfähig", "Ich darf nie Schwäche zeigen" oder "Ich kann mich auf niemanden verlassen". Solche negativen Gedanken müssen hinterfragt werden: Welche Beweise gibt es dafür? Wenn es so wäre, wie ich denke, was könnte schlimmstenfalls passieren?

Die Autorinnen schlagen vor, sich zurückzuziehen und in Ruhe die eigenen typischen negativen Gedanken zu identifizieren, sie aufzuschreiben und jeweils Gegengedanken dazu zu notieren. Zum Beispiel: "Wenn ich nicht alles allein schaffe, bin ich wirklich unfähig - ich muss nicht alles allein tun."

Dann gilt es, im Alltag so oft wie möglich diese Gegengedanken als Strategie einzusetzen. Gerade für Ärzte in der Praxis kann das viel Kraft freisetzen. Dazu gehört natürlich auch zu lernen, nein zu sagen.

Ressourcen aktivieren

Ärzte, die Burn-out-gefährdet sind, verbringen mehr und mehr Zeit mit der Arbeit. Das hat sicher viel mit der zunehmenden Bürokratie zu tun. Mehr noch aber damit, wie man mit seiner Zeit umgeht.

Es gilt, Ressourcen zu aktivieren, um die Freude am Leben und somit am Beruf zu erhalten. Erster Schritt dazu ist, so die Autorinnen, wieder eine Liste anzulegen. Diesmal eine der angenehmen Tätigkeiten.

Zum Beispiel: "künstlerisch oder handwerklich tätig zu sein, jemandem eine Freude zu machen, Musik hören, laufen gehen, etwas Gutes kochen, zum Essen gehen, reisen, lesen, Fernsehserien anschauen, ein Hobby betreiben …" Allein, darüber nachzudenken, was man aufschreiben könnte, weckt schon ein wenig Lust. Man muss nicht extra betonen, dass es nicht bei der Liste bleiben sollte.

Viele weitere Übungen zur primären Prävention stellen Sendera und Sendera vor. Dazu gehören etwa ein Genusstraining ("Trainieren Sie das Entschleunigen!"), ein Deeskalationstraining und Entspannungsverfahren.

Schnelle Hilfe bei Stress

Die sekundäre Prävention hilft, nach Akutereignissen vorzubeugen oder frühzeitige Krankheitszeichen zu erkennen, um eine rechtzeitige Behandlung zu ermöglichen. Auch hierzu führen die Autorinnen einige Coping-Techniken auf.

So sei es etwa hilfreich, sich mit verschiedenen einfachen Möglichkeiten von Stresstoleranz-Skills vertraut zu machen, um in Stress-Situationen Hilfsmittel einsetzen zu können.

Dazu zählen auch Skills auf sensorischer Ebene: Es hilft etwa, bei starkem Stress Chinaöl und andere stark reizende Gerüche oder bei geringem Stress auch angenehme Gerüche bewusst wahrzunehmen oder auf Chilischoten oder andere scharfe Sachen wie Ingwer zu beißen. Chilischoten seien besonders beliebt, da sie im getrockneten Zustand einfach und griffbereit in der Handtasche verstaut und unauffällig verwendet werden können.

Das ist einer der vielen nützlichen und oft so einfachen Tipps, die Sendera und Sendera in diesem praktischen Buch geben.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 08.05.201313:48 Uhr

"Come in and burn-out!"

müsste ein (negativer) Werbespruch generell für alle "Helfenden Berufe" lauten. Denn auch das an sich gut gemeinte Motto: "Wir arbeiten für Ihr Leben gern" der bundesweiten KBV-Werbe-Offensive erklärt nicht, wo eigentlich das "Leben der Anderen", also die "work-life-balance" der Ärztinnen und Ärzte, die so gerne f ü r Andere arbeiten, bleiben.

Ressourcen zurückgewinnen und einplanen, entschleunigen und genießen, entstressen und der Dekompensation zuvorkommen; das ist durchaus möglich. Aber nicht dadurch, dass man z u s ä t z l i c h noch verbissen Wettkampf- oder Rennsport betreibt, sich selbst zu kulinarischen oder kulturellen Höchstleistungen anspornen muss bzw. im Privatleben ständig den ersten Platz in Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit erringen soll.

Manches geht in kleinen Schritten: Bei Fortbildungen, egal ob gesponsert oder selbst finanziert, passiert immer wieder Seltsames. Ärztinnen und Ärzte stürzen in Pausen ans Buffet, türmen wahllos durcheinander Vorspeisen, Hauptgerichte, Salate. Packen gigantische Mengen Fisch, Fleisch, Gemüse, Früchte auf überbordende Teller und schlingen alles in "Nullkommanichts" herunter. Flitzen dann zum Nachtisch-Buffet, packen Käseklötze dazu und stürzen in Windeseile Wein, Bier, Kaffee in sich hinein. Springen überstürzt vom Essen auf, um Zigaretten zu qualmen und wundern sich über ihre ausgesprochen schlechte Lebensqualität.

Nein, es geht auch anders! Innehalten, Betrachten, Reflektieren, Kontemplieren, Genießen, Kommunizieren, Schmecken, Riechen, Fühlen und Mit-Teilen wäre doch eine "prima Alternative".

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Wolfgang Ebinger 08.05.201308:49 Uhr

Rechtzeitig "ent-schleunigen" ...

Man hat noch nie jemanden auf seinem Sterbebett sagen hören: "Ich wünschte, ich hätte noch mehr Zeit im Büro verbracht...!"

Bei manchen Personen könnte die Grabstein-Inschrift aber durchaus so lauten:

FRÜHER NAHM ER JEDE ÜBERSTUNDE MIT, DIE ER KRIEGEN KONNTE
- HEUTE BUMMELT ER AB!

Darum, stets dran denken: Es gibt auch ein Leben VOR dem Tod!

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