US-Studie

So viele Herz-Kreislauf-Tote ließen sich vermeiden

Rauchen, Bluthochdruck, starkes Übergewicht, Diabetes und erhöhtes Cholesterin: Dieses Quintett ist verantwortlich für jeden zweiten Herz-Kreislauf-Todesfall in den USA - und für 340.000 Tote in Deutschland. Welche dieser Risikofaktoren besonders ins Kontor schlägt, haben US-Forscher jetzt untersucht.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Herzinfarkt ist eine der Haupttodesursachen.

Herzinfarkt ist eine der Haupttodesursachen.

© underdogstudios / fotolia.com

ATLANTA. Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie KHK und Schlaganfall gehören nach wie vor zu den Haupttodesursachen weltweit.

In den Vereinigten Staaten sterben daran jährlich etwa 780.000 Menschen, in Deutschland sind es rund 340.000. Damit machen kardiovaskuläre Ereignisse hierzulande etwa 40 Prozent aller Todesursachen aus.

Rauchen, Hochdruck, Adipositas, Diabetes und erhöhtes Cholesterin sind nach Dr. Shivani A. Patel von der Emory University in Atlanta, Georgia, die fünf wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für Herz und Gefäße.

Der Gesundheitsforscher und sein Team haben untersucht, zu welchem Anteil diese auf Bevölkerungsebene zur kardiovaskulären Mortalität beitragen - sowohl zusammengenommen als auch einzeln.

Daten aus Register und Befragung

Für ihre Schätzung griffen die Forscher zum einen auf eine große Telefonbefragung zurück, in der über 500.000 US-Bürger im Alter zwischen 45 und 79 Jahren Angaben zu persönlichen Risikofaktoren gemacht hatten (Ann Intern Med 2015; 163(4): 245-253).

Gespeichert sind die Daten im Behavioral Risk Factor Surveillance System (BRFSS). Diese Informationen wurden einerseits mit dem nationalen Todesregister und andererseits mit Ergebnissen der NHANES (National Health and Nutrition Examination Survey)-Studie zusammengeführt: Hier wird jeder der genannten Faktoren mit einer Hazard Ratio (HR) für kardiovaskuläre Mortalität verknüpft.

Nach Patel et al. betrug der Anteil der Herz-Kreislauf-Todesfälle, die man theoretisch durch Elimination aller fünf Faktoren bei den über 45- und unter 80-Jährigen hätte vermeiden können, im Erfassungszeitraum 2009/2010 54 Prozent bei den Männern und 49,6 Prozent bei den Frauen.

Würden sämtliche Komponenten des metabolischen Syndroms, also Adipositas, Bluthochdruck, hohes Cholesterin und erhöhter Blutzucker, zusammen wegfallen, könnten den Berechnungen zufolge dadurch 39,6 Prozent bzw. 56,5 Prozent der kardiovaskulären Todesfälle verhindert werden.

Solche Angaben sind natürlich rein theoretisch; komplett wird sich keiner der Risikofaktoren jemals eliminieren lassen, geschweige denn alle zusammen.

Die Forscher berechneten daher realistischere Szenarien: Was wäre zum Beispiel, wenn alle US-Bundesstaaten bei der Reduktion der Risikofaktoren auf das Niveau des Staates mit den jeweils besten Ergebnissen kommen würden?

Unterschiede bei Mann und Frau

Am größten wären in der Gesamtpopulation die Effekte von Rauchstopp und Blutdrucksenkung: Im besten Fall ließen sich dadurch bei den Männern 5,1 Prozent bzw. 3,8 Prozent der kardiovaskulären Todesfälle verhindern. Bei den Frauen wären es 4,4 Prozent bzw. 7,3 Prozent.

Maßnahmen gegen Adipositas brächten maximal 2,6 Prozent bei den Männern und 1,7 Prozent bei den Frauen.

Durch Normalisierung des Cholesterinspiegels ließen sich bis zu 2 Prozent der Herz-Kreislauf-Todesfälle bei Männern vermeiden, bei Frauen würde sich der vermeidbare Anteil rein rechnerisch auf -0,1 Prozent belaufen.

