Hyperlipidämie

Sind vermeintliche Statin-Risiken Nocebo-Effekte?

Viele Nebenwirkungen der Statintherapie, wie Myopathien, sind offenbar auf Nocebo-Effekte zurückzuführen. Das legen die Ergebnisse einer Studie nahe.

Von Peter Stiefelhagen Veröffentlicht:
Muskelschmerzen: Nur 10 Prozent der bisher dem Statin zugeschriebenen Beschwerden sind auf den Wirkstoff zurückzuführen.

Muskelschmerzen: Nur 10 Prozent der bisher dem Statin zugeschriebenen Beschwerden sind auf den Wirkstoff zurückzuführen, legt eine Studie nahe.

© SHOTPRIME STUDIO / stock.adobe.com

München. Die Häufigkeit von Myopathien unter Statinen liegt in Studien im Placebobereich. In der Praxis wird aber eine Inzidenz von bis zu 20 Prozent berichtet, sagte Dr. Anja Vogt aus München bei der virtuellen Veranstaltung „Diabetologie grenzenlos“. Warum das so ist, wurde in der britischen Studie SAMSON untersucht.

60 Patienten mit Nebenwirkungen unter einem Statin (zwei Drittel Muskelbeschwerden) nahmen teil. Sie erhielten vier Monate ein Statin, vier Monate ein Placebo und vier Monate keine Therapie. Alle Teilnehmer durchliefen alle Phasen in einer verblindeten Reihenfolge. Sie dokumentierten dabei auf einer Smartphone App selbst Beschwerden und Intensität (Skala von 0 bis 100). Im Mittel gaben sie unter dem Statin einen Schweregrad von 13,6 an, in der Placebo-Phase von 15,4 und im behandlungsfreien Intervall von 8,0.

Statinpause bei Myalgien!

Ergebnis: Bei den Beschwerden gab es zwischen der Zeit ohne Therapie signifikante Unterschiede zur Statin- aber auch zur Placebophase. Keine signifikanten Unterschiede gab es jedoch zwischen der Placebo- und der Statin-Phase. Daraus ließ sich eine Nocebo-Rate von 90 Prozent ermitteln. Im Umkehrschluss heißt das: Nur 10 Prozent der bisher dem Statin zugeschriebenen Beschwerden sind auf den Wirkstoff zurückzuführen. Nachdem die Patienten darüber aufgeklärt wurden, nahmen die Hälfte die Statin-Therapie wieder auf.

Bei Muskelschmerzen sollte zunächst das Statin pausiert werden. Wenn die Beschwerden nach zwei bis drei Wochen persistieren, müssen Differenzialdiagnosen abgeklärt werden. Bei Beschwerderegredienz ist der nächste Schritt die Re-Exposition mit einem anderen Statin in niedrigerer Dosis und langsamer Dosis-Steigerung alle vier bis acht Wochen, bis die maximal verträgliche Dosis erreicht ist. Erst dann sollte eine Kontrolle des LDL-Cholesterins erfolgen.

Falls der Zielwert dann nicht erreicht ist, empfiehlt sich die Kombination mit Ezetimib. Für Patienten mit einer echten Statinunverträglichkeit stehen heute PCSK9-Inhibitoren, die alle zwei Wochen s.c. appliziert werden, zur Verfügung. Neue Ansätze sind Bempedoinsäure und siRNA-basiertes Inclisiran, das nur zweimal jährlich s.c. injiziert wird. Dies ist allerdings sehr teuer.

Nebenwirkung kommunizieren!

„Ein großes Problem ist, dass viele Patienten durch Berichte über vermeintliche Risiken der Statine verunsichert werden“, sagte Vogt. Unbestritten überwiegen die Vorteile einer Statintherapie die Risiken. „Das Statin selbst garantiert eine Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse, doch unsere ärztliche Kommunikation sollte auch der Primärprävention von Statin-Unverträglichkeiten dienen“, sagte Vogt abschließend.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gastbeitrag

Abnehmspritzen: Muskelmasse durch Fett austauschen

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Mann mit Pflaster auf Oberarm gibt Daumen-hoch-Zeichen

© U_Photo / Shutterstock

Impflücken bei Chronikern

Senkung von Morbidität und Mortalität durch bessere Vorsorge

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Kommentare
Dr. A. Constantin Rocke 02.04.202110:26 Uhr

Wie steht es mit den Interessenkonflikten der Beteiligten? Es ist biochemisch nuneinmal eindeutig, dass HMG-CoA-Reduktasehemmer die Cholesterin- und eben auch Ubiquinolsynthese hemmen und somit mitotoxisch wirken. Cholesterin ist u.a. Ausgangssubstanz für Steroide und wichtig für u.a. Zellmembranfunktion. Statt sich von Autoren mit starken Interessenkonflikten unkritisch immer neue Zielwerte und Medikamente vorgeben zu lassen sollten wir Ärzte die Zahlen richtig lesen und die Biochemie wieder beherrschen. Ernährung, Bewegung, Stressmanagement, klinische/patientenzentrierte Umweltmedizin sind viel bedeutendere Faktoren zur Gesunderhaltung und Gesundung als Ezetimib, Januvia und Co., deren Effekte entweder lächerlich oder gar nicht bewiesen wurden (vgl. Arznei-Telegramm u.a.). Das gesamte CME-System und die universitär-industriell verwobenen Leitlinienstrukturen (gerade in der Diabetologie mit erschreckenden Interessenkonflikten) sollte geprüft und in der aktuellen Form nicht mehr fortgeführt werden. Die Bücher des „kaltgestellten“ Peter Goetzsche sollte jeder Kritiker des aktuellen Medizinsystems gelesen haben.

Sonderberichte zum Thema
Real-World-Analyse von US-Versorgungsdaten-- Bei Einsatz von Sacubitril/Valsartan ist die Gesamtsterblichkeit signifikant geringer als bei Einsatz von ACEi/ARB.

© Springer Medizin Verlag

ARNI in der Primärtherapie der HFrEF

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Kommen die Kröpfe zurück nach Deutschland?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Belastungsfähigkeit verbessern

Regelmäßig in die Sauna – hilft das bei Herzinsuffizienz?

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Figuren betrachten eine Blatt mit einer Linie, die zu einem Ziel führt.

© Nuthawut / stock.adobe.com

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Betritt unbekanntes Terrain: CDU-Politikerin und designierte Bundesministerin für Gesundheit Nina Warken.

© Bernd Weißbrod/dpa

Update

Überraschende Personalie

Eine Juristin wird Gesundheitsministerin: Das ist Nina Warken