Schlaganfall
Thrombektomie sammelt weitere Pluspunkte
Schon in früheren Studien hat die Thrombektomie mittels Stent-Retriever bei Schlaganfall gute Resultate erzielt. Jetzt zeigt eine aktuelle Untersuchung: Die Methode kann Patienten selbst viele Stunden nach einem Hirninfarkt retten.
Veröffentlicht:ESSEN/BARCELONA. Auf dem Europäischen Schlaganfallkongress in Glasgow ist ein Thema heiß diskutiert worden: die Thrombektomie mittels Stent-Retriever bei ischämischem Schlaganfall.
Zeitgleich mit dem Kongressbeginn wurden im "New England Journal of Medicine" zwei Studien publiziert, die erneut einen Nutzen der mechanischen Rekanalisierung bei Schlaganfall belegen.
An einer der beiden Studien mit der Bezeichnung SWIFT-PRIME hatten knapp 200 Patienten teilgenommen, die in 36 Zentren behandelt wurden.
Darunter befanden sich auch deutsche Kliniken - der europäische Studienteil erfolgte unter Leitung von Professor Hans-Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Uni Duisburg-Essen (NEJM 2015, online 17. April).
Voraussetzung für die Teilnahme war ein proximaler Verschluss der vorderen Hirnarterien, also etwa eine Okklusion der Carotis interna oder des ersten Segments der mittleren Zerebralarterie.
Die ischämische Läsion durfte ferner nicht allzu groß sein: Ein kleiner Kern mit vermutlich irreversibel zerstörtem Gewebe sollte in der Bildgebung von einer gut ausgeprägten Penumbra mit noch erhaltbarem Gewebe umgeben sein, auch durften nicht mehr als sechs Stunden seit Beginn der Schlaganfallsymptome vergangen sein.
Reperfusion klappte meist
Alle Patienten bekamen eine Lyse mit intravenösem rt-PA. Bei der Hälfte versuchten die Ärzte zusätzlich, den Thrombus mit einem Stent-Retriever (Solitaire-System) zu entfernen.
Im Median erfolgte die Lyse knapp zwei Stunden nach Symptombeginn, in der Interventionsgruppe kam der Stent-Retriever rund vier Stunden nach Beginn der Symptome zum Einsatz.
Wie sich herausstellte, gelang es bei 83 Prozent der Patienten mit dem Stent-Retriever, die Perfusion wieder herzustellen, in der Gruppe mit alleiniger Lyse war dies nur bei 40 Prozent der Fall.
Dies übersetzte sich auch in eine bessere Funktionsfähigkeit der Patienten nach drei Monaten: 60 Prozent derjenigen mit zusätzlicher Retriever-Therapie konnten ohne fremde Hilfe leben (mRS-Wert maximal 2 Punkte), dagegen war dies nur bei 35 Prozent mit alleiniger Lyse der Fall.
Auch gab es etwas weniger Todesfälle nach drei Monaten in der Gruppe mit Thrombektomie (9 versus 12 Prozent), hier war der Unterschied jedoch nicht signifikant.
Keine intrakraniellen Blutungen
Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen traten bei 36 Prozent mit Thrombektomie und bei 31 Prozent ohne auf, auch dieser Unterschied war nicht signifikant. In der Gruppe mit alleiniger Lyse kam es bei drei Patienten zu intrakraniellen Blutungen, aber bei keinem in der Gruppe mit Thrombektomie, dafür erlitten hier vier Patienten subarachnoidale Blutungen.
Letztlich ließ sich keines der Ereignisse eindeutig auf die Retriever-Therapie zurückführen.
An der zweiten nun publizierten Studie namens REVASCAT beteiligten sich vier spanische Zentren. Die 206 Studienteilnehmer wurden nach ähnlichen Kriterien wie in SWIFT PRIME ausgewählt (proximaler Infarkt, gut sichtbare Penumbra), zusätzlich war bei allen Patienten entweder eine Revaskularisierung per Lyse nach 30 Minuten noch nicht erfolgreich, oder die Patienten kamen aufgrund von Kontraindikationen für eine Lyse nicht infrage (NEJM 2015, online 17. April).
Diese Patienten wurden nun in zwei Gruppen eingeteilt: Die einen erhielten eine rein medikamentöse Behandlung, bei den anderen wurde zusätzlich versucht, den Thrombus mechanisch zu entfernen, auch hier mit dem Solitaire-System. Dies durfte bis zu acht Stunden nach Symptombeginn geschehen.
Nach drei Monaten war auch in dieser Studie der Anteil der funktionell unabhängigen Patienten in der Thrombektomie-Gruppe signifikant höher als mit alleiniger medikamentöser Therapie (43 versus 28 Prozent). Von den Patienten, die per Stent-Retriever behandelt worden waren, starben 19, in der Kontrollgruppe 16, der Unterschied war nicht signifikant.
Wurden nur die Patienten betrachtet, die erst nach 4,5 Stunden in die Studie aufgenommen wurden, so waren diejenigen mit Thrombektomie noch immer im Vorteil, wenngleich dieser etwas geringer war als bei einem früheren Therapiebeginn.
Generell gab es auch in REVASCAT keine statistisch belastbaren Unterschiede bei den unerwünschten Wirkungen. Hirnblutungen traten in beiden Studiengruppen bei zwei der Patienten auf. Gelingt per Lyse keine rasche Reperfusion, so lohnt sich nach diesen Ergebnissen eine Thrombektomie auch noch viele Stunden nach Symptombeginn.