Auch von einer guten Blutzuckereinstellung (HbA1C < 6,5 Prozent oder Medikamente nicht notwendig) würden Männer und Frauen nach diesem Rechenmodell in unterschiedlichem Maße profitieren: Nur 1,7 Prozent wäre der Anteil der vermiedenen Todesfälle bei den Männern, dagegen 4,1 Prozent bei den Frauen.

Bei 81,7 Prozent der Männer und bei 80 Prozent der Frauen lag in den Jahren 2009/2010 einer oder mehrere der fünf Hauptrisikofaktoren vor.

Mindestens einen metabolischen Risikofaktor hatten 74,9 Prozent bzw. 74,8 Prozent. Bei beiden Geschlechtern am häufigsten unter den einzelnen Faktoren waren Bluthochdruck (46,6 Prozent bzw. 45,1 Prozent) und erhöhte Cholesterinwerte (46,7 Prozent bzw. 46,2 Prozent).

Trotz erkennbarer Fortschritte sei das, was man auf Bevölkerungsebene bei der kardiovaskulären Mortalität erreicht habe, noch weit vom theoretischen Minimum entfernt, kritisieren Patel und Kollegen.

Sämtliche US-Bundesstaaten könnten von einer weiteren Risikoreduktion profitieren. Besonders durch striktere Maßnahmen gegen Rauchen, Hochdruck und Diabetes könne man tausende Herz-Kreislauf-Todesfälle verhindern.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 28.09.201515:08 Uhr

Vom "Ist" zum "Soll" ohne Flexibilität?

In den USA leben für 2015 geschätzt 321,24 Millionen Menschen (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/19320/umfrage/gesamtbevoelkerung-der-usa/). In Deutschland leben dagegen nur 81,2 Millionen Menschen (Stand 2014).

Wenn an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie KHK und Schlaganfall als Haupttodesursachen in den Vereinigten Staaten jährlich etwa 780.000 Menschen sterben, und in Deutschland rund 340.000, ist die jährliche Sterberate deutlich unterschiedlich: In den USA 0,243 Prozent pro Jahr vs. 0,419 Prozent pro Jahr in Deutschland.

Sollte damit die jährliche Sterblichkeitsrate an kardiovaskulären Ereignissen in Deutschland um den Faktor 1,72-fach h ö h e r liegen? Dann wäre doch die Publikation "Cardiovascular Mortality Associated With 5 Leading Risk Factors: National and State Preventable Fractions Estimated From Survey Data" von S. A. Patel et al. gar nicht auf Deutschland übertragbar!

Inhaltlich schwächeln aber auch die USA-spezifischen Schlussfolgerungen. Wesentlich m o d i f i z i e r b a r e kardiovaskuläre Risikofaktoren setzen erkenntnistheoretisch eine Flexibilität zwischen Ist und Soll voraus. Dabei sind aber gerade Rauchen, Hochdruck, Adipositas, Diabetes, erhöhtes Cholesterin u n d Bewegungsmangel progredient wirksame Risikofaktoren, die am w e n i g s t e n einer Verhaltensmodifikation zugänglich sind.

Wenig motivierend wirken Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der Publikation, die hier von ÄZ-Autorin Elke Oberhofer detailliert und kenntnisreich wiedergegeben wird, im Original: "Conclusion - Major modifiable cardiovascular risk factors collectively accounted for half of cardiovascular deaths in U.S. adults aged 45 to 79 years in 2009 to 2010. Fewer than 10% of cardiovascular deaths nationally could be prevented if all states were to achieve risk factor levels observed in the best-performing states."

Weniger als 10 Prozent nationaler kardiovaskulärer Todesfälle könnten verhindert werden, wenn alle US-Bundesstaaten das Niveau der Risikofaktoren jener Bundesstaaten erreichen würden, die dabei am besten abgeschnitten haben. Doch die meisten Menschen in den USA frönen eher dem möglichst bewegungs- und anstrengungslosen "Fressen, Saufen, Rauchen" bzw. dem Übergewicht, bis der Arzt kommt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Uwe Wolfgang Popert 28.09.201507:51 Uhr

Bewegung fehlt

Der Risikofaktor "mangelnde Bewegung" fehlt in der Berechnung. Er liegt in der gleichen Größenordnung wie Nikotinstopp und ist ebenfalls änderbar.

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