Risiko für Athleten

Tod durch Wassertrinken

Man kann sich auch mit Wasser zu Tode trinken - das vergessen viele Athleten. Ein neues US-Konsensus-Statement soll Ärzten helfen, Sportler mit entsprechenden Symptomen besser zu erkennen und zu behandeln.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Trinken beim Sport ist zwar wichtig - aber übertreiben sollte man es damit auch nicht.

Trinken beim Sport ist zwar wichtig - aber übertreiben sollte man es damit auch nicht.

© Berc / iStock / Thinkstock

CARLSBAD. Nicht über den Durst trinken - diese Empfehlung gilt nicht nur für Alkohol, sondern auch für Wasser.

Doch noch immer glauben viele Athleten, sie tun sich etwas Gutes, wenn sie während des Trainings oder des Wettkampfs möglichst viel Wasser in sich hineinschütten.

Meist ist jedoch das Gegenteil der Fall: Je nach Wettkampf haben bis zur Hälfte der Teilnehmer am Ende nicht zu wenig Wasser, sondern zu wenig Natrium im Körper.

Das geht aus einem neuen Konsensuspapier von US-Experten hervor, die sich im Februar in Carlsbad in Kalifornien getroffen haben.

Nach Untersuchungen aus Studien verläuft eine Hyponatriämie, die als Na+-Serum- oder Plasmawert von weniger als 135 mmol/l definiert wird, im Sport häufig unauffällig.

Immer wieder gibt es jedoch tödliche Unfälle durch schweren Natriummangel mit weniger als 125 mmol/l Na+: So brach beim diesjährigen Frankfurt-Triathlon ein Brite hinter der Ziellinie zusammen und starb drei Tage später an den Folgen eines Hirnödems.

Auch hier wird vermutet, dass der Mann während des zwölfstündigen Wettkampfs bei bis zu 40 Grad im Schatten zu viel Wasser getrunken hat, worauf es zu einer Sport-assoziierten hyponatriämischen Enzephalo

Meist ist zu viel Trinken die Ursache

In solchen Fällen - bei starker Hitze und extrem anstrengendem Wettbewerb - kann die Hyponatriämie aber auch noch andere Ursachen als ein Verdünnen der Blut- und Gewebesalzspiegel durch übermäßiges Trinken haben.

Nach mehrstündigem Schwitzen und unzureichender Salzzufuhr können die Na+-Spiegel ebenfalls bedrohlich sinken, in diesem Fall wäre dann von einer hypovolämischen Hyponatriämie auszugehen.

Diese wurde in Untersuchungen vor allem bei Maximaltemperaturen über 30 Grad und einer Wettkampfdauer von über 20 Stunden beobachtet.

Charakteristisch dabei sind ein Gewichtsverlust von über 2 Prozent, Urinnatriumwerte von weniger als 30 mmol/l sowie hohe Blut-Stickstoff-Konzentrationen (über 20 mg/dl) und eine extrem niedrige Flüssigkeitsausscheidung nach dem Wettkampf.

Dagegen sondern Patienten mit hypervolämischer Hyponatriämie in der Erholungsphase nach dem Rennen nicht selten zwei bis drei Liter Urin ab.

Entsprechend ist ein konstantes Gewicht oder eine Gewichtszunahme während des Rennens ein Hinweis auf einen exzessiven Flüssigkeitskonsum als Ursache der Beschwerden, die sich zunächst oft als Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerz und Übelkeit äußern (leichte Hyponatriämie) und bei schweren Formen in starke Kopfschmerzen, Erbrechen, Verwirrtheit, Delirium, Bewusstlosigkeit und Koma übergehen.

Rasche Therapie mit hypertoner Kochsalzlösung

Nach dem aktuellen Konsensuspapier, an dem sich neben 14 US-Experten auch jeweils ein Spezialist aus Neuseeland, Australien und Großbritannien beteiligt haben, gilt eine Hyponatriämie klinisch spätestens dann als gravierend, sobald neurologische Symptome auftreten.

Dies ist meist bei Na+-Werten unter 125 mmol/l der Fall, wobei die Symptome nicht eindeutig mit den Natriumspiegeln korrelieren - auch wie schnell die Natriumwerte fallen, ist für die Entstehung von Hirn-, Herz- und Lungenödemen relevant. Ärzte sollten sich also nicht alleine auf die Blutwerte verlassen.

Für die Therapie ist es zunächst wenig entscheidend, ob eine eher seltene hypo- oder die häufigere hypervolämische Variante vorliegt.

Primär muss der Natriumverlust möglichst schnell ersetzt werden - etwa durch Infusionen mit einer hypertonen, dreiprozentigen Kochsalzlösung.

Nicht über den Durst trinken!

Zeigen Patienten bereits erste Symptome eines Hirnödems, sollte ein Kochsalzbolus schon vor der Natriummessung verabreicht werden.

