Tumoren "aushungern"
Tie1 – Neues Konzept, um Tumorwachstum zu verhindern
Mithilfe eines neu entdeckten Wirkstoffs ist es Forschern gelungen, das Wachstum von Tumoren auszuschalten – und gleichzeitig eine Metastasierung zu stoppen.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg feilen an einer neuen Methode, um das Tumorwachstum zu unterdrücken. In einer Mitteilung sprechen die Wissenschaftler davon, Tumoren "auszuhungern". Publiziert haben die Heidelberger ihre Ergebnisse in "The Journal of Clinical Investigation" (DOI: 10.1172/JCI94674).
Dabei setzen sie auf die Tumor-Angiogenese, genauer gesagt: auf den Angiogenese-Rezeptor Tie1. Dieser wird von Endothelzellen gebildet und steuert – zusammen mit anderen Signalmolekülen – das Wachstum von Blutgefäßen, so das DKFZ.
Tumoren produzieren laut der Forscher verstärkt Tie1, um die Bildung von Blutfäße in ihre Richtung zu beeinflussen. Ohne die Zufuhr von Nährstoffen durch die Blutgefäße verhungern bekanntlich die Tumoren sozusagen.
Rezeptor destabilisiert Gefäßwände
Tie1 destabilisiert außerdem die Wände von Blutgefäßen, wodurch Sekundärtumoren sich einfacher in anderen Bereichen im Körper niederlassen können. Den Forschern gelang es bei Mäusen, Tie1 in Endothelzellen genetisch auszuschalten und so die Metastasenbildung abzustellen.
"Im nächsten Schritt werden wir untersuchen, ob wir durch medikamentöse Unterdrückung von Tie1 den gleichen Effekt erzielen können", so Erstautorin Silvia La Porta.
Alte Grundlage, neuer Wirkstoff
Der Ansatzpunkt ist an sich nicht neu: Roche hat seit 2005 mit Bevacizumab einen Wirkstoff im Portfolio, der den Angionesefaktor VEGF hemmt und für die Behandlung mehrerer Tumorarten zugelassen ist. Da jedoch dieser nur eine begrenzte Wirksamkeit hat, sagt das DKFZ in der Mitteilung, hoffen die Forscher einen zweiten Wirkstoff zu finden, den sie mit Bevacizumab kombinieren können.
Da Tie1 erst in späteren Phasen der Tumorenentwicklung einen Effekt beim Wachstum hat – im Gegensatz zum anderen Hoffnungsträger Angiopoietin2 – sei dessen Hemmung potenziell praktikabler als die von Angiopoietin2. Schließlich werden Tumoren oft erst in späteren Stadien diagnostiziert.
Jedoch ist auch bei Tie1 weitere Forschung nötig: Er sei bisher ein Orphan-Rezeptor, das heißt ein Rezeptor, für den Forscher noch keinen Bindungspartner identifiziert haben. (ajo)