Antibiotika-Resistenzen
Schwarze Liste der gefährlichsten Bakterien
Gegen welche resistenten Bakterien müssen weltweit am dringlichsten neue Antibiotika entwickelt werden? 70 Experten aus der ganzen Welt haben hierzu Stellung genommen. Das Ergebnis hat die WHO jetzt als Liste publiziert.
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Auch Pseudomonas aeruginosa stehen auf der Liste der gefährlichsten Bakterien.
© Sebastian Schreiter / Springer Medizin Verlag GmbH
GENF. Nur durch internationale Zusammenarbeit lässt sich künftig der Bedarf an neuen Antibiotika gegen schwere Infektionen sichern. Weil hier die Zeit drängt, steht das Problem ganz oben auf der Agenda von Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Deutschland hat nämlich auf dem letzten G20-Gipfel den Auftrag erhalten, in Zusammenarbeit mit anderen Ländern ein ökonomisches Programm zur Förderung der Antibiotika-Forschung aufzustellen.
Das Ministerium hat deshalb die WHO gebeten, für das Programm eine Prioritätenliste zu entwickeln, berichtet Professor Evelina Tacconelli in einer Mitteilung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Ein Team um die DZIF-Forscherin von der Universität Tübingen hat das Projekt nun im WHO-Auftrag koordiniert. Die Liste soll dazu dienen, der internationalen Antibiotika-Forschung eine gemeinsame Zielrichtung zu geben.
"Das Problem ist, dass die Pharmaindustrie momentan nicht in die Entwicklung neuer Antibiotika investieren will, weil es für sie wirtschaftlich nicht interessant ist", betont die Infektiologin. Deswegen macht die WHO nun konkrete Vorschläge, wohin Forschungsgelder fließen sollen. Angesprochen sind dabei sowohl die Industrie als auch öffentliche Institute und Universitäten. Für den öffentlichen Sektor sollen jetzt Politiker in Industrieländern Beschlüsse für Anreize und Investitionen beschließen. Beim G20-Gipfel im Mai soll nun über das Projekt weiter diskutiert werden.
Evidenz mit Expertenmeinungen verknüpft
Wie ist die Liste erstellt worden? Tacconelli und ihr Team haben das Projekt geleitet und mit Experten der WHO zusammengearbeitet. Es gab ein "Coordinating Board" mit acht Experten aus verschiedenen Ländern. Hinzugezogen wurden Experten wichtiger Gesundheitsinstitutionen wie der Seuchenbehörden ECDC in Europa und den CDC in den USA sowie der Arzneimittelbehörden EMA und FDA sowie der US-National-Institutes of Health (NIH). Schließlich gaben 70 Experten aus Europa, Amerika, Asien, Afrika und Australien ihre Meinung dazu.
In einer "Multi Criteria Decision Analysis" wurden dabei Evidenz-basierte Studiendaten zu Multiresistenzen mit Expertenmeinungen verknüpft, berichtet Tacconelli in der Mitteilung. Dazu hat das Team zunächst die Evidenzen für Kriterien wie "Mortalität", "Bürde in Krankenhäusern und in der Gesellschaft", "Übertragbarkeit" und "Prävention" in der Literatur und in Projekten recherchiert. Anschließend wurden die Evidenzen 70 Experten vorgelegt. Diese haben dann die Prioritäten dazu benannt. Aus den Daten wurde mit statistischen Methoden letztendlich die finale Liste ermittelt.
Das Ergebnis: Zwölf Bakteriengruppen sind mit Priorität für die Antibiotika-Forschung ausgewählt worden. Diese haben die Forscher in drei Gruppen eingeteilt: Erreger mit kritischer, hoher und mittlerer Priorität. Wie erwartet, finden sich gefährliche Krankenhauskeime in der Gruppe mit kritischer Priorität: Acinetobacter, Pseudomonas und verschiedene Enterobakterien wie E. coli. Weitverbreitete Keime, wie zum Beispiel Gonokokken oder Salmonellen, wurden als hohes Risiko klassifiziert.