Bei eu- oder hypervolämischen Patienten darf jedoch auf keinen Fall eine iso- oder gar hypotone Salzlösung infundiert werden.

Bei hypovolämischen Patienten haben einige der Experten gute Erfahrungen mit einer isotonischen Kochsalzlösung nach der Infusion einer hypertonen Lösung gemacht, doch auch hier müssen hypotone Lösungen unbedingt vermieden werden.

Um eine Hyponatriämie zu verhindern, sollten sich Athleten vor allem von dem Irrglauben verabschieden, vor, während und nach dem Sport über den Durst trinken zu müssen.

Auch isotonische Getränke dürften nicht übermäßig getrunken werden, ihr Salzgehalt liegt noch weit unter dem von Körperflüssigkeiten.

Solche Getränke könnten zwar das Absinken der Natriumwerte etwas bremsen. Allerdings sollten sie nur gegen den Durst getrunken werden, denn auch damit lasse sich im Übermaß ein Hirnödem herantrinken.

Besser auf den Durst hören

Häufig werde viel Flüssigkeit empfohlen, um Muskelkrämpfe während des Sports zu verhindern.

Dies sei jedoch Unsinn, Studien hätten gezeigt, dass solche Krämpfe primär durch Übermüdung und Überlastung entstehen, aber nicht durch Dehydratation, schreiben die Autoren des Konsensus-Statements.

Eine Untersuchung von 41 Patienten mit Hyponatriämie hatte ergeben, dass fast allen zuvor von Teamkameraden oder -leitern empfohlen worden war, über den Durst hinaus zu trinken, da der Durst ein schlechter Ratgeber sei.

Die Experten des Konsensuspapiers raten hingegen, auf den Durst zu hören, da der Flüssigkeitsbedarf darüber sehr gut reguliert werde.

Zudem würde eine leichte bis moderate Dehydratation, bei der bis zu 3 Prozent des Körpergewichts und bis zu 5 Prozent des Wassergehalts verlorengehen, die Leistungsfähigkeit bei ansonsten gesunden Sportlern nicht beeinträchtigen.

Ein extremes Beispiel lieferte der US-Amerikaner Alberto Salazar. Er hatte bei den olympischen Spielen 1984 in der Hitze von Los Angeles über 8 Prozent seines Körpergewichts beim Marathon verloren. Dennoch lief er eine Zeit von zwei Stunden und 14 Minuten.

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.08.201523:20 Uhr

Lieber Herr @Dr. Dominik Grimm, ja ein interessantes Thema. Kleinkinder sind allerdings keine erwachsenen Sportler.

Die Nieren sind noch nicht annähernd so leistungsfähig.
Da ist jede Infusion eine Belastung
Bei Erwachsenen ist es gar nicht so einfach bis unmöglich 1mmol -Anstieg in einer Stunde überhaupt zu schaffen.
Trotzdem gilt prinzipiell das gleiche.
Ich habe unten nicht von hypertonen Infusionen, sondern nur von oraler Zufuhr von Salz gesprochen, hier ist ja schon eine isotonische NaCl-Lösung (geschmacklich) kaum runterzukriegen. Oral läuft ja alles erst mal über den Filter der Leber und nicht ins Gehirn, wie bei der Infusion.
Nahrung wird noch langsamer resorbiert, wir haben nach der Sauna zum Getränk gerne Salzhering gegessen.
Der Salzkonsum eines zitierten Japaners mit 20 gr/Tag
entspricht in einem Liter Wasser einer 20%ige NaCl-Lösung.

Hier ging es ja um den falschen Ausgleich von VOLUMENMANGEL durch sehr salzarmes Wasser, was erst die Hyponatriämie auslöst.
Krämpfe und "Kollaps" sieht man bei Volksmarathonläufen eigentlich regelmäßig, besonders bei "Nachzüglern", die bis über 4 Stunden laufen.
Und für die Ausgleichsgeschwindigkeit von messbaren geregelten Vitalparametern im Serum wie die Osmolarität, Na, K und auch der pH (Azidose) gibt es eine Daumenregel, die lautet schlicht:
bei schnellen Parameterveränderungen, schnell ausgleichen, bei langsamen bis chronischen (z.B. nephrogen) entsprechend sehr langsam ausgleichen.
Bei der jungen Frau mit dem Trinkwettbewerb in USA (Stoßbelastung) war man schlicht zu langsam, sie starb am Hirnödem.
Bei schwerer Hyponatriämie infundiert man auch hypertone Lösungen von 3 bis 7% (Verbrennung). Wir habe bei Dialyse-Patienten auch schon rel. flott 10% infundiert. Ziel ist selbstverständlich immer nur der untere Normwert, also 135 mval Na. Der muss bei "chronischen" Fällen auch nicht immer in den ersten 24 Stunden erreicht werden.
Dann kommt dann noch der Aldosteron-Mechanismus hinzu etc.

Die Kernaussage bleibt, dass auch NaCl lebenswichtig ist,
früher hat man Kriege um Salz geführt.

Dr. Dominik Grimm 06.08.201510:27 Uhr

Gefahr der pontinen Myelinolyse

Über die Meinung mit hypertoner NaCl-Lösung der Na-Spiegel schnell zu beheben bin ich doch sehr erstaunt, die wiederspricht jeder pädiatrischen Expertise. Mehr als 0,5-1 mmol/l pro Stunde sollte der Serumnatriumanstieg nicht sein um nicht eine pontine Myelinolyse auszulösen. Die Behandlung mit isotoner NaCl-Lösung ist fast immer sinnvoll, der schnelle Ausgleich mit hypertoner Lösung stellt einen ärztlichen Kunstfehler da.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.08.201500:39 Uhr

Tippfehler bei Sprudelwasser ..

... alles mögliche drin, nur KEIN NaCL,
gerne Mg-Sulfat etc.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.08.201500:32 Uhr

Man sollte jetzt den Menschen aber keine Angst vor dem Wasser Triken machen.

Das schöne an der Niere ist ja, dass sie verdünnen und konzentrieren kann.
Etwas mehr Wasser ist also, gerade beim Älteren, immer besser als etwas weniger Wasser.
Salz wird ja in Japan bis zu 20gr./die konsumiert und die werden dabei so verdächtig alt.

Wichtig ist nur, den Fehler der Ernährungtsberater zu vermeiden, das Salz völlig unabhängig von der Trinkmenge zu betrachten.
Denn "geregelt" ist nicht eine Salzmenge im Körper, sondern die NaCl-Konzentration einer Flüssigkeit (0,9% NaCl des ganzen Extrazellulärvolumens, ganz bgrob).
Wird also viel Wasser getrunken, muss auch ein höherer Salzkonsum erfolgen um die Niere nicht zu überforden, wer wenig trinkt darf dagegen nicht zu viel Salz essen. Beim Ausdauersport ist der Salzverlust durch Schwitzen enorm. Er kann nicht mit salzfreier Flüssigkeit ersetzt werden. Wer einmal "physiologische" Kochsalzlösung getrunken hat, eine Basisinfusion jeder Intensivstation, der weis wie salzig nur 0,9% NaCl schon schmeckt. Nur das wäre völlig "neutral" als Getränk.
Was für den Sportler noch wichtig ist zu wissen, es reicht keineswegs irgend ein "Sprudelwasser"! Da ist heute alles mögliche drin, nur ein NaCl, mehr als ein Liter können schon ganz ohne Sport Probeme machen. Daist abgekochtes Leitungswasser mit etwas Salz ungefährlicher. Ich habe mal als (Medizin-)Student nach 8-stündiger Tätigkeit an einer Vulkanisierpresse (hohe Temperatur) und viel Flüssigkeitszunahme wegen leichten Muskelkrämpfen einfach einen Teelöffel mit Kochsalz mit einer Tasse Leitungswasser runter geschluckt, bitte nicht zur Nachahmung empfohlen, erfordert einen sehr robusten Magen, und die Krämpfe waren fast sofort weg und blieben verschwunden. Auch ein Kleinkind, das Durchfall hat, verliert (lebens)gefährlich viel Salz bis zu zerebralen Krämpfen und benötigt beides Wasser und Kochsalz (physiologisch, 0.9%) als Infusion. Gehirn, Niere und Darm (in der Reihenfolge) arbeiten besser bei einem (etwas) höheren Na-Spiegel, als bei einem niedrigeren.
Ich sage manchmal - total gegen den Trend natürlich - Hirn wichtiger als Herz (nur auf das Natrium bezogen natürlich).
Kalium ist selbstverständlich auch wichtig, wie Kollege Schätzer richtig sagt, nur ist hier die Gabe viel vorsichtiger erforderlich und zeitlich dosisbegrenzt. Mit Kalium i.v. wurden schon Menschen umgebracht.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 05.08.201514:29 Uhr

Einfach eine Dr. fragen und nicht immer nur die Laienpresse oder so ein "Konsensuspapier"

In USA ist eine kerngesunde junge Amerikanerin vor ein paar Jahren nach einen Trinkwettbewerb gestorben.
In Deutschland wird es ja auch immer schwieriger mit dem LEBENSWICHTIGEN Salz, weil die Laienpresse und die nicht viel klügere DGE ("Ernährungsexperten") ständig Salzverzicht predigen.
Da Deutschland medizinisch etwas "kardiologische" Schlagseite hat, werden ja zur Blutdrucksenkung (bei alten Menschen) gerne noch Diuretika gegeben,
die dann eher mehr schaden als nützen (Hyponatriämie, Sturz, Schenkelhalsbruch)
Schön, dass hier endlich mal NICHT über Salz geschimpft wird, simples NaCl,
muss nicht aus dem Himalaja oder dem Meer kommen.